Den Weltfrieden gefährdet allein der Hegemon

Es ist der Glaube an Amerikas Einzigartigkeit, der die US-Regierungen von Friedensverhandlungen und Kompromissen abhält. Für sie gilt allein die militärische Stärke.

US-Militärstützpunkte rund um den Globus (Foto: FreePik)

In einem Artikel vom Juni hatte ich die These vertreten, dass die USA das einzig verbliebene Imperium sei, das voller Verbissenheit die Kontrolle über den gesamten Planeten und seine Menschheit anstrebt. Vielen scheint dieser Gedanke noch immer fremd, ja absurd zu sein, auch wenn die letzten Jahrzehnte der US-Politik überhaupt nicht für eine friedliche Partnerschaft sprechen.

Als exemplarisches Beispiel mag die Sprengung der Nord Stream-Pipeline und das merkwürdig laute Schweigen der Bundesregierung stehen. Seit 1991, dem Ende des Kalten Krieges, hat sich das Karussell der US-Kriege beschleunigt. Nach Afghanistan und dem Nahen und Mittleren Osten hat sich ein neuer Krieg gegen Russland entwickelt. Hinzugekommen sind seither die Kriege in Gaza und am Roten Meer. Und die USA bereiten sich ganz offen auf einen Waffengang gegen China vor. Zusammen mit den Wirtschaftskriegen hat das in seiner Dichte und Unerbittlichkeit die Ausmasse eines dritten Weltkriegs angenommen. Es ist die endgültige Auseinandersetzung, der final Showdown, des US-Imperiums mit dem Antiimperialismus der freien und blockfreien Länder oder ehemaligen Kolonien.

Der scheinbar gelöste Widerspruch zwischen Kommunismus und Kapitalismus hat sich zu einem viel umfassenderen Konflikt auf höherer Stufenleiter weiterentwickelt. Bestand der Kalte Krieg aus der Gegnerschaft von NATO und Warschauer Pakt, der trotz nuklearer Bedrohungen einem Teil der Völker und Nationen eine, wie auch immer geartete, Neutralität gestattete, verhält sich das heute anders. Der Anspruch des US-Imperiums ist inzwischen global. Jedes Land, das sich einer Dominanz oder Machtübernahme durch die USA widersetzt, wird als Gegner angesehen. Kein anderes Land kann und darf politisch und wirtschaftlich unabhängig sein, sonst wird es bekämpft. Davon zeugen der Beitritt der ehemals blockfreien Länder Finnland und Schweden in die NATO. Dieser wird uns als freiwillig verkauft, aber der permanente Druck auf Österreich und die Schweiz, ihren neutralen Status aufzugeben, zeigt deutlich, wie freiwillig so etwas läuft. Das treibt die grosse Mehrheit der Staaten inzwischen aber nicht mehr in die Nato, sondern zum gemeinsamen Widerstand in neu gegründete Bündnisse und Organisationen, wie BRICS, SCO oder die Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft.

Betrachten wir die ideologischen Begründungen der USA. Bekannt ist selbst in Europa, dass die amerikanische Nation ein sehr christliches Land ist und sich als «Gods own Country» ansieht. Damit ist nicht einfach der Gedanke gemeint, die USA seien ein von Gott gesegnetes Land, wo die Frommen, Freien und Fleissigen in Frieden leben könnten. Das Nation-Werden der USA war zugleich ein Kreuzzug der Frommen, der sich von der Ausrottung der Indigenen bis zur heutigen Dominanz wie ein roter Faden durch die amerikanische Geschichte zieht. Demokratische Gesinnung und Prinzipien galten allenfalls im Inneren der neu entstandenen Republik. Die Grenzen setzte der Rassismus der europäischen Einwanderer. Für die, die man sich unterwerfen wollte, galten die Freiheitsrechte nie. Eine phänomenale Propaganda-Industrie hat das von Anbeginn als gerecht, gut und gottgewollt umgedeutet. Sie hat gemäss ihrer Interessenlage die Etiketten von Gut und Böse verteilt. Amerikanische Regierungen waren immer die obersten Propagandisten ihres Landes.

Einer der wortgewaltigsten Präsidenten unserer Zeit, der die heutige, modernisierte Ideologie des US-Imperiums formulierte und offensiv in die Welt trug, war Barack Obama. Er war zugleich auch einer der kriegerischsten. Das hat man in Deutschland nicht mitgekriegt, hier lobhudeln die Systemmedien ihn als charismatisch und liberal.

