«In Wahrheit geht es um die Abschaffung des Menschen!»

Transgender ist ein Projekt des patriarchalen Transhumanismus, sagt die Ökonomin und Soziologin Claudia von Werlhof. Das Ziel liege in der Abschaffung von Natur und Müttern. Was als Freiheit deklariert wird, führe in Wirklichkeit in die endgültige Versklavung an die Maschine. Ein Interview.

Zeitpunkt: Was bedeutet es aus ökofeministischer Sicht, dass heute so viele junge Menschen mit ihrem Geburtsgeschlecht unzufrieden sind?

Claudia von Werlhof: Eines wird dabei doch überhaupt noch nicht verstanden: Es geht bei transgender darum, das Geschlecht in eine beliebige Kategorie zu verwandeln – in eine, die nicht von der Natur abhängt, sondern von einem subjektiven Urteil, dass man darüber fällen darf. Geschlecht und Geschlechtlichkeit wird damit der Beliebigkeit preisgegeben.

Die Moderne bzw. das Patriarchat bzw. der Transhumanismus betrachtet die wilde Natur als etwas, das in etwas Kontrollierbares verwandelt werden muss – so wie der Kapitalismus die Natur in Kapital, also in Geld, Ware und Maschinerie, verwandelt hat. Das soll jetzt auch mit der menschlichen Natur geschehen: Man nimmt den Menschen auseinander und setzt ihn neu zusammen – also Männer zu Frauen, Frauen zu Männern. Und das läuft nicht nur psychologisch, sondern auf vielen Ebenen, auch chirurgisch.

Wie kam es dazu?

In der Industrialisierung wurde das Verhältnis von Mensch und Maschine aufgebaut. Der Fabrikarbeiter sitzt an der Maschine, ist von ihr abhängig und sie von ihm. Dieses Prinzip wird nun weiterentwickelt: Die Menschen werden physisch und psychisch so verändert, dass sie selbst in Maschinerie verwandelt werden können. Damit landet man im Transhumanismus. Das Wort «trans» ist ja sehr bezeichnend. Die Transformation ist das Projekt, das die Neuzeit und Moderne begleitet: die Transformation der wilden Natur in eine beherrschte, oder gar Anti-Natur. Wird das Prinzip der Maschinerie auf die Menschen selbst angewendet, sitzen sie nicht nur vor der Maschine, sondern in der Maschine; beziehungsweise die Maschine sitzt in ihnen.

Was hat das mit Gender zu tun?

Erst seit relativ Kurzem wird das Geschlecht mit dem englischen Begriff Gender bezeichnet, und zwar aus den USA. Bis dahin hatten wir als Feministinnen die Geschlechterfrage anders diskutiert. Wir haben nicht infrage gestellt, dass es von Natur aus Geschlechter gibt, sondern wir hinterfragten den Einfluss der Gesellschaft aufs Geschlecht.

Neu ist also, dass sogar das physische Geschlecht selbst in Frage gestellt wird und als abschaffbar, als veränderbar, als konstruierbar und zusammensetzbar gilt. Damit ist es jenseits jeder Naturordnung angesiedelt. Und das wird den Leuten als Befreiung oder als ihre Identitätsfindung verkauft. Sie sehen sich als Minderheiten, die sich selbst definieren und die ihre Rechte einklagen können.

Von mir aus kann jeder Mensch machen, was er will. Aber sie klagen ein, dass ihre Wahl eine politische Kategorie wird, dass sie dafür ganz bestimmte Dinge bekommen und alle anderen sich ihnen anpassen müssen. Inzwischen wird es verboten, von «Müttern», sogar von «Frauen» zu reden: die «gebärende Person» – nicht mehr eine «Frau» –, so heisst es z.B. jetzt in den Hebammenordnungen!

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Der Text stammt aus dem neuen Zeitpunkt: Genderismus - Biologie vs. Ideologie. Hier können Sie ihn bestellen.

Aber woher kommt dieses massive Unwohlsein vor allem junger Menschen mit dem eigenen Geschlecht?

Scheinbar wissen die Menschen oder die Eltern nicht mehr, dass die Verwandlungsphasen, die mit der Geschlechtsreife einhergehen, eine unglaubliche Herausforderung im Leben darstellen. Dazu gehört auch das Spiel: Bin ich Junge, bin ich Mädchen? Da gibt es ja auch fliessende Übergänge, gerade geistig und psychisch. Doch heute gilt die Pauschalisierung: Frau ist so und so, Mann ist so und so, und da gibt es angeblich überhaupt keine Überschneidungen. Und dann meint man, eingreifen zu müssen.

In patriarchalen Gesellschaften, wo Frauen aufgrund ihres Frauseins diffamiert und schlecht behandelt werden, ist es verständlich, dass sie lieber Männer sein wollen – und nun wird ihnen gesagt, dass sie es auch werden können. Ich weiss nicht, wie die Ärzte es mit ihrem Ethos vereinbaren, dass sie einer Heranwachsenden Pubertätsblocker verpassen, die die Geschlechtsreife verhindern. Das ist kriminell. Aber nicht sie werden bestraft, sondern die, die es kritisieren.

Es heisst heute oft, es gäbe nicht nur das biologische Geschlecht, sondern auch ein inneres Geschlecht. Kannst du damit was anfangen?

Männer können doch weibliche Qualitäten haben und Frauen männliche, ohne dass das Geschlecht sich ändert. Der Mensch hat nun mal ein breites Spektrum von Möglichkeiten. Aber der männliche und der weibliche Leib sind verschieden voneinander. Daher sind auch innere Qualitäten verschieden. Bei einer Schwangerschaft und Geburt passieren gerade auch viele innere Veränderungen, die Männer niemals erfahren werden, weil sie keine Kinder kriegen können.

