500 Milliarden neues Spielgeld

Wer kann das verstehen? Während Italien für fünfjährige Staatsanleihen im Umfang von drei Milliarden Euro 6,5 Prozent Zins bezahlen muss, stellt die Europäische Zentralbank den Banken – viele davon ebenfalls in Schieflage – 500 Milliarden für drei Jahre zu einem Prozent zur Verfügung?

Die Überlegung ist folgende: Die italienischen Staatspapiere werden von den «Märkten» gekauft, d.h. den Anlegern, die das Risiko tendenziell selber tragen müssen, falls Italien nicht gerettet werden könnte. Italien ist dabei nur ein Beispiel unter vielen.
Das Geld dagegen, das die EZB den Banken zur Verfügung stellt, ist nominell mit einem geringeren Risiko behaftet, indem die Banken es nur an Kreditnehmer verleihen, die es auch zurückzahlen können. Das ist die Theorie.

In der Praxis sind natürlich auch die Banken hoch gefährdet. Sie sitzen auf den Papieren von zahlungsunfähigen Staaten und können nur weiterleben, wenn diese Staaten gerettet werden oder wenn genügend billiges Geld geschaffen wird, die maroden Papiere zu kaufen. Es ist denn auch die Erwartung von EZB-Präsident Mario Draghi, dass die Banken mit dem Geld vor allem Staatstitel kaufen und so  gleichzeitig den Wert der maroden Papier stützen, die sie bereits halten. Ein Konkurs oder eine Umschuldung dieser Staaten würde dagegen den Abschreibungsbedarf der Banken über die Schmerzgrenze hinaus treiben und könnte eine Kettenreaktion auslösen.

Das Geld, das die EZB den Banken leiht, ist neues Geld. Es musste nicht zuvor im Schweiss von irgendwelchen Angesichtern erarbeitet werden, sondern entspringt der unversiegbaren Schöpfungskraft der EZB. Aber: Man kann mit diesem Luftgeld alles kaufen, wofür Menschen hart gearbeitet haben.

Das ist übrigens ein Bombengeschäft, wie ein Vergleich der Zinssätze für die Anleihen von Staaten in Schwierigkeiten (6,5 Prozent im Fall Italiens) mit dem Zins der EZB-Gelder (1 Prozent) zeigt. Mit den 500 Milliarden können die Banken und ihre Eigner so 27,5 Milliarden Euro jährlich verdienen, indem sie ihren Finger einmal krümmen und eine Unterschrift unter einen Vertrag setzen.
Mit diesem Vorgehen entfernen sich die Banken einen weiteren grossen Schritt von ihrem ursprünglichen Zweck, der Vermittlung zwischen Sparern und Kreditnehmern. Bald sind sie nur noch Pumpen, die Luftgeld in die Blasen pumpen

Da dieses Geschäft keine Werte schöpft, ist der Profit der Einen mit einem Verlust der Anderen verbunden. Wer bezahlt? Zum einen die Steuerzahler, die die erhöhten Kapitalkosten über ihren Staatshaushalt finanzieren – mit hart erarbeitetem Steuergeld. Zum anderen die Besitzer von Geldvermögen (v.a. Altersguthaben), deren realer Wert sich durch die inflationäre Wirkung der erhöhten Geldmenge vermindert. In der Kurzform: Sie verdienen, wir bezahlen, Leistung null.

Wie lange wird dieser Aberwitz weitergehen? Es gibt drei Möglichkeiten, dieses Spiel zu Ende zu bringen:
1. Die Menschen erkennen den Irrsinn und zwingen die Politiker durch Druck
a) von der Strasse oder
b) an der Urne
einzuschreiten.
Wenig wahrscheinliche Variante: Die Politiker kommen von sich aus zur Einsicht.
2. Die Anleger verlieren definitiv den Glauben an die Wirksamkeit der Geldvermehrung, von der sie profitieren. Wann dieser Zirkelschluss aufbricht, ist schwer zu sagen.
3. Die Besitzer des Spielcasinos erfinden ein neues Spiel mit noch höheren Profiten.

Variante 1b ist die beste, 3 ist die wahrscheinlichste.
22. Dezember 2011
von:

Über

Christoph Pfluger

Submitted by admin on Do, 07/13/2017 - 08:33

Christoph Pfluger ist seit 1992 der Herausgeber des Zeitpunkt. "Als Herausgeber einer Zeitschrift, deren Abobeitrag von den Leserinnen und Lesern frei bestimmt wird, erfahre ich täglich die Kraft der Selbstbestimmung. Und als Journalist, der visionären Projekten und mutigen Menschen nachspürt weiss ich: Es gibt viel mehr positive Kräfte im Land als uns die Massenmedien glauben lassen".

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