Ich habe aus einer Laune heraus beschlossen, die Bibel zu lesen. Nicht weil ich plötzlich ein Frömmler geworden wäre, sondern aus Interesse und Neugier und immer nur ein Kapitel. Da das Alte Testament mit den fünf Büchern Mose beginnt, war ich nach der Genesis bereits mittendrin in der schicksalhaften Geschichte der Juden, die mit Abraham ihren Anfang nahm.
Da las ich im 1. Buch Mose, Kapitel 12:
Und der Herr sprach zu Abraham: Geh’ aus deinem Vaterland und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. Ich will dich zum grossen Volk machen und dich segnen und dir einen grossen Namen machen.
Abraham lebte in Mesopotamien, doch er folgte der göttlichen Aufforderung und zog mit seiner Frau Sara und seinem Neffen Lot von Haran aus – im türkischen Südosten gelegen – in das ihm versprochene Land Kanaan. Kanaan ist Palästina. Dort erhielt Abraham von Gott den Bescheid: «Deinen Nachkommen gebe ich dieses Land von dem Strom Ägyptens an bis an den grossen Strom, den Euphrat.»
Das Gebiet, das der Herr den Nachkommen Abrahams übergeben wollte, erstreckt sich über Teile Jordaniens und Syriens, über den Libanon, Israel selbst und die Sinai-Halbinsel von Ägypten. In diesem Versprechen Gottes wurzelt der Traum von einem Grossisrael, der in Israel noch heute nicht ganz ausgeträumt ist.
Danach zählte der Herr die Völker auf, die damals zwischen Euphrat und dem Nil lebten: «Die Keniter, die Kenasiter, die Kadmoniter, die Hetiter, die Perisiter, die Refaïter, die Amoriter, die Kanaaniter, die Girgaschiter und die Jebusiter.» Sie alle sollten dereinst ihr Land – nach der Verheissung Gottes – an Abrahams Erben verlieren.
Abraham war ein Nomade, weshalb er nicht in Kanaan blieb. Doch er kehrte mit seiner Familie dahin zurück und wurde im heutigen Westjordanland bei Hebron begraben. Eine Hungersnot zwang seinen Enkel Jakob, zusammen mit seinen zwölf Söhnen Kanaan zu verlassen und in Ägypten zu siedeln. Aus Jakobs Sippe entstand das Volk der Israeliten. Die 12 Söhne Jakobs wurden zu den «Stