Der Krieg um die seltenen Metalle

Die Digitalisierung bringt auch neue Konflikte um Ressourcen. Die könnten noch heftiger sein als die Erdölkriege und zudem die Energiewende gefährden, schreibt der französische Journalist Guillaume Pitron.

Faktisch ein Monopol: Der Anteil Chinas an der Produktion seltener Erden ist über 90 Prozent. (Produktionsmengen in Tonnen, Grafik: Elsevier)

Digitale Revolution, Energiewende, ökologischer Wandel und andere Schlagworte erzählen uns von einer neuen Welt, die endlich von fossilen Materialien, Umweltverschmutzung, Knappheit, politischen und militärischen Spannungen befreit sein wird. Zumindest sehen das Journalisten, Politiker, Forscher und Prognostiker so. Das Buch «La guerre des métaux rares» des französischen Journalisten Guillaume Pitron, das Ergebnis einer sechsjährigen Untersuchung, zeigt uns, dass es wahrscheinlich ganz anders ist.

Indem wir uns von fossilen Brennstoffen emanzipieren, versinken wir in eine neue Abhängigkeit von den seltenen Metallen. Sie sind unentbehrlich für die Entwicklung der neuen ökologischen Gesellschaft (mit ihren Windkraftanlagen, Sonnenkollektoren, usw.) und in unseren Smartphones, Computern, Tab­lets und anderen vernetzten digitalen Geräten unseres täglichen Lebens eingebettet. Die ökologischen, wirtschaftlichen und geopolitischen Kosten dieser Abhängigkeit werden noch höher sein als die unserer heutigen Industriegesellschaft, sagt Pitron.
Seltene Erden, Graphit, Chrom, Germanium, Platinoide, Platin, Wolfram, Antimon, Beryllium, Fluor, Rhenium, Prometheum ... Sechs Jahre lang untersuchte Guillaume Pitron in einem Dutzend Ländern all diese neuen seltenen Materialien, die allmählich fossile Brennstoffe ersetzen sollen.

Aber woher und wie bekommen wir diese Ressourcen? Wird es Gewinner und Verlierer auf dem neuen Schachbrett der seltenen Metalle geben? Welchen Preis müssen unsere Volkswirtschaften, die Menschen und die Umwelt bezahlen? Der Autor macht drei grundsätzliche Feststellungen:
Wirtschaft: Indem wir uns an der Energiewende beteiligen, haben wir uns in den Rachen des chinesischen Drachens geworfen. Tatsächlich produziert das Reich der Mitte fast alle seltenen Metalle, und dabei hat der Westen das Schicksal seiner grünen Technologien einer einzigen Nation übergeben, die uns mit diesen Ressourcen versorgt – oder auch nicht.
Ökologie: Unser Streben nach einem umweltfreundlicheren Wachstumsmodell hat stattdessen zu einer verstärkten Ausbeutung der Erdkruste zur Gewinnung seltener Metalle geführt. Mit höheren Umweltbelastungen als bei der Erdölförderung.
Geopolitik: Die Dauerhaftigkeit der Ausrüstung der westlichen Armeen hängt zum Teil vom guten Willen Chinas ab. Der neue Ansturm führt bereits zu Spannungen um die ergiebigsten Lagerstätten und bringt territoriale Konflikte ins Zentrum unversehrter Gebiete, die geschützt werden sollten.

Diese neue Abhängigkeit bringt uns eine Zukunft, die kein Prophet der Energiewende vorhergesagt hatte. Pitrons Buch ist viel mehr eine Gegen-Geschichte des vielversprechenden energetischen und digitalen Wandels. Ein Wandel, der allerdings ebenfalls so grosse Gefahren birgt, wie die, die er überwinden wollte.

Schon in den 1970er-Jahren begannen die Menschen, die fabelhaften magnetischen und chemischen Eigenschaften einer Vielzahl kleinerer seltener Metalle zu nutzen, die in viel kleineren Anteilen der Gesteine der Erde enthalten sind. Wie alles, was in kleinsten Dosen aus der Natur gewonnen wird, sind seltene Metalle Konzentrate mit fantastischen Eigenschaften. Das Destillieren eines ätherischen Öls aus Orangenblüten ist ein langwieriger Prozess, aber der Duft und die therapeutische Wirkung eines einzigen Tropfens dieses Elixiers verblüffen die Forscher noch immer.

Aber das Gleiche gilt auch für die seltenen Metalle. Man muss 8,5 Tonnen Gestein zerkleiern und chemisch reinigen, um ein Kilo Vanadium zu gewinnen, sechzehn Tonnen für ein Kilo Cerium, fünfzig Tonnen für ein Kilo Gallium und die erstaunliche Menge von 1200 Tonnen für ein unglückliches Kilo eines noch selteneren Metalls, Lutecium.  

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Der Journalist Guillaume Pitron ist Preisträger des Erik Izraelewicz-Preises für Wirtschaftsrecherchen 2017. Er arbeitete mit Zeitschriften wie Geo, National Geographic oder Le Monde Diplomatique zusammen und führte Regie bei mehreren Dokumentarfilmen. Die Geopolitik der Rohstoffe ist ein Schwerpunkt seiner Arbeit. «La guerre des métaux rares – La face cachée de la transition énergétique et numérique» ist sein erstes Buch. Les liens qui libèrent, 2018, EUR 20.–, ISBN: 979-10-209-0574-1