«Es tut mir leid, mein Kleiner ... ich habe nichts mehr in meiner Brust, was ich dir geben könnte», flüstert Farida Muzafar, während sie vergeblich versucht, ihr zwei Monate altes Baby in ihrem Zelt im Flüchtlingslager Al-Shati westlich von Gaza-Stadt zu stillen. Der Säugling saugt schwach an der Brust seiner Mutter und beginnt dann leise zu weinen, als wüsste er, dass die Milch, die ihn bisher genährt hatte, nun versiegt ist.
«Seit zwei Tagen versuche ich, ihn zu stillen, aber mein Körper hat nichts mehr zu geben ... keine Nahrung, keine Ruhe, keinen Tropfen Milch», sagt Farida mit vor Erschöpfung und Hunger eingefallenen Augen. Vor dem Krieg stillte sie ihre Kinder regelmässig. Bei Bedarf konnte sie ausserdem in einer nahe gelegenen Apotheke Milchnahrung kaufen. Heute hat sich alles verändert.
Der Krieg hat alles geraubt
Seit Israel Anfang März die Grenzübergänge zum Gazastreifen vollständig geschlossen hat, dürfen keine Lastwagen mit Lebensmitteln oder Medikamenten – auch keine Babynahrung – mehr einfahren. «Ich habe das ganze Lager nach einer Dose Babynahrung abgesucht und nur eine gefunden, die vor einem Monat abgelaufen war. Ich habe sie ihm unter Tränen gegeben – was hätte ich sonst tun sollen? Es gab keine andere Möglichkeit, sein Weinen zu stillen.»
Farida seufzt, während sie ihr in ein Tuch gewickeltes Baby wiegt. «Ich fühle mich wie eine Kriminelle, aber der Krieg hat mir alles genommen ... sogar Milch.»
Ihr Säugling, der kurz vor seiner Geburt bei einem israelischen Luftangriff seinen Vater verloren hat, leidet seit kurzem unter Blähungen und häufigem Durchfall – Symptome, die laut Dr. Maysa Abu Sultan, einer freiwilligen Ärztin in einer UNRWA-Klinik im Stadtteil Al-Nasr in Gaza-Stadt, «Anzeichen einer Lebensmittelvergiftung durch abgelaufene oder verdorbene Milch» sind.
«Wir sehen täglich ähnliche Fälle», fügt sie hinzu. «Die Mütter sind nicht schuld – sie haben einfach keine Alternative. Die Belagerung hat alle Überlebensmöglichkeiten zerstört.»
Im Zelt versucht Farida, ihr Baby mit Wiegenliedern zu beruhigen, aber ihre Stimme ist kaum zu hören bei all den hungernden Menschen. «Ich schäme mich für mich selbst ... Wie kann eine Mutter ihrem Baby vergiftete Milch geben? Aber was soll ich tun? Wir sind belagert, die Grenzübergänge sind geschlossen, und die Welt schweigt.»
Tauschhandel mit Milch
In einem Innenhof einer öffentlichen Schule im Zentrum von Gaza-Stadt sitzt die 34-jährige Doaa Badra und dreht eine halb gefüllte Tüte Mehl in ihren Händen, während sie sie mit ängstlichen Augen anstarrt, als würde sie sie anflehen, ihr noch etwas mehr zu geben. Neben ihr sitzt ihr vier Monate altes Kind und wimmert schwach, erschöpft von Fieber und Durchfall.
«Ich habe diese Tüte Mehl aufbewahrt, seit die Grenzübergänge geschlossen wurden. Ich dachte, ich könnte während der Bombardierungen für meine Kinder backen. Aber jetzt ist es meine einzige Chance, Babynahrung zu bekommen», sagt Doaa mit hilfloser Stimme.
