BRICS „haben Verantwortung für die Zukunft der Welt übernommen“
Der BRICS-Gipfel vom 22.-24.10. war „der erfolgreichste seiner Geschichte“, sagte der südafrikanische Präsident Ramaphosa am Ende der dreitägigen Veranstaltung im russischen Kasan.
Er würdigte besonders die Bemühungen zur Stärkung der finanziellen und politischen Unabhängigkeit der Mitgliedsstaaten, die nun „den globalen Wandel vorantreiben“. Chinas Präsident Xi Jinping betonte:
„Wir BRICS-Länder haben uns für den allumfassenden Trend zu Frieden und Entwicklung zusammengeschlossen.“
Bei der Eröffnung des engeren Treffens der neun Mitgliedsländer(Brasilien, Rußland, Indien, China, Südafrika, Ägypten, Äthiopien, Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate) erklärte der russische Präsident Putin, die BRICS „haben Verantwortung für die Zukunft der Welt übernommen, nicht nur in Worten, sondern auch in Taten... Die BRICS-Staaten verfügen über ein wahrhaft gewaltiges Potential in Bezug auf politische Macht, Wirtschaft, Wissenschaft, Technologie sowie menschliche Entwicklung. Außerdem einen uns gemeinsame Werte und eine gemeinsame Weltsicht.“
Am nächsten Tag wurde bekanntgegeben, daß 13 Ländern ein neuer Status als „Partnerstaaten“ angeboten wird: Algerien, Belarus, Bolivien, Indonesien, Kasachstan, Kuba, Malaysia, Nigeria, Thailand, Türkei, Uganda, Usbekistan, Vietnam. Wenn nach Beratungen alle aufgenommen werden, vertreten die erweiterten BRICS 4,6 Milliarden Menschen, 57% der Weltbevölkerung. (Zum Vergleich: Die Bevölkerung der G7-Länder beträgt etwa 780 Millionen.) Aber wichtiger als solche Zahlen sind die Prinzipien, denen sie verpflichtet sind, allen voran das Recht auf Entwicklung für alle.
Die Vollmitglieder diskutierten viel über alternative Zahlungsmittel, und Putin erläuterte die bisher getroffenen Entscheidungen in einer Pressekonferenz zum Abschluß des Gipfels. Die Abwicklung von Transaktionen „ist in der Tat ein kritischer Punkt, weshalb wir unsere jeweiligen nationalen Währungen verwenden, was allgemein bekannt ist. Was die Zahlungssysteme betrifft, so verwenden wir das russische Finanznachrichtensystem, das von der russischen Zentralbank entwickelt wurde. Andere BRICS-Länder haben ebenfalls ihre eigenen Systeme, die … wir ebenfalls bereits verwenden und weiterhin verwenden werden.“
Bei den Treffen kamen zwei weitere russische Initiativen auf den Tisch. Die erste ist eine neue „Investitionsplattform“ der BRICS, um das Wirtschaftswachstum in den Mitgliedsländern zu fördern und „Länder des Globalen Südens und Ostens mit finanziellen Ressourcen auszustatten“. Sie soll Sicherheit und Schutz von Investitionen in Schwellenländern gewährleisten, nicht zuletzt Schutz vor Sanktionen und illegaler Beschlagnahme von Vermögenswerten im Ausland, wie es die USA und Europa praktizieren.
Der zweite Vorschlag ist eine BRICS-Getreidebörse, um „die nationalen Märkte vor nachteiligen äußeren Eingriffen, Spekulationen und Versuchen, künstliche Nahrungsmittelknappheit zu erzeugen, zu schützen“.
Während der offiziellen Sitzungen sowie in zahlreichen bilateralen Treffen am Rande wurde über konkrete Entwicklungsprojekte berichtet, die in den verschiedenen Ländern durchgeführt oder vorgeschlagen werden. Vielen Berichten zufolge waren einige westliche Regierungen und „Beobachter“ vom Erfolg des diesjährigen BRICS-Treffens überrascht und sehr beunruhigt, weil sie zugeben mußten, daß ihre Strategie, Rußland zu isolieren und Angst vor China zu schüren, nicht aufgegangen ist, ganz im Gegenteil.
Lula an BRICS: Die Zeit für Veränderungen im Finanzsystem ist jetzt!
Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva meldete sich auf dem BRICS-Gipfel eindringlich zu Wort, auch wenn er aus gesundheitlichen Gründen nicht persönlich nach Kasan reisen konnte. In einer Videokonferenz mit der erweiterten Plenarsitzung am 23.10. erklärte er unverblümt, das Bretton-Woods-System, d.h. vor allem IWF und Weltbank, habe die Entwicklungsländer im Stich gelassen.
Man müsse nun unverzüglich handeln, und die BRICS müßten sicherstellen, daß das internationale Finanzsystem der neuen, anti-hegemonialen Welt dient, die um sie herum entsteht.
Lula wies darauf hin, daß die weltweiten Finanzströme entgegen der landläufigen Meinung „immer noch in die reichen Länder fließen. Es ist ein Marshallplan in umgekehrter Richtung, bei dem die Schwellen-und Entwicklungsländer die Industrieländer finanzieren. Die Initiativen und Institutionen der BRICS brechen mit dieser Logik.“
So soll die Neue Entwicklungsbank (NDB) „dort erfolgreich sein, wo die Bretton-Woods-Institutionen weiterhin scheitern. Anstatt Programme anzubieten, die an Bedingungen geknüpft sind, finanziert die NDB Projekte, die auf nationale Prioritäten ausgerichtet sind. Anstatt die Ungleichheiten zu vertiefen, basiert ihre Führung auf gleichen Stimmrechten.“ Wie andere Vertreter der neun BRICS-Staaten forderte Lula “alternative Zahlungsmittel für Transaktionen zwischen unseren Ländern“, ohne die eigenen Währungen zu ersetzen.
Gleichzeitig müsse die Welt die „technologische Apartheid“ gegenüber dem Globalen Süden überwinden und sich für den Frieden einsetzen. „Viele bestehen darauf, die Welt in Freunde und Feinde zu unterteilen. Aber dieSchwächsten sind nicht interessiert an simplen Dichotomien. Was sie wollen, sind reichlich Nahrung, menschenwürdige Arbeit und hochwertige öffentliche Schulen und Krankenhäuser mit universellem Zugang. Sie wollen eine gesunde Umwelt..., ein Leben in Frieden, ohne Waffen, die unschuldige Menschen töten.“
Hier wies er auf Gaza hin, das zum „weltgrößten Friedhof für Frauen und Kinder“ geworden sei, während die Zerstörung auch auf das Westjordanland und den Libanon übergreife. „In einer Zeit, in der wir mit zwei Kriegen konfrontiert sind, die das Potential haben, global zu werden, ist es von entscheidender Bedeutung, unsere Fähigkeit wiederzuerlangen, für gemeinsame Ziele zusammenzuarbeiten.“
Lula legt damit dar, welchen Kurs Brasilien einschlagen will, wenn es 2025 die rotierende BRICS-Präsidentschaft von Rußland übernimmt. Brasilien wird dann nicht mehr das einzige lateinamerikanische Land in der Gruppe sein, da Bolivien und Kuba in Kasan als Partnerstaaten eingeladen wurden.
Der Text stammt mit Zustimmung des Verlags aus dem (kostenpflichtigen) Newsletter des Schiller-Instituts.
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