Der Sorgenmaschine den Stecker ziehen
Tausende von Gedanken rasen täglich durch unser Hirn. Es herrscht ewiges
Geplapper. Doch es gibt einen Weg aus der Grübelfalle, und der heisst Achtsamkeit. Wer sich nach innen wendet, schafft Ruhe im Kopf.
Geplapper. Doch es gibt einen Weg aus der Grübelfalle, und der heisst Achtsamkeit. Wer sich nach innen wendet, schafft Ruhe im Kopf.
Der Mensch möchte in Frieden leben, mit Freude, Liebe und dem Gefühl der Verbundenheit. Trotzdem neigen wir dazu, uns mehr mit leidvollen als freudigen Dingen zu befassen: In den Medien überwiegen die negativen Nachrichten, wir erzählen eher vom Unwetter als von den schönen Seiten der Ferien, die jedoch mehr als 95 Prozent der Zeit ausmachten, oder jammern über den Vierbeiner des Nachbarn. Einfach zufrieden zu sein, scheint uns schwerzufallen.
Auf der Suche nach der Ursache müssen wir nicht weit gehen: Er sitzt just hinter unseren Augäpfeln. Es ist unser Hirn – und das liebt geradezu schlechte Nachrichten, suhlt sich in Sorgen, in Miesepetrigkeit und dem Nachweinen von verpassten Chancen. Der Neurowissenschaftler Rick Hanson erklärt: «Unser Gehirn verhält sich bei negativen Erfahrungen wie Klettband, bei positiven wie Teflon.» Dass die Ursache bei uns liegt, ist wiederum kein Anlass zur Sorge. Denn so wissen wir: Wir haben es selbst in der Hand, den Lärm im Kopf zu verringern.
Der Zuwachs der Erkenntnisse über Geist und Gehirn habe die Folge, dass wir heute viel mehr Möglichkeiten hätten, im täglichen Leben glücklicher und erfolgreicher zu werden, so Rick Hanson weiter in seinem Buch «Das Gehirn eines Buddha».
Negativ betrachtet kann das natürlich wieder heissen: Du bist selbst Schuld an deinem Leid. Aber - da ist doch was dran! Denn die Arbeit mit Geist und Körper ist auf dem Weg zu spirituellem und emotionalem Wachstum zentral
Rosa Elefant
«Es lohnt sich, unseren Gedanken auf die Schliche zu kommen, denn was wir denken, entscheidet darüber, wie wir uns fühlen, wie entspannt oder angespannt wir sind und wie wir uns verhalten», sagt der Psychotherapeut Andreas Knuf. Ausserdem sei es eine ungeheure Energieverschwendung, sich mit seinem Unsinn im Kopf zu befassen. Analysiert man seine Denkmuster, kommt man genau zu diesem Schluss: Es ist tatsächlich meistens Unsinn und schädlich für unser Befinden, was da so alles im Kopf aufblitzt. Beunruhigt stellt man dann noch fest, dass man nicht Herr im eigenen Hause ist. Es denkt uns! Deutlich wird das, wenn wir versuchen, eine Minute lang nicht zu denken. Innert Sekunden sucht das Gehirn fieberhaft nach Aktivität. Eckhart Tolle bringt das plastisch und humorvoll auf den Punkt: «Genauer gesagt ist es nicht so, dass du deinen Verstand falsch gebrauchst – du gebrauchst ihn normalerweise überhaupt nicht. Er gebraucht dich. Das ist die Krankheit.»
Wer versucht, einfach nicht zu denken oder Gedanken zu unterdrücken, wird kaum Erfolg haben. Man erfährt dann den «Rosa-Elefanten-Effekt»: Wer versucht, nicht an einen rosa Elefanten zu denken, wird dies umso häufiger tun. Knuf: «Wir nähren unsere Vorstellung noch mehr, indem wir versuchen, sie zu unterdrücken. Darum funktioniert auch das positive Denken nicht.» Unser unruhiger Geist scheint in unserer reizüberfluteten Macher-Gesellschaft auszublühen. Die Beschleunigung sei, so Knuf, auch eines von vielen Zeichen für einen zu aktiven Geist. Pharmafirmen machen sich dies natürlich zunutze, indem sie Pillen gegen «kreisende Gedanken» verkaufen.
