Geheimsache Profit im Gesundheitswesen

Hans-Peter Studer darf nicht über die Vorteile der Komplementärmedizin sprechen

Die weltweit umfassendste Untersuchung von Wirkung, Kosten und Nutzen der Komplementärmedizin wurde in der Schweiz durchgeführt. Und wichtige Resulate werden unter Verschluss gehalten. Wenn wir immer noch hoffen dürfen, dass die wissenschaftliche Wahrheit über die andere Heilkunst endlich publiziert wird, dann ist es wegen Hans-Peter Studer.

«Im Moment lastet einiges auf mir», sagt der Gesundheitsökonom Dr. Hans-Peter Studer. Seine Zivilcourage hat ihn Aufträge gekostet, und um seine Familie über Wasser zu halten, gibt er jetzt vermehrt Unterricht. Trotzdem bereut er es keine Sekunde, dass er sich gegen den Maulkorb des Bundesamtes für Gesundheit gewehrt hat. Dieses liess Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit der fünf komplementärmedizinischen Fachrichtungen, die 1998 provisorisch in die Grundversicherung aufgenommen wurden, in einem umfassenden «Programm Evaluation Komplementärmedizin» (PEK) untersuchen. Begleitet wurde das ambitiöse, weltweit einzigartige Projekt von einem «Review Board» mit international anerkannten Professoren aus der Schweiz, Deutschland, England und Dänemark.
Konflikte rund um das PEK manifestierten sich erstmals mit dem Transfer des Programms vom Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) an das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und der Publikation erster, für die Komplementärmedizin erfreulicher Resultate. Das BAG unter der Federführung seines damaligen Vizedirektors Hans Heinrich Brunner, dem ehemaligen Präsidenten der Ärztevereinigung FMH, begann, das Programm schrittweise umzubauen. Anstatt die Untersuchung abzuschliessen und in den wissenschaftlichen Gremien und in der Öffentlichkeit zu diskutieren, sollten die Resultate zuerst dem Innenminister Bundesrat Couchepin als Grundlage für seinen Entscheid über die definitive Aufnahme der komplementärmedizinischen Richtungen vorgelegt und erst dann diskutiert werden. Die für die wissenschaftliche Diskussion nötige Zusatzfrist von sechs Monaten wurde nicht gewährt, das Budget für die weitere Analyse der Daten und für die Publikationen gestrichen und den beteiligten Experten wurde trotz unterschriebener Vertraulichkeitserklärung verboten, die Dossiers nach Hause zu nehmen. Die vollzeitig arbeitenden Ärzte waren dadurch gezwungen, tagsüber nach Bern zu reisen, um die Akten einsehen zu können – eine reine Schikane.


Keine Diskussionen vor dem Entscheid

Die Situation spitzte sich zu, als die PEK-Programmleitung am 23. März 2005 eine «strikte Aufforderung» an alle PEK-Forschenden erliess, nicht an einer wissenschaftlichen Tagung vom 21. April 2005 zur Diskussion der Resultate teilzunehmen, zu der sie selber die Idee gehabt hatte. Studer signalisierte, dass er sich die Teilnahme vorbehalte. Wenig später erhielt er die Kündigung verbunden mit der Aufforderung, alle PEK-Daten und Dokumente zu retournieren bzw. zu löschen. Auch dürften die Daten «in keiner Art und Weise für Vorträge, Publikationen oder für andere Projekte verwendet werden». Der Pressesprecher des BAG behauptete damals wahrheitswidrig, das Mandat von Studer sei erfüllt, dabei waren weder die Arbeiten abgeschlossen, noch der Kredit erschöpft.
«So nicht!» sagte sich Hans-Peter Studer, als er den ersten Schrecken verdaut hatte. Er deponierte Computer und Akten bei einem Anwalt und machte den erstaunlichen Vorgang an einer eilends einberufenen Medienkonferenz publik, mit gutem Echo fast in der gesamten Tagespresse der Schweiz. Es ging ihm darum, «dass man die Wahrheit nicht einfach so unterdrücken kann.»
Die vorprogrammierte Streichung der Komplementärmedizin aus dem Leistungskatalog konnte Hans-Peter Studers mutiger Schritt nicht verhindern. Und auch Irreführungen konnte sich das BAG weiterhin leisten. So erklärte sein Direktor, Thomas Zeltner, die Eidg. Leistungskommission (ELK), die die Behörden bei der Auswahl der kassenpflichtigen Leistungen berät, hätte den PEK-Schlussbericht «intensiv diskutiert». Dabei wurden die Mitglieder bloss mündlich informiert. Vom PEK-Schlussbericht existierte damals gemäss Pedro Koch, dem Leiter des Lenkungsausschusses, ein einziges Exemplar, das Bundesrat Couchepin übergeben wurde.