Doch Transfrauen sollen irgendwann auch Kinder bekommen können, etwa mit einem künstlichen Uterus. Eine ganze Industrie steht dahinter, der pharma-medizinische Komplex. Aber es geht nicht nur um das Geschäft. Die Szene der Transgender-Aktivisten scheint nicht wahrzunehmen, dass sie eingespannt wird für die Realisierung eines historischen Projekts, das ich Patriarchat nenne: Die Natur und die Mütter sollen verschwinden und den Vätern Platz machen.

Die Väter sollen in dieser Ideologie die Schöpfer sein, und nicht mehr die Mütter oder Mutter Natur. Man will die Menschheit für eine technisch machbare, industriell herstellbare, also mechanisierte Welt umbilden. In der Transgender-Szene denkt jeder, es diene dem Fortschritt, an diesem Projekt teilzunehmen. In Wahrheit geht es um die Abschaffung des Menschen! Also nicht nur der Geschlechtlichkeit, sondern auch des Menschen als freiem und mit einer Würde und Rechten ausgestattetem Wesen. Die Ersetzung des Menschen durch Maschinerie, der Transhumanismus bzw. am Ende Posthumanismus ist das eigentliche Projekt: Wenn Menschen zu Maschinen werden, gelten sie nur noch als Dinge bzw. Patente und haben auch keine Rechte mehr!

Viele junge Leuten sagen: «Es geht doch um unsere Freiheit».

Nein, die verlieren sie ja dabei. Die Befreiung von der Natur ist niemals Freiheit. Die Leute fallen auf die Propaganda herein. Kann das wirklich Freiheit sein? Wer sein Geschlecht konsequent ändern will, muss ja unglaubliche Operationen machen und Medikamente zu sich nehmen. Viele werden damit jedoch unglücklich, bringen sich sogar um. Man muss ihnen rechtzeitig sagen, wobei sie da in Wirklichkeit mitspielen!

Der Leib mitsamt Geist und Seele ist ein Wunderwerk – man sollte ihn pflegen und hüten! Mein Leib sagt mir dauernd, was richtig ist, was falsch ist, denn er ist weise. Die jungen Leute, die denken, sie wären frei, wenn sie ihren Körper kaputt machen, zeigen, dass sie das Verständnis des eigenen Leibes verloren haben. Man sah es auch schon in der Corona-Zeit, wo die Leute sich mit einer völlig unklaren Substanz haben impfen lassen: Die Massen sind tatsächlich auf dem Weg, sich in dieses totalitäre Projekt einzugliedern.

Welcher Weg führt da raus?

Wenn sie kapieren, dass es eine entsetzliche Qual ist, dem Körper gegen seinen Willen solch eine Veränderung aufzuzwingen, wachen die Leute vielleicht auf. Der Körper hat ja auch eine Erinnerung, die weit über unsere Existenz hinausgeht. In der Körpermaschine aber sind die Organe nur Ersatzteile. Da wird völlig ignoriert, dass es Seele und Geist gibt. Alles ist angeblich berechenbar, quantifizierbar. Es gibt keine Qualitäten mehr, sondern nur noch Quantität. Keine Moral, sondern Sachzwänge, denen man folgen muss, sonst funktioniert die Maschine nicht. Das Ideal des Patriarchats ist wie gesagt die Abschaffung der Mütter – und damit des Menschen selbst.

Die Angst von Männern vor der Abhängigkeit von Frauen ist wohl tatsächlich ein starkes Motiv für das Patriarchat.

Die Männer in Matriarchaten haben dieses Problem nicht. Sie wissen: Die Frauen kriegen die Kinder. Sie können das, wir Männer nicht. Wir können dafür was anderes. Punkt. Das Problem des Gebärneids haben Männer nur im Patriarchat, wo ihnen fälschlicherweise eingeredet wird: Ihr seid die Schöpfer. Den jungen Leuten sollte man abraten, diesen Wahnsinn mitzumachen. Sie sollen ihr Selbstbewusstsein bei sich selbst suchen und nicht in der medizinischen Technik.

Claudia von Werlhof ihatte den ersten Lehrstuhl für Frauenforschung in Österreich inne, an der Uni Innsbruck. Sie ist eine der wichtigsten Theoretikerinnen des Ökofeminismus. Ihr neues Buch «Väter des Nichts. Zum Wahn einer Neuschöpfung der Welt.» erscheint im Winter beim Zeitgeist-Verlag.

30. Dezember 2024
von:

Über

Christa Leila Dregger

Submitted by cld on Sa, 09/17/2022 - 12:37

Christa Dregger-Barthels (auch unter dem Namen Leila Dregger bekannt). Redaktionsmitglied des Zeitpunkt, Buchautorin, Journalistin und Aktivistin. Sie lebte fast 40 Jahren in Gemeinschaften, davon 18 Jahre in Tamera/Portugal - inzwischen wieder in Deutschland. Ihre Themengebiete sind Frieden, Gemeinschaft, Mann/Frau, Geist, Ökologie.

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Terra Nova Plattform: www.terra-nova.earth

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Darin bin ich im Gespräch mit Denkern, Philosophinnen, kreativen Geistern, Kulturschaffenden. Meine wichtigsten Fragen sind: Sind Menschheit und Erde noch heilbar? Welche Gedanken und Erfahrungen helfen dabei? 

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