Ein ethischer Dammbruch

EU-Kommission lässt genetisch veränderte Covid-19-Impfstoffe ohne Risikoprüfung zu.

Ohne Langzeitstudien und ohne Prüfung bezüglich Einfluss auf die Umwelt sind seit diesem Juli genetisch veränderte Impfstoffe – kurz GVO – gegen Covid-19 in der Europäischen Union (EU) erlaubt. Sogar dann, wenn ein Mitgliedsstaat von der EU nicht genehmigte Covid-19-Impfstoffe einsetzen will. Der Europäische Rat hat mit diesem neuen Entscheid ein Tabu gebrochen, das bisher als unantastbar galt: der Vorsorgeschutz. Weil es sich bei Impfstoffen mit genetisch veränderten Organismen um etwas völlig neues handelt, existieren keine Langzeitstudien und keine klinisch getesteten Standards. Solche Impfstoffe würden ohne Coronakrise nie zugelassen werden.

Mit der neuen EU-Verordnung gelten für GVO-Impfstoffe wichtige Voraussetzungen nicht mehr: Etwa die nicht ganz unwichtige Umweltverträglichkeitsprüfung, die verhindern soll, dass genetisch veränderte Organismen unkontrolliert in die Umwelt gelangen. Oder: Dass Mitgliedsstaaten ethische Aspekte berücksichtigen sollen, wenn sie GVO absichtlich freisetzen.

In der Pressemitteilung des Europarates heisst es: «Der Rechtsakt enthält eine befristete Ausnahmeregelung der Richtlinien 2001/18/EG sowie 2009/41/EG, sodass bei klinischen Prüfungen mit solchen Impfstoffen nicht die vorherige Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss, die nach den EU-Vorschriften über die absichtliche Freisetzung und die Anwendung genetisch veränderter Organismen (GVO) in geschlossenen Systemen ansonsten vorgeschrieben ist.» Überdies wird darin präzisiert, dass die befristete Ausnahmeregelung auch dann gilt, wenn nach den Arzneimittelvorschriften der Mitgliedstaaten GVO enthaltende oder aus GVO bestehende Arzneimittel zur Behandlung oder Verhütung von COVID-19 in bestimmten aussergewöhnlichen und dringenden Situationen verabreicht werden dürfen.

Heisst im Klartext: Es braucht keine Umweltverträglichkeitsprüfung und keine Langzeitstudien mehr. Und die Bestimmungen für Mitgliedstaaten gelten auch dann, wenn GVO-Impfstoffe offiziell gar nicht zugelassen, sondern nach «Treu und Glauben» geliefert wurden oder: wenn ein Mitgliedstaat solche Impfstoffe nur vorübergehend genehmigt.

Die Artikel im Dschungel der EU-Gesetze, die nun als nicht mehr nötig gelten, sind zum Beispiel Art. 9 der Richtlinie 2001/18/EG: Wonach die Bevölkerung im Sinne eines «transparenten Rechtsrahmens» über Massnahmen informiert und konsultiert werden muss. Oder Art. 5 derselben Richtlinie, wonach GVO in geschlossenen Systemen möglichst keine schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben sollten. Auch Art. 12, der die Anforderungen zur Risikobewertung regelt, gilt nicht mehr, um nur einige Artikel zu nennen. All diese Vorschriften werden für das Inverkehrbringen eines noch nie getesteten Impfstoffes in der EU zur Makulatur.

Einer der führenden Impfstoff-Forscher Deutschlands, Carlos Guzmán, sagte der Berliner Zeitung: «Trotz der gebotenen Eile dürfen keine unreifen Produkte zur Impfung gegen Covid-19 zugelassen werden». Vor allem die Impfung mit Erbsubstanz sei gar nie erprobt worden (wir berichteten). Die neuen Regelungen gelten nur im Fall einer Pandemie. Nur die Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder des Europäische Parlament kann gemäss Artikel 1 des neuen Gesetzes einschätzen, ob es eine Pandemie ist oder nicht.

Diese EU-Verordnung ist für die Schweiz allerdings nicht verbindlich. Die Zulassungsverfahren für Arzneimittel erfolge nach Schweizerischem Recht, sagt Danièle Bersier, Mediensprecherin der Swissmedic auf Anfrage. Es sei denn, – und das ist der Punkt –, der Bundesrat würde von seinem Recht auf beschleunigte Bewilligung Gebrauch machen und die Zulassungsbedingungen der EU mit einer Verordnung übernehmen. So wie der Bundesrat – mit eigenmächtigen Verordnungen wegen Corona – schon einiges  möglich gemacht hat.