Die langen Arme des  medizinisch-industriellen Komplexes

Studer wusste, dass er mit seinem Vorgehen auf Jahre keine weiteren Forschungsaufträge mehr erhalten würde. Was er nicht ahnte, war die Reichweite der Tentakel des medizinisch-wirtschaftlichen Komplexes. In einem offensichtlichen Versuch, ihn mundtot zu machen, grub der Zürcher «Tagesanzeiger» eine Geschichte aus dem letzten Jahrhundert aus und bezichtigte Studer, in den 90er Jahren stv. Chefredaktor der Gesundheitszeitschrift «Für uns - vita sana», der Unterstützung des umstrittenen Krebsarztes Geerd Ryke Hamer. Dabei war es der Chefredaktor und Herausgeber der Zeitschrift, der den entsprechenden Text verfasst hatte. Studer reagierte nicht auf den ärgerlichen Artikel. Aber es kam noch schlimmer. Das Boulevardblatt «Blick» bezeichnete Studer in einer gross aufgemachten Geschichte u.a. als «Hexen-Fan», der Ärzte «möglichst durch Hexen ersetzen» wolle. In Tat und Wahrheit hatte Studer an einer Tagung des Verbandes für Krankenpflege vor zehn Jahren dafür plädiert, dass das Pflegepersonal komplementärmedizinische Methoden anwenden können und so gleichsam das Erbe der weisen Frauen antreten solle, die im Mittelalter noch als Hexen verfolgt und im wahrsten Sinne ausgerottet worden seien. In einem aussergerichtlichen Vergleich erreichte Studer nun, dass der «Blick» die entsprechenden Artikel aus allen öffentlichen Archiven entfernen, die Gerichtskosten übernehmen und ein Interview mit ihm publizieren muss.
Was den politischen Arm der Schulmedizin an Studer neben seinem Wissen über die wirtschaftlichen Vorteile der Komplementärmedizin stört, ist wohl der Erfolg seiner Broschüre «Impfen – Grundlagen für einen persönlichen Impf­entscheid», von dem die Stiftung für Konsumentenschutz bereits sechs Auflagen drucken liess.


Wir werden es erfahren

Wann die geheim gehaltenen Daten über die Wirtschaftlichkeit der Komplementärmedizin nun veröffentlich werden, ist noch offen. Die Untersuchung wurde mit allgemeinen Steuermitteln finanziert und wird nun zum Nutzen der Schulmedizin und der Pharmaindustrie unter Verschluss gehalten. Couchepin hätte es sich nicht leisten können, ihre Leistungen wieder aus der Grundversicherung zu streichen. Die Behördenwillkür betrifft nicht nur Hans-Peter Studer, sondern alle Prämienzahler im Lande.
Wer schon ungerechtfertigt an den Pranger gestellt und in seiner beruflichen Existenz bedroht worden ist, weiss, wie wichtig die Unterstützung in solchen Momenten ist. Dabei geht es nicht nur um gute Worte, die immer willkommen sind, sondern auch um Geld. Wir wissen aus persönlicher Erfahrung, dass Spenden viel mehr sind als Zahlen auf einem Konto, sondern ein sozialer Lastenausgleich und eine Anerkennung für eine Leistung, deren Wert nur wenige erkennen.
Hans-Peter Studer wollte uns partout keine Kontonummer zur Veröffentlichung angeben. Aber wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, ihn anrufen und danach fragen, wird er sich wohl aus der Reserve locken lassen.



Kontakt:
Hanspeter Studer, Rickstr. 31, 9037 Speicherschwendi, Tel. 071/344 38 37
Weitere Informationen in einem Artikel von Peter Heusser, Dozent für anthroposophische Medizin an der Universität Bern in der Schweiz. Ärztezeitung: www.saez.ch/d/set_archiv.html
01. September 2006
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