Ein arabischer Sommer

Wo die Liebe hinfällt, wächst Gras. Anja Siouda inszeniert süffisant, wie aus interkulturellen Begegnungen intensive Beziehungen entstehen.

Auf «Steine auf dem Weg zum Pass» folgt «Ein arabischer Sommer», das Zweitlingswerk von Anja Siouda. Wiederum befindet sich ein Schauplatz des Romans auf dem Brünigpass, im alten Bauernhof der Kuhns, wo schon der erste Roman spielte. Doch nun folgen wir in einem alternativen Zeitstrang der turbulenten Vergangenheit von der Übersetzerin Elena Erb: ihre Reise zu Studienzeiten 1989 nach Tunesien, die intime Bekanntschaft mit dem Sprachlehrer Quais, der Unfalltod ihrer Eltern, die Vernunftheirat mit Claude. All dieses lesen wir parallel zum Sommer 2012, als sie dem schwulen Flüchtling Sabri begegnet, den Tunesier Mufid bei sich aufnimmt und schliesslich ihre grosse Liebe Quais wieder findet.

Geschickt fesselt uns die Autorin mit den zwei alternierenden Handlungsebenen. Sobald es auf der einen Ebene so richtig spannend wird, vollzieht sie einen Zeitsprung und setzt so die Erwartung der Lesenden auf die lange Bank. Hochinteressant sind auch die Verweise auf die nordafrikanische Kultur und wie schon in der ersten Erzählung folgt auch in «Ein arabischer Sommer» zum Schluss ein Glossar mit arabischen Begriffen.

Das Grossartige in der Erzählkunst Anja Sioudas ist die zarte Erkenntnis, die sie ihrer Leserschaft vermittelt. Für die mit einem Algerier verheiratete Schweizerin ist eine interkulturelle Begegnung nie abgeschlossen. Es ist nicht möglich, sie abzuschliessen. Ihre ProtagonistInnen arbeiten sich folglich durch Missverständnisse, kulturelle Tabus, Vorlieben, usw. hindurch, und dank Ausdauer und grosser Sensibilität entstehen wunderbare Liebesgeschichten.

Anja Siouda (2013): « Ein Arabischer Sommer». Ben Hamida International. 241 Seiten. Fr.  19.50 / €16.50.

www.anjasiouda.com