Dem Lärm auf der Spur
Andreas Knuf hat sich eingehend mit der Gedankenmaschine befasst, auch aus eigener Motivation, denn allen Fachwissens zum Trotz musste auch er sich mit seinem mentalen Lärm herumschlagen. Dieser sei, so versichert er, deutlich leiser geworden.
So schrieb er ein lesenswertes Buch über die Gewohnheiten unseres Geistes. Dass sich davon viele Männer angesprochen fühlten, kann Knuf erklären: «Männer sind in der Regel eher im Kopf und haben tendenziell weniger Bezug zu ihrem Körper. Darum haben sie oft einen ruheloseren Geist als Frauen. Vielleicht fühlen sich Männer darum von dem Thema auch mehr angesprochen, als wenn es etwa um Gefühle geht.»
Unser Geist liebt es, zu kommentieren, zu bewerten und zu vergleichen. Er macht gerne aus allem eine Geschichte, und die glauben wir auch noch. So schaffen wir unsere eigenen Wahrheiten und somit auch zugleich unser Leid. Ein Teufelskreis entsteht, denn was durch unseren Geist strömt, formt unser Gehirn. Unser Gehirn ist plastisch, wir verändern es dauernd durch unser Denken und Handeln. Durch weise Nutzung können wir es umformen und langsam, aber sicher aus der negativen Spirale ausbrechen. Man kann mit gezielten Meditationsübungen neuronale Strukturen aufbauen, etwa indem man positive Erfahrungen stärkt und bewusst in sich aufnimmt. Diese Veränderungen der Hirnstruktur können mit modernen bildgebenden Verfahren sogar sichtbar gemacht werden.
Wahrnehmen und Annehmen
Der Weg aus der Sorgenmaschine stammt aus der buddhistischen Tradition und breitet sich im Westen seit einigen Jahrzehnten rasch aus: Achtsamkeit heisst das Zauberwort. Und manchmal denkt man wirklich an einen Zaubertrick. Wenn es etwa heisst, man solle einfach dasitzen, atmen, seine Gedanken nur wahrnehmen, sie dann annehmen und einfach ziehen lassen «wie Wolken am Himmel». Wenn man seine Gedanken als Gedanken wahrnimmt und nicht als Wahrheit, gelingt es leichter, sich von ihnen zu distanzieren.
Das hört sich so leicht an! «Achtsamkeit ist einfach, aber nicht leicht», sagt Knuf lachend. Und es sei eine riesige Herausforderung für jeden. «Indem man seine Gedanken beobachtet und sich nicht hineinziehen lässt, verstrickt man sich nicht in ihnen. Man übt dies, indem man einen Beobachterstatus einnimmt.» Mit Achtsamkeit wird der Geist stiller. Ruhe kehrt ein. Die Menschen, die mit Meditation beginnen, berichten oft schon nach wenigen Wochen, dass Empfindungen von Ruhe und Frieden mehr Raum finden. «Endlich komme ich zuhause an. Die Gedanken rasen nicht mehr so. Es ist schön, einfach bei mir zu sein» sind typische Aussagen. Wenn der Lärm im Kopf nachlässt, werden Dinge kraftvoller und klarer wahrgenommen. Entschleunigung geschieht dann wie von selbst.
Man gewinnt Freiheit
Gedanken beobachten ist ein guter Einstieg. Weiter geht es fast von selbst. «Der Gedanke ist Lüge, das Gefühl die Wahrheit», sagt der spirituelle Lehrer Eckhart Tolle. Es ist nicht der denkende Verstand, der Wunder vollbringt, heilt, Lösungen findet oder Kreativität entwickelt – und schon gar nicht wichtige Entscheidungen fällt.
Leicht ist es sicher nicht, aber die Mühe lohnt sich. Der Gewinn ist Wahrheit und schliesslich Freiheit. Wir haben bei Lichte betrachtet auch keine andere Wahl. Denn mehr Tempo und Ruhelosigkeit kann unser Gehirn gar nicht mehr verkraften.
