Bedingungsloses Grundeinkommen: Freiheit in Fesseln?

Das bedingungslose Grundeinkommen ist ein romantisches Konzept: Menschen erhalten vom Staat Geld, ohne eine Gegenleistung dafür erbringen zu müssen. Was verlockend klingt, bringt eher Abhängigkeit als Freiheit. 

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Aktuell hat der Zürcher Gemeinderat eine Initiative zum bedingungslosen Grundeinkommen abgeschmettert. Das Pilotprojekt hätte einer Gruppe von Stadtzürchern eine finanzielle Unterstützung für drei Jahre gesichert. Die Stadt Zürich setzt wohl weiterhin auf «Ärmel hochkrämplä und büezä.» 

In der Innerschweiz ist das Grundeinkommen ebenfalls ein Thema. So reichte ein Komitee Ende März eine entsprechende Initiative mit 870 Unterschriften in Luzern ein: «Wissenschaftlicher Pilotversuch Grundeinkommen» und «Wir müssen pragmatisch zukunftsfähige Modelle erproben», heisst es in der Medienmitteilung. 

Ist Staatsabhängigkeit Zukunftsmusik? Und ist es nicht der WEF-Gründer, der von diesem Einkommensmodell schwärmt? Ist Letzterer im Spiel, sollten die Alarmglocken läuten, denn es stellt sich hier die Frage: Wie lange würde das Grundeinkommen bedingungslos bleiben?

Bestimmt wäre das Grundeinkommen für viele eine willkommene Geldquelle. Wie etwa die Mutter, die mit der Erziehung ihrer Kinder einen Beitrag an die Gesellschaft leistet. Sie bleibt unbezahlt und reduziert zu Gunsten der Familie oftmals ihren Job oder gibt ihn ganz auf. Oder der Kunstschaffende, der mit seiner Berufung auf keinen grünen Zweig kommt und trotzdem nicht untätig herumsitzt. Es gibt Umstände, in denen das Grundeinkommen eine Chance verdient hätte. Wobei es falsch wäre, es bedingungslos zu nennen; weder Mutter noch Künstler würden sich in die Hängematte legen. 

Das «Umsonst-Prinzip» hat seine Tücken. Und dabei geht es weniger darum, den Menschen vom Nichtstun abzuhalten. Vielmehr stellt sich die Frage, wie frei diese Einkommen wirklich macht. Ist die Abhängigkeit vom Staat erstrebenswert? Ist der Mensch bereit, sich die Fesseln noch enger schnüren zu lassen? Sicherheitsnetz oder im Netz gefangen? Wer frei ist, muss auch gestalten können. Hat ein Mensch wenig oder nur Belangloses zu tun, könnte dies zu einem «Boreout» führen.  

Ferner öffnet sich die Einkommensschere zwischen Arm und Reich mehr und mehr. Wer alles hätte Anspruch auf den Zustupf? Sind Reiche ausgeschlossen und wenn ja, ab wann ist man reich? Wie werden regionale Abweichungen wie Steuern oder Wohnkosten ausgeglichen? So romantisch wie es klingt ist das Grundeinkommen nicht. 

Ein Community-Grundeinkommen wie etwa Ting ist eine andere Geschichte. Hier zahlt nicht der Staat, sondern die Gemeinschaft in den Geldtopf ein. Eine sinnvolle Variante: Unterstützt werden die Menschen, die es auch brauchen. Was aus der Gemeinschaft entsteht und zugleich das Miteinander fördert, hat generell mehr Kraft. Geld hat hier bestimmt eine höhere Schwingung als das vom Staat finanzierte Grundeinkommen.

Ting

Initiative

 

Kommentare

Das Grundeinkommen: Pathologie und Wirkung einer sozialen Bewegu

von MS
Das sind wichtige und grosse Fragen. Johannes Mosmann stellt im oben genannten Buch ähnliche und weitere Fragen und sucht Antworten: https://www.dreigliederung.de/essays/2018-02-001-das-grundeinkommen-pathologie-und-wirkung-einer-sozialen-bewegung-I   Auch interessant: Gradido nennt sein Grundeinkommen deshalb ein aktives Grundeinkommen: https://gradido.net/de/basic-income/

