Athen: Die nächste EU-NATO-Regierung könnte stürzen
Die Regierungen Europas beginnen unter dem Druck der Krise bedenklich zu wackeln. Nach fünf Regierungswechseln, und einem Beinahe-Sturz in Schweden hat jetzt Griechenland sein Watergate.
Die griechische Regierung von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis könnte – nach dem Abgang von Premier Boris Johnson, Mario Dragjis Rücktritt in Rom, dem Auseinanderbrechen der Regierungskoalition in Estland und dem Sturz der Regierungskoalition von Kiril Petkov in Bulgarien – die fünfte NATO-Regierung sein, die seit dem NATO-Gipfel in Madrid am 29.6. stürzt. Die Regierung Mitsotakis hat sich als die NATO- und US-hörigste in Athen seit der Militärdiktatur der 60er-70er Jahre erwiesen, und ihre jüngste Entscheidung, der Ukraine schwere Waffen zu liefern, ist alles andere als populär.
In dem Spionageskandal – genannt «Mitsotakis' Watergate» – geht es um das Abhören von Nikos Androulakis, dem Vorsitzenden der oppositionellen, drittgrössten Partei Pasok-Kinal, sowie des Journalisten Thanasis Koukais. Am 5.8. reichte Grigoris Dimitriadis, Mitsotakis' Generalsekretär (und zufällig auch sein Neffe), wegen des Falles seinen Rücktritt ein. Er behauptete zwar, nicht verantwortlich zu sein, aber die Geheimdienste fallen unter seine Verantwortung.
Dem folgte rasch der Rücktritt des Kommandanten des Nationalen Geheimdienstes (EYP), Panagiotis Kontoleon. Er hatte einige Tage zuvor vor einem Parlamentsausschuss zugegeben, dass die Abhörmassnahmen zwar legal (von einem Staatsanwalt genehmigt) waren, es aber «falsche Handlungen in dem Prozess» gegeben habe. Das wahre Motiv für die Überwachung, offensichtlich politische Erwägungen, wurde nicht offengelegt.
Der empörte Androulakis forderte eine gründliche Untersuchung im Parlament, ähnlich wie der Vorsitzende der grössten Oppositionspartei Syriza, Alexis Tsipras. Nach tagelangem Schweigen bezeichnete Mitsotakis die Abhöraktion schliesslich am 8.8. als politisch «inakzeptabel», behauptete aber: «Ich hatte keine Kenntnis davon und würde es natürlich niemals zulassen». Unnötig zu sagen, dass ihm nur wenige glauben.
Noch beunruhigender ist, dass Mitsotakis persönlich als erste Amtshandlung Kontoleon zum Geheimdienstchef ernannt hatte. Zuvor war Kontoleon Geschäftsführer der griechischen Tochter der grössten privaten britischen Sicherheitsfirma G4S gewesen, wo er seine gesamte berufliche Laufbahn verbracht hatte. Das wirft natürlich die Frage auf, ob ein britisches privates Sicherheitsunternehmen mit engen Verbindungen zum britischen Militär und Geheimdienst und sogar zur NATO die Entscheidungen des griechischen Geheimdienstes getroffen hat...
Der Skandal hat erst begonnen, und er wird höchstwahrscheinlich mit dem Rücktritt von Mitsotakis und/oder Neuwahlen enden.
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Der Text stammt mit Einwilligung des Herausgebers aus dem (kostenpflichtigen) Newsletter des Schiller-Instituts.
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