Warum kommen wir gerade jetzt auf ihn? Er kann als ehemaliger Präsident für dieses Amt nicht mehr kandidieren, aber nach dem Desaster Joe Bidens in der TV-Debatte mit Donald Trump ist der Name Obama wieder hoch im Kurs. Und zwar in Person seiner Frau Michelle Obama. Sie wird als mögliche Präsidentschaftskandidatin der Demokratischen Partei gehandelt, was Anlass genug ist, die ideologischen Positionen dieser Top-Demokraten genauer anzuschauen. In einer Rede vor Offizieren und Absolventen der Militärakademie Westpoint hatte ihr Mann, der damalige Präsident Barack Obama, am 28. Mai 2014 Folgendes gesagt:

Die Vereinigten Staaten sind und bleiben die eine unverzichtbare Nation.* Das gilt für das vergangene Jahrhundert und wird auch für das kommende Jahrhundert gelten. … Russlands Aggression gegenüber den ehemaligen Sowjetstaaten beunruhigt die Hauptstädte in Europa, während Chinas wirtschaftlicher Aufstieg und seine militärische Reichweite seine Nachbarn beunruhigen. Von Brasilien bis Indien konkurrieren aufstrebende Mittelschichten mit uns, und die Regierungen streben nach mehr Mitsprache in globalen Foren. … Es wird die Aufgabe Ihrer Generation sein, auf diese neue Welt zu reagieren.

Obama erklärte seinen Militärs, dass der «wirtschaftliche Wettbewerb gegen die BRICS-Staaten eine Schlüsselfrage für Amerikas Militär» sei. Nicht einfach eine Aufgabe für Amerikas Privatunternehmen auf den Weltmärkten. Es gelte, den «Willen der Aktionäre von Amerikas Unternehmen im Ausland durchzusetzen und ihren Reichtum zu vergrössern». Die Länder, gegen die Amerika im wirtschaftlichen Wettbewerb steht, seien «entbehrlich», aber Amerika sei und bleibe «die einzige unverzichtbare Nation.» Dies ermächtige Amerika, mit Waffen und Truppen gegen Länder zu kämpfen, deren «Regierungen ein grösseres Mitspracherecht in globalen Foren anstreben.» Die wachsenden Volkswirtschaften müssten daran gehindert werden, schneller zu wachsen als die Amerikas. Das, was Barack Obama damals formulierte, hat seine Gültigkeit nicht verloren. Im Gegenteil. Es wird auch das Programm einer möglichen Präsidentin Michelle Obama sein.

Die Formulierung des Weltmachtanspruchs und ihre Begründungen sind zwar schon alt, aber sie wurden immer wieder aktualisiert. Namen wie Henry Kissinger oder Zbigniew Brschinski spielten dabei eine Rolle. In unseren Tagen ist einer der Apologeten dieser Neokonservatismus genannten Ideologie Robert Kagan, der Ehemann von Victoria («Fuck the EU») Nuland. Sie war bis vor Kurzem noch Mitglied der Regierung Biden.

Als führender Neokonservativer schreibt Kagan unter anderem in der neokonservativen Zeitschrift der Demokratischen Partei, The New Republic, dass Amerika, gerade weil es die einzige unverzichtbare Nation der Welt sei, sein Imperium weiter ausbauen müsse (natürlich benutzte er nicht das Wort «Imperium»).

Es war die Blaupause für die kriegerische Politik nicht nur Obamas, sondern auch von dessen Nachfolgern Trump und Biden. Und so sollen die Anforderungen an die potenziellen Amtsnachfolger – ob Trump, Michelle Obama oder sonst wer – auch bleiben.

Der Neocon-Ideologe Kagan bestreitet Amerikas Niedergang und nennt dies einen Mythos seiner Gegner. Amerika könne nicht verlieren. Er spricht damit aus, was die Regierenden wie die Herrschenden sich partout nicht vorstellen wollen: dass sie sowohl in der Ukraine wie auch in Gaza gerade einer militärischen Niederlage entgegen gehen. Deshalb wollen sie in der Ukraine bis zum letzten Mann – Ukrainer oder EU-Soldat – weiter kämpfen und nicht nachgeben. Deswegen betrachten sie eine militärische Auseinandersetzung mit China mit einer gewissen Siegeszuversicht.

Deswegen sehen sie in einer atomaren Auseinandersetzung, ob mit Russland oder China, keine Ende der menschlichen Zivilisation. Und deswegen glauben sie auch, dass Amerika die wirtschaftliche Übermacht gegenüber dem Rest der Welt verteidigen wird. Das alles klingt irre und ist es auch, aber es ist der Glaube an Amerikas Einmaligkeit und daran, dass diese gottgegeben sei. Und das ist, wie jeder religiöse Fanatismus, brandgefährlich.


Quellen und Verweise:

* Barack Obama im englischen Original: The United States is and remains the one indispensable nation. That has been true fort the century passed and will be true for the century to come.»

Dialogue works, Russia and China CRUSH NATO’s Plan as Ukraine FALLS Apart, Interview mit Prof. Michael Hudson

Website von Michael Hudson