Sie hebt eine weitere kleine Tüte mit etwas Zucker. «Ich bin zu den Frauen in den Zelten in der Nähe gegangen, habe an die Türen der Unterkünfte geklopft und gefragt, ob jemand Babynahrung gegen diese Sachen tauschen möchte. Einige entschuldigten sich, andere hatten nichts. Milchpulver ist in diesem Lager wertvoller als Gold.»
Doaa ist auf die wenigen Vorräte angewiesen, die sie vor der Verschärfung der Belagerung gehortet hat. Aber sie weiss, dass die Zeit gegen sie arbeitet und ihr Baby nicht warten kann. «Jedes Mal, wenn ich ihn weinen höre, fühlt es sich an, als würde mir das Herz aus der Brust gerissen. Aber ich habe kein Geld, kein Milchpulver, nicht einmal sauberes Wasser, um einen Ersatz zu mischen.»
«Ich fürchte die Hungersnot, aber ich werde nicht aufgeben», fährt sie fort. «Wenn es sein muss, werde ich meine Kleidung eintauschen. Das Wichtigste ist, dass er etwas zu trinken bekommt, um seinen Magen zu füllen.» Sie fügt hinzu: «Ich verlange nichts Unmögliches. Nur eine Dose Milchpulver. Ist das zu viel? Ist Milch zu einem Traum geworden?»
Am Ende des Gesprächs bittet Doaa eine Nachbarin, sie zum Schultor zu begleiten, wo sie gehört haben, dass ein Vertriebener eine kleine Menge Babynahrung erhalten hat. «Ich werde das Mehl und den Zucker tragen und dorthin gehen. Vielleicht tauscht er etwas mit mir – oder vielleicht komme ich mit nichts als einem weiteren gebrochenen Herzen zurück.»
Keine Alternative für die Ernährung von Säuglingen
Ismail Al-Thawabta, Generaldirektor des Regierungsmedienbüros in Gaza, warnt vor einer sich verschärfenden humanitären Katastrophe, die das Leben Tausender Säuglinge im Gazastreifen bedroht, da Babynahrung und Milch aus den Märkten und Gesundheitszentren verschwunden sind.
«Wir stehen vor einer echten Katastrophe. Die umfassende Blockade durch Israel und die seit Monaten andauernde Verhinderung von Hilfsgütern und medizinischer Versorgung haben dazu geführt, dass Babynahrung aus Apotheken und medizinischen Einrichtungen vollständig verschwunden ist, sodass mehr als 60 000 Kinder unter fünf Jahren von Hunger und Unterernährung bedroht sind», sagt er.
Al-Thawabta erklärt, dass die Knappheit begann, als Israel im März alle Grenzübergänge schloss, was zu einem vollständigen Zusammenbruch der humanitären Lieferketten führte. Er fügte hinzu: «Mütter können nicht mehr stillen – einmal wegen ihrer eigenen Unterernährung, unter der sie leiden, zum anderen wegen des Mangels an Alternativen wie Säuglingsnahrung. Wir sind Zeugen einer stillen Tragödie, und die Bilder von Babys, die vor ihren hilflosen Müttern vor Hunger weinen, sind herzzerreissend.»
Er weist darauf hin, dass bereits weite Teile der Bevölkerung, insbesondere Kinder und Säuglinge, von Hungersnot betroffen sind. «Einige Kinder werden mit abgelaufener Babynahrung oder mit einer Mischung aus verunreinigtem Wasser und Mehl in Babyflaschen ernährt. Das ist lebensbedrohlich und kann zu schweren Erkrankungen führen, die ihre geistige und körperliche Entwicklung beeinträchtigen.»
Al-Thawabta forderte die internationale Gemeinschaft auf, dringend zu intervenieren und Druck auf Israel auszuüben, damit die Grenzübergänge geöffnet werden und humanitäre Hilfe – insbesondere Babynahrung – ins Land gelangen kann, bevor es zu spät ist.
Abdullah Younis hat eine Selbsthilfe-Versorgungsaktion für Gaza ins Leben gerufen. Hier können Sie dafür spenden: