Cancel Culture: Zensur oder soziale Gerechtigkeit?
«Cancel Culture» ist eine Mob-Mentalität, die im gesellschaftlichen Umgang zusehends um sich greift. Wer sich nicht massenkonform äussert, wird öffentlich boykottiert. Hier drängt sich die Frage auf: Wo bleibt das Recht auf Meinungsfreiheit?
Das aus den Staaten importierte Internet-Phänomen mit dem Hashtag #CancelCulture wird als Instrument für soziale Gerechtigkeit verteidigt. Tatsächlich handelt es sich hierbei um eine Einschüchterungstechnik, um die Gleichschaltung zu erzwingen. Wer sich nicht massenkonform äussert, wird zensuriert oder in den sozialen Medien gesperrt. Der Mob ruft öffentlich zum Boykott auf, sprich, der Mensch wird «gecancelt» und ist somit abgeschrieben.
«Cancel Culture» ist nichts anderes als eine Massenbeschämung und fördert die Jagd auf Gegenstromschwimmer. Doch ist dieser Maulkorb in einer aufgeklärten Gesellschaft tolerierbar?
Die Individualität, die es in Bezug auf die Geschlechterfrage zu respektieren gilt, funktioniert bei anderen Reizthemen wie Klima oder Corona nicht. Wer sich nicht dem Mehrheitsprinzip anschliesst, auf den wird mit dem Finger gezeigt. Meinungen ausserhalb des Mainstreams sind per se beleidigend, anstössig und widersprechen dem gesellschaftlichen Verhaltenskodex. Es geht darum, zwanghaft eine Schablone ethischer und sozialer Normen zu etablieren. Der Einheitsbrei wird zur Pflicht.
Oft führt die moderne Form der Steinigung zur Selbstzensur, aus Angst, dem Mob zum Opfer zu fallen. So wie jüngst die Musikerin Ronja Maltzahn, die wegen ihren Dreadlocks – den Rastalocken – von «Fridays for Future» ausgeladen wurde. Eigentlich hätte sie an einer Demonstration der Bewegung in Hannover auftreten sollen. Doch ihre Frisur passte nicht ins Bild und der Veranstalter liess verlauten: «Der Grund dafür ist, dass wir gerade bei diesem globalen Streik auf ein antikolonialistisches und antirassistisches Narrativ setzen und es daher für uns nicht vertretbar ist, eine weisse Person mit Dreadlocks auf unserer Bühne zu haben.» Die Originalnachricht, die auf Maltzahns Instagram-Account zu lesen war, ist mittlerweile gelöscht und durch eine besänftigende Stellungnahme ersetzt: «Ich bin nicht daran interessiert, eine landesweite oder gar internationale Wut gegen FFF zu schüren.» Was die Musikerin dazu bewogen hat, und ob sie Repressalien seitens der Klimabewegung befürchtet, bleibt dahingestellt.
Die Selbstzensur aus Angst vor Ächtung ereilte auch die Zürich Versicherung. Ihr Z-Logo ist aus den sozialen Medien verschwunden, nachdem der Buchstabe Z zum Symbol der Russland-Sympathisanten erklärt wurde. Die Versicherung «cancelt» sich gleich selbst, bevor es ein anderer tut.
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