Blocher hat recht – vermutlich zufällig oder aus Wahlkampf-Kalkül

«Den Investmentbankern in den Geschäftsbanken steht zu viel billiges Geld für ihre Risikogeschäfte zur Verfügung.» Dies sagt Christoph Blocher in der heutigen Sonntagszeitung und schlägt vor, den Geschäftsbanken allenfalls das Investmentbanking verbieten zu lassen. Die Analyse ist zwar richtig, doch ist der Mann so inkonsequent, dass man von einem Zufallstreffer oder von Wahlkampftaktik sprechen muss.


In den letzten Monaten hat Blochers Partei nämlich ihren Widerstand gegen massive Devisenkäufe der Nationalbank aufgegeben und damit die hochriskanten neuen Massnahmen der Nationalbank erst ermöglicht. Davon profitieren in erster Linie die Investmentbanken und die Hedge Fonds, die für ihre maroden Euros einen potenten Käufer gefunden haben, der ihnen erst noch 20 Prozent mehr bezahlt, als sie auf dem freien Kapitalmarkt dafür bekämen.

Warum Blocher eine derart gespaltene Politik betreibt, wissen wir nicht. Ich habe ihm dazu heute eine e-mail geschrieben (im Anschluss an diesen Text). Entweder er kennt die Geldschöpfung nicht (Mehr dazu: Echtes Geld gibt es fast nicht.) und das wäre tragisch für einen Politiker seines Formats. Oder er kennt sie und spielt ein Doppelspiel: Er profitiert von der privaten Geldschöpfung und fordert eine Beschränkung der Bankenmacht nur dann, wenn sich damit Wählerstimmen gewinnen lassen. Und vor allem ist von einem Mann wie ihm Verfassungstreue zu erwarten und ein Einsatz für den Souverän. Wenn er dafür gewählt werden will, hat er jetzt Gelegenheit, sein Wahlversprechen noch vor der Wahl umzusetzen.

Besonders bedenklich an der Risiko-Strategie der Nationalbank sind zwei Aspekte: Erstens ist das Volumen so gross, dass ein Verlust von 500 Milliarden durchaus möglich ist. Dafür muss die Schweiz ein Jahr lang arbeiten. Zweitens kauft die Nationalbank mit ihren harten Schweizer Franken Euros, das die europäischen Banken ihrerseits aus dem Nichts geschöpft haben. Wie sagte Blocher schon wieder? «Den Geschäftsbanken steht zu viel billiges Geld für ihre Risikogeschäfte zur Verfügung.» Dafür darf nicht das Schweizer Volk haften und schon gar nicht ohne demokratisch legitimierten Entscheid. Die einzige Möglichkeit: Eine ausserordentliche Generalversammlung der Nationalbank.

Christoph Blocher ist ein schlauer Politiker. Anstatt das Problem an der Wurzel zu packen und sich für die Verfassungsmässigkeit unseres Geldsystems einzusetzen, lässt er die Probleme wachsen, bis der Ruf nach einem starken Mann ertönt.
Seine Forderung nach einer Aufsplittung der Grossbanken in juristisch und wirtschaftlich getrennte Investmentbanken auf der einen und im Inland tätige Geschäftsbanken auf der anderen Seite ist trotz allem richtig und die SP täte gut daran, ihren Widerstand aufzugeben. Schliesslich geht es darum, die Einlagen der Schweizer Sparer vor den Verlusten im internationalen Investmentgeschäft zu schützen.

Blocher in einem Punkt recht zu geben, heisst noch längst nicht, ihm in anderen zu folgen. Parteienknatsch in Fragen der Sicherheit unseres Geldsystems ist fehl am Platz. Wir brauchen schnell praktikable Lösungen – vor dem nächsten Knall, den Paul Krugman in der New York Times jederzeit erwartet. Denn wenn es kracht, ist Blocher der falsche Mann. Dann brauchen wir nicht Machtmenschen, sondern konsensfähige Politiker, die das Wohl der Allgemeinheit an die erste Stelle setzen. Bedingungslos, nicht nur wenn man damit Wähler fangen kann.

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Solothurn, 18. September

Sehr geehrter Herr Blocher

Ich teile Ihre Einschätzung aus der heutigen Sonntagszeitung, dass den Banken zu viel billiges Geld zur Verfügung steht und ich befürworte auch Ihren Vorschlag zur Aufsplittung der Grossbanken und allenfalls eines Verbots des Investment-Bankings.
Aber ich verstehe nicht, warum Ihre Partei den Widerstand gegen die Devisenkäufe der Nationalbank aufgegeben hat. Wenn die Nationalbank harte Franken gegen schwächelnde Euros tauscht und dabei zwanzig Prozent über dem aktuellen Finanzmarktpreis bezahlt, stellt sie den europäischen Banken und den Hedge Fonds ja gerade das billige Geld zur Verfügung, das Sie zu Recht beklagen.
Ich würde es begrüssen, wenn Sie den Widerspruch erklären.

Ich verstehe, dass der harte Franken Massnahmen erfordert. Aber den internationalen Finanzmarktkräften zu trauen, dass sie das Problem im Interesse der Schweiz lösen, halte ich für sehr risikoreich. Ein Verlust dieser Operation in der Höhe von 500 Milliarden – ein ganzes Bruttosozialprodukt – ist nicht ausgeschlossen. Immerhin hat die Erhöhung der Nationalbank-Geldmenge von rund 70 auf rund 250 Milliarden zwischen Ende Juli und Ende August nicht gereicht.

Angesichts des enormen Risikos der Nationalbank-Massnahme stellt sich die Frage nach deren Verfassungsmässigkeit. Bis 2003 wäre die Anbindung des Schweizer Frankens an eine fremde Währung gemäss Nationalbankgesetz noch der Koordination mit dem Bundesrat unterlegen. Meiner Ansicht nach widerspricht es Sinn und Geist der Verfassung, wenn ein kleines Gremium ohne demokratischen Prozess über eine derart weitgehende Massnahme bestimmen kann. Ihre Partei verlangt Abstimmungen über Einbürgerungsgesuche. Konsequenterweise sollte das Volk auch etwas zu sagen haben, bevor es das Risiko eingeht, ein Jahr gratis für die Hedge Fonds zu arbeiten oder über die Inflation einen vergleichbaren Verlust einzufahren. Auch dazu würde mich Ihre Haltung interessieren. Mehr dazu erfahren Sie auf meiner Website unter: http://www.christoph-pfluger.ch/2011/09/10/was-es-jetzt-braucht-eine-ausserordentliche-generalversammlung-der-nationalbank/

Ich schreibe Ihnen diese e-Mail, weil ich die Widersprüche in Ihrer Politik öffentlich kritisiert habe und Ihnen Gelegenheit zur ungekürzten Darstellung Ihrer Sicht geben möchte. Falls Sie Ihre Antwort nicht selber schreiben, erwarte ich allerdings einen entsprechenden Hinweis.

Mit freundlichen Grüssen

Christoph Pfluger
Verleger und Sprecher parteifrei.ch
Werkhofstr. 19, 4500 Solothurn, Tel 032 621 81 12
18. September 2011
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