---------------------------------
--------------------------------
Lioba Schneemann hilft Menschen zu mehr Achtsamkeit und Entspannung im Alltag und Beruf. Sie führt Kurse (abends, mittags) und Tagesseminare im Raum Liestal durch. Aktuell: Achtsamkeitskurs in Liestal am Mittwochabend. Der nächste Achtsamkeitstag findet am Samstag, 25.4.15 in Hölstein statt. www.schneemann-entspannt.ch
-------------------------------
Auf der Suche nach der Ursache müssen wir nicht weit gehen: Er sitzt just hinter unseren Augäpfeln. Es ist unser Hirn – und das liebt geradezu schlechte Nachrichten, suhlt sich in Sorgen, in Miesepetrigkeit und dem Nachweinen von verpassten Chancen. Der Neurowissenschaftler Rick Hanson erklärt: «Unser Gehirn verhält sich bei negativen Erfahrungen wie Klettband, bei positiven wie Teflon.» Dass die Ursache bei uns liegt, ist wiederum kein Anlass zur Sorge. Denn so wissen wir: Wir haben es selbst in der Hand, den Lärm im Kopf zu verringern.
Der Zuwachs der Erkenntnisse über Geist und Gehirn habe die Folge, dass wir heute viel mehr Möglichkeiten hätten, im täglichen Leben glücklicher und erfolgreicher zu werden, so Rick Hanson weiter in seinem Buch «Das Gehirn eines Buddha».
Negativ betrachtet kann das natürlich wieder heissen: Du bist selbst Schuld an deinem Leid. Aber - da ist doch was dran! Denn die Arbeit mit Geist und Körper ist auf dem Weg zu spirituellem und emotionalem Wachstum zentral
Rosa Elefant
«Es lohnt sich, unseren Gedanken auf die Schliche zu kommen, denn was wir denken, entscheidet darüber, wie wir uns fühlen, wie entspannt oder angespannt wir sind und wie wir uns verhalten», sagt der Psychotherapeut Andreas Knuf. Ausserdem sei es eine ungeheure Energieverschwendung, sich mit seinem Unsinn im Kopf zu befassen. Analysiert man seine Denkmuster, kommt man genau zu diesem Schluss: Es ist tatsächlich meistens Unsinn und schädlich für unser Befinden, was da so alles im Kopf aufblitzt. Beunruhigt stellt man dann noch fest, dass man nicht Herr im eigenen Hause ist. Es denkt uns! Deutlich wird das, wenn wir versuchen, eine Minute lang nicht zu denken. Innert Sekunden sucht das Gehirn fieberhaft nach Aktivität. Eckhart Tolle bringt das plastisch und humorvoll auf den Punkt: «Genauer gesagt ist es nicht so, dass du deinen Verstand falsch gebrauchst – du gebrauchst ihn normalerweise überhaupt nicht. Er gebraucht dich. Das ist die Krankheit.»
Wer versucht, einfach nicht zu denken oder Gedanken zu unterdrücken, wird kaum Erfolg haben. Man erfährt dann den «Rosa-Elefanten-Effekt»: Wer versucht, nicht an einen rosa Elefanten zu denken, wird dies umso häufiger tun. Knuf: «Wir nähren unsere Vorstellung noch mehr, indem wir versuchen, sie zu unterdrücken. Darum funktioniert auch das positive Denken nicht.» Unser unruhiger Geist scheint in unserer reizüberfluteten Macher-Gesellschaft auszublühen. Die Beschleunigung sei, so Knuf, auch eines von vielen Zeichen für einen zu aktiven Geist. Pharmafirmen machen sich dies natürlich zunutze, indem sie Pillen gegen «kreisende Gedanken» verkaufen.
Dem Lärm auf der Spur
Andreas Knuf hat sich eingehend mit der Gedankenmaschine befasst, auch aus eigener Motivation, denn allen Fachwissens zum Trotz musste auch er sich mit seinem mentalen Lärm herumschlagen. Dieser sei, so versichert er, deutlich leiser geworden.
So schrieb er ein lesenswertes Buch über die Gewohnheiten unseres Geistes. Dass sich davon viele Männer angesprochen fühlten, kann Knuf erklären: «Männer sind in der Regel eher im Kopf und haben tendenziell weniger Bezug zu ihrem Körper. Darum haben sie oft einen ruheloseren Geist als Frauen. Vielleicht fühlen sich Männer darum von dem Thema auch mehr angesprochen, als wenn es etwa um Gefühle geht.»