Grundeinkommen/Ting-Gemeinschaft

von meineMeinung
Ein bedingungsloses Grundeinkommen muss bedingungslos sein, sonst ist es kein bedingungsloses Grundeinkommen. Ich persönlich wäre dafür, es würde uns mehr Selbstbestimmung und Entfaltung bringen. Ich glaube nicht, dass die Gesellschaft unter "Boreout" leiden würde. Das Grundeinkommen würde nur zu einem sehr bescheidenen (Über-) Leben reichen, ich denke aber, dass die meisten Menschen doch mehr Geld haben wollen als das Existenzminimum, und weiterhin arbeiten gehen würden. Und die Anderen würden eigenes Obst und Gemüse pflanzen, ein Hobby finden, oder freiwillige Arbeit leisten bei Projekten, die ihnen Sinn und Freude machen. Auf der Grundlage des Grundeinkommens könnte man viele schöne Projekte gestalten. Und es gäbe sehr wahrscheinlich mehr Teilzeit-Jobs, was man nur begrüssen kann.   Würde man bedingungsloses Grundeinkommen weltweit einführen, müssten Menschen nicht mehr in andere Länder auswandern, nur weil sie hoffen, dort einen Job zu finden, von dem sie ihre Familien ernähren können. Pilotprojekte mit Grundeinkommen machen meiner Meinung nach aber wenig Sinn. Ich kann mir vorstellen, dass in solchen Projekten Leistungsdruck auf die Teilnehmer erzeugt wird, zu beweisen, dass sie es verdient haben. Das ist ein anderes Gefühl und eine andere Energie als beim allgemeinen Grundeinkommen.   Eine Ting-Gemeinschaft finde ich eine gute Idee, sehe darin aber keinen Widerspruch oder Alternative zum bedingungslosen Grundeinkommen.            

Abhängigkeit vom Staat

von meineMeinung
Abhängigkeit vom Staat in Form von staatlichen Jobs, staatlichen Subventionen (Kindergeld, Stipendien, usw.) Sozialhilfe oder IV/AHV-Renten, gibt es auch im gegenwärtigen System. Das Grundeinkommen würde vielen Menschen aber doch mehr Freiheit und Selbstbestimmung bringen. Und in der Wirtschaft glaube ich, würden vor allem die KMU's profitieren, wenn sie weniger Löhne zahlen müssten (was mit dem Grundeinkommen ausgeglichen wäre). Meiner Meinung nach wäre ein bedingungsloses Grundeinkommen sehr nützlich.       

Gutes oder böses Grundeinkommen?

von Silvan
Wie oben bereits kommentiert macht uns ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht mehr oder weniger abhängig als bestehende Sozialleistungen. Und wer sich mit einem Grundeinkommen tatsächlich unfrei oder gar gefesselt fühlt, kann ja einfach darauf verzichten. Es ist m.E nicht eine Frage ob es uns frei oder gefesselt macht, sondern welches bedingungslose Grundeinkommen wir haben wollen und welches wir als Souverän entscheiden einzuführen. Wird ein zwangsverordnetes Grundeinkommen mit neoliberalen  Ansätzen (unter Existenzminimum und Streichung alles andern Sozialleistungen) in womöglich reiner digitaler Auszahlung eingeführt werden, so sehe ich die Unfreiheit auch und es wäre der grösste Rückschlag der sozialen Gesellschaft hierzulande. Wenn wir uns im Gegenzug ein bedingungsloses Grundeinkommen vorstellen und einführen würden, dass uns den Arbeitszwang nimmt und uns die Freiheiten gibt so tätig zu sein, wie wir es gerne wollen, dann könnte das eine grosse Möglichkeit schaffen und die Menschheit ein Stück zufriedener und glücklicher machen. Ich beobachte mit Sorge, dass bei Grundeinkommens Befürwortern, bedingt durch die Pandemie, nun plötzlich eine Ablehnung der Idee aufgekommen ist. Wenn die Idee missbraucht wird oder es Pläne gibt, die Idee zu missbrauchen, dann sollten wir doch diese Leute, diese Pläne und diese Vorhaben verurteilen und nicht die Idee per se! Und wenn das Vertrauen in den Staat und die Machthaber*innen geschmolzen ist. dann sollten wir uns doch darum bemühen einen solchen Staat wieder aufzubauen und mit «leaders» zu bestücken, die wir uns für unsere Zukunft wünschen, anstelle gute Ideen zu verurteilen und zu bekämpfen?! Ich bin seit 2015 aktiv hier in der Schweiz an diesem Thema dran, führe einen Verein der den Zweck hat ein tolles Grundeinkommen für uns alle zu generieren, bin Mit-Initiant von Ting und haben geholfen die Initiativen in ZH, BE und LU zu lancieren. Und ich kann euch allen versichern, das mache ich nicht, um euch zu versklaven oder um es den neoliberalen Vollidioten da draussen zu überlassen.  Ein etwas trauriger Grundeinkommens-Aktivist lässt grüssen.