Was die Dialektik des Sandwich über eine offene Gesellschaft aussagt

Die Gesprächsbereitschaft ist die Voraussetzung für den Zusammenhalt und die Weiterentwicklung eines Gemeinwesens.

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Was isch es Sändwitsch ohne Fleisch – s isch nüt als Brot
Was isch es Sändwitsch ohne Brot – s isch nüt als Fleisch.

In seinem Lied «Betrachtige über nes Sandwich» klärt uns Mani Matter humorvoll über die «Dialektik» dieses alltäglichen Verpflegungsmittels auf: Erst die gute Mischung (und die richtige Abfolge) von Brot und Fleisch (es kann natürlich auch eine vegetarische Füllung sein…) machen das Sandwich aus – und garantieren damit den vollen Essgenuss.

Dialektik steckt indessen nicht nur in einem Sandwich: Aus dem Griechischen übersetzt bedeutet Dialektik wörtlich «Kunst der Gesprächsführung». Das von Mani Matter besungene Sandwich kann deshalb auch als Symbol verstanden werden für eine offene Gesellschaftsform, in welcher verschiedenartige Standpunkte und Interessen nebeneinander Platz finden und Anlass geben zu einem konstruktiv-bekömmlichen Dialog.

Die gegenseitige Gesprächsbereitschaft bildet letztlich dann die Grundvoraussetzung für den inneren Zusammenhalt und die gewaltlose Weiterentwicklung eines solchen (als Sandwich verstandenen) Gemeinwesens.

Wie viel Dialektik im Sandwich «Schweiz» steckt, haben die letzten zwei Corona-Jahre eindrücklich gezeigt. Insgesamt kann heute rückblickend festgestellt werden, dass das bewährte «Schweizer Sandwich-Rezept» zwar erhalten blieb. Unter Bezugnahme auf die Präambel der schweizerischen Bundesverfassung haben die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes ihren Willen zum Ausdruck gebracht, «in gegenseitiger Rücksichtnahme und Achtung ihre Vielfalt in der Einheit zu leben».

Insbesondere wurde hierzulande – entgegen den Empfehlungen gewisser Organisationen und Experten – die dialektische Komposition des Sandwiches einem (global verabreichten) unappetitlichen «Einheitsbrei» vorgezogen.

Im Hinblick auf die nächsten Monate gilt es jedoch, sich hier und anderswo der Vorzüge eines dialektisch-aufgebauten Staatswesens und einer entsprechenden politischen Kultur noch stärker bewusst zu werden. Eine wichtige Einsicht könnte namentlich darin bestehen, dass die von verschiedenen Seiten beanspruchte «Wahrheit» – vergleichbar mit der Füllung des Sandwiches – meistens in der Mitte liegt.
Oder mit den Worten von Mani Matter:

Du gsesch: Du issisch, du Barbar
Und füllsch dy Buuch und wirsch nid gwahr
Was im ne Sändwitsch uf dym Tisch
Für Dialäktik drinnen isch.

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Simon Häusermann ist Vorstandsmitglied des «Forums Ouverture» – für eine offene Gesellschaft.
Das Forum führt am 18. Juni 2022 den Anlass «Demokratie-Palaver» rund um das Thema «Polarisierung» durch.
14.00 bis 16.30 Uhr, Kurs- und Seminarzentrum Sälihof, Riggenbachstrasse 8, Olten.
Unkostenbeitrag für Nicht-Mitglieder: Fr. 10.–. Anmeldung bis 13. Juni per Mail an [email protected].