Unser Geist liebt es, zu kommentieren, zu bewerten und zu vergleichen. Er macht gerne aus allem eine Geschichte, und die glauben wir auch noch. So schaffen wir unsere eigenen Wahrheiten und somit auch zugleich unser Leid. Ein Teufelskreis entsteht, denn was durch unseren Geist strömt, formt unser Gehirn. Unser Gehirn ist plastisch, wir verändern es dauernd durch unser Denken und Handeln. Durch weise Nutzung können wir es umformen und langsam, aber sicher aus der negativen Spirale ausbrechen. Man kann mit gezielten Meditationsübungen neuronale Strukturen aufbauen, etwa indem man positive Erfahrungen stärkt und bewusst in sich aufnimmt. Diese Veränderungen der Hirnstruktur können mit modernen bildgebenden Verfahren sogar sichtbar gemacht werden.
Wahrnehmen und Annehmen
Der Weg aus der Sorgenmaschine stammt aus der buddhistischen Tradition und breitet sich im Westen seit einigen Jahrzehnten rasch aus: Achtsamkeit heisst das Zauberwort. Und manchmal denkt man wirklich an einen Zaubertrick. Wenn es etwa heisst, man solle einfach dasitzen, atmen, seine Gedanken nur wahrnehmen, sie dann annehmen und einfach ziehen lassen «wie Wolken am Himmel». Wenn man seine Gedanken als Gedanken wahrnimmt und nicht als Wahrheit, gelingt es leichter, sich von ihnen zu distanzieren.
Das hört sich so leicht an! «Achtsamkeit ist einfach, aber nicht leicht», sagt Knuf lachend. Und es sei eine riesige Herausforderung für jeden. «Indem man seine Gedanken beobachtet und sich nicht hineinziehen lässt, verstrickt man sich nicht in ihnen. Man übt dies, indem man einen Beobachterstatus einnimmt.» Mit Achtsamkeit wird der Geist stiller. Ruhe kehrt ein. Die Menschen, die mit Meditation beginnen, berichten oft schon nach wenigen Wochen, dass Empfindungen von Ruhe und Frieden mehr Raum finden. «Endlich komme ich zuhause an. Die Gedanken rasen nicht mehr so. Es ist schön, einfach bei mir zu sein» sind typische Aussagen. Wenn der Lärm im Kopf nachlässt, werden Dinge kraftvoller und klarer wahrgenommen. Entschleunigung geschieht dann wie von selbst.
Man gewinnt Freiheit
Gedanken beobachten ist ein guter Einstieg. Weiter geht es fast von selbst. «Der Gedanke ist Lüge, das Gefühl die Wahrheit», sagt der spirituelle Lehrer Eckhart Tolle. Es ist nicht der denkende Verstand, der Wunder vollbringt, heilt, Lösungen findet oder Kreativität entwickelt – und schon gar nicht wichtige Entscheidungen fällt.
Leicht ist es sicher nicht, aber die Mühe lohnt sich. Der Gewinn ist Wahrheit und schliesslich Freiheit. Wir haben bei Lichte betrachtet auch keine andere Wahl. Denn mehr Tempo und Ruhelosigkeit kann unser Gehirn gar nicht mehr verkraften.
---------------------------------
"Letztendlich ist Glück eine Frage des Wählens zwischen dem Unbehagen, sich seiner geistigen Nöte bewusst zu werden, und dem Unbehagen, von ihnen beherrscht zu werden."
von Yongey Mingyur Rinpoche
--------------------------------
Lioba Schneemann hilft Menschen zu mehr Achtsamkeit und Entspannung im Alltag und Beruf. Sie führt Kurse (abends, mittags) und Tagesseminare im Raum Liestal durch. Aktuell: Achtsamkeitskurs in Liestal am Mittwochabend. Der nächste Achtsamkeitstag findet am Samstag, 25.4.15 in Hölstein statt. www.schneemann-entspannt.ch
-------------------------------
"Tue alles, was du kannst, mit allem, was du hast, in der Zeit, die du hast, an dem Ort, wo du bist." von Nkosi Johnson
28. April 2015
von:
von:
- Anmelden oder Registieren um Kommentare verfassen zu können