Zufall oder Absicht?
Die «Migrationswaffe» ist leider keine Erfindung von Verschwörungstheoretikern. Ob die Flüchtlingswelle dieses Jahres darunter fällt, ist schwer zu sagen. Aber es gibt ein paar interessante Indizien.
Dass die Verbreitung von Chaos zum strategischen Instrumentarium der USA gehört, will man einfach nicht glauben – aber sie ist Tatsache. Der französische Investigativjournalist Thierry Meyssan, Gründer des Réseau Voltaire, beschreibt das Prinzip der Chaos-Doktrin wie folgt: «Der einfachste Weg zur Plünderung der natürlichen Ressourcen eines Landes über einen langen Zeitraum, ist nicht, es zu besetzen, sondern den Staat zu zerstören. Ohne Staat, keine Armee. Ohne feindliche Armee, kein Risiko für eine Niederlage.»1 Die Doktrin geht auf den Neokonservativen Paul Wolfowitz zurück, der anfangs der 90er Jahre im Auftrag von Bush sen. eine Strategie für die Zeit nach dem Kalten Krieg ausarbeitete und später stv. Verteidigungsminister und Präsident der Weltbank wurde. Das Pentagon hat dazu verschiedene Papiere veröffentlicht. Meyssan hält es für einen grossen Fehler, dass die Doktrin von keiner Militärakademie in Europa ernsthaft studiert werde. In der Tat wird die Liste der failed states ständig länger: Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien; die Ukraine ist auf dem besten Weg dazu. In allen diesen Fällen haben europäische Staaten sogar noch mitgeholfen, Flüchtlingsströme zu generieren.
Der Begriff «Migrationswaffe» wurde meines Wissens 2010 mit dem Buch «Weapons of Mass Migration»2 der US-amerikanischen Politologin Kelly M. Greenhill, Professorin an der Tufts University in die Diskussion gebracht. Darin beschreibt sie 64 Fälle, in denen Herkunftsländer mit der Förderung der Flucht politische Ziele zu erreichen versuchten und diese in 71 Prozent der Fälle mindestens teilweise erreichten. Die Waffe funktioniert gemäss Greenhill, weil grosse Flüchtlingsströme die Zielländer vor erhebliche ökonomische Probleme stellen und meist zu einer Spaltung der Gesellschaft in Befürwortende und Ablehnende führen.
Dass die «Waffe» beschrieben wird, heisst natürlich nicht, dass sie in diesem Jahr auch angewendet wurde. Aber dass die USA an Schwierigkeiten in Europa durchaus ein Interesse haben, ist aktenkundig. So erklärte 2008 die damalige Präsidentin des Wirtschaftsrates des Weissen Hauses, Christina Rohmer, man müsse Probleme in Europa schaffen, damit das Kapital in die USA zurückfliesse. Und im Februar dieses Jahres sagte George Friedman, Direktor des Strategie-Thinktanks «Stratfor», ganz freimütig zur Ukraine-Krise, es sei das Ziel der USA, einen Konflikt zwischen Deutschland und Russland herzustellen.
Absichten zum Einsatz der Migrationswaffe könnten also durchaus bestehen. Aber wurde sie auch eingesetzt? Da bleiben die Hinweise vage. Immerhin: Global Research, ein kanadischer Thinktank unter der Leitung von Michel Chossudovsky, Wirtschaftsprofessor an der Universität Ottawa, veröffentlichte unter dem Titel «Wer twittert die Flüchtlinge nach Deutschland?» eine aufschlussreiche Auswertung der Twitter-Botschaften mit dem Hashtag #RefugeesWelcome. 76,8 Prozent der Tweets warben für Deutschland, 12,4 für Österreich, das flüchtlingsfreundliche Schweden wurde nur in 0,3 Prozent der Tweets genannt. Doch die Tweets stammten nur zu 6,4 Prozent aus Deutschland, sondern zu mehr als der Hälfte aus den USA, Grossbritannien und Australien. Irgendwer scheint sich da einen koordinierten Spass daraus gemacht zu haben, versteckte Einladungen zu verschicken, ohne die Gastgeber zu fragen. Die Botschaften sind nicht ohne Wirkung: Als über die sozialen Medien die Ankunft eines deutschen Passagierschiffes in Libanon zur Aufnahme von Flüchtlingen gemeldet wurde, zogen Tausende zum Hafen von Beirut. Wer kann ein Interesse an solchen Falschmeldungen haben? Sicher kein Freund der Willkommenskultur.
Das Schlusswort zu dieser unerfreulichen und undurchsichtigen Geschichte wollen wir dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban überlassen, der mit seinen wirkungslosen Zäunen im übrigen nur den Schengen-Vertrag erfüllte: «Es wäre vielleicht klug, nicht ständig Staaten zu zerstören.»
1 Die Blindheit der Europäischen Union gegenüber der Militärstrategie der USA. 27.4.2015.www.voltairenet.org/article187423.html
2 Kelly M. Greenhill: Weapons of Mass Migration: Forced Displacement, Coercion and Foreign Policy. Cornell University Press, 2010.
3 www.globalresearch.ca/who-is-twitter-luring-refugees-to-germany/5477477
Mehr zum Thema Flucht im Zeitpunkt 140 "Flucht"
Der Begriff «Migrationswaffe» wurde meines Wissens 2010 mit dem Buch «Weapons of Mass Migration»2 der US-amerikanischen Politologin Kelly M. Greenhill, Professorin an der Tufts University in die Diskussion gebracht. Darin beschreibt sie 64 Fälle, in denen Herkunftsländer mit der Förderung der Flucht politische Ziele zu erreichen versuchten und diese in 71 Prozent der Fälle mindestens teilweise erreichten. Die Waffe funktioniert gemäss Greenhill, weil grosse Flüchtlingsströme die Zielländer vor erhebliche ökonomische Probleme stellen und meist zu einer Spaltung der Gesellschaft in Befürwortende und Ablehnende führen.
Dass die «Waffe» beschrieben wird, heisst natürlich nicht, dass sie in diesem Jahr auch angewendet wurde. Aber dass die USA an Schwierigkeiten in Europa durchaus ein Interesse haben, ist aktenkundig. So erklärte 2008 die damalige Präsidentin des Wirtschaftsrates des Weissen Hauses, Christina Rohmer, man müsse Probleme in Europa schaffen, damit das Kapital in die USA zurückfliesse. Und im Februar dieses Jahres sagte George Friedman, Direktor des Strategie-Thinktanks «Stratfor», ganz freimütig zur Ukraine-Krise, es sei das Ziel der USA, einen Konflikt zwischen Deutschland und Russland herzustellen.
Absichten zum Einsatz der Migrationswaffe könnten also durchaus bestehen. Aber wurde sie auch eingesetzt? Da bleiben die Hinweise vage. Immerhin: Global Research, ein kanadischer Thinktank unter der Leitung von Michel Chossudovsky, Wirtschaftsprofessor an der Universität Ottawa, veröffentlichte unter dem Titel «Wer twittert die Flüchtlinge nach Deutschland?» eine aufschlussreiche Auswertung der Twitter-Botschaften mit dem Hashtag #RefugeesWelcome. 76,8 Prozent der Tweets warben für Deutschland, 12,4 für Österreich, das flüchtlingsfreundliche Schweden wurde nur in 0,3 Prozent der Tweets genannt. Doch die Tweets stammten nur zu 6,4 Prozent aus Deutschland, sondern zu mehr als der Hälfte aus den USA, Grossbritannien und Australien. Irgendwer scheint sich da einen koordinierten Spass daraus gemacht zu haben, versteckte Einladungen zu verschicken, ohne die Gastgeber zu fragen. Die Botschaften sind nicht ohne Wirkung: Als über die sozialen Medien die Ankunft eines deutschen Passagierschiffes in Libanon zur Aufnahme von Flüchtlingen gemeldet wurde, zogen Tausende zum Hafen von Beirut. Wer kann ein Interesse an solchen Falschmeldungen haben? Sicher kein Freund der Willkommenskultur.
Das Schlusswort zu dieser unerfreulichen und undurchsichtigen Geschichte wollen wir dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban überlassen, der mit seinen wirkungslosen Zäunen im übrigen nur den Schengen-Vertrag erfüllte: «Es wäre vielleicht klug, nicht ständig Staaten zu zerstören.»
1 Die Blindheit der Europäischen Union gegenüber der Militärstrategie der USA. 27.4.2015.www.voltairenet.org/article187423.html
2 Kelly M. Greenhill: Weapons of Mass Migration: Forced Displacement, Coercion and Foreign Policy. Cornell University Press, 2010.
3 www.globalresearch.ca/who-is-twitter-luring-refugees-to-germany/5477477
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26. Oktober 2015
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Christoph Pfluger
Christoph Pfluger ist seit 1992 der Herausgeber des Zeitpunkt. "Als Herausgeber einer Zeitschrift, deren Abobeitrag von den Leserinnen und Lesern frei bestimmt wird, erfahre ich täglich die Kraft der Selbstbestimmung. Und als Journalist, der visionären Projekten und mutigen Menschen nachspürt weiss ich: Es gibt viel mehr positive Kräfte im Land als uns die Massenmedien glauben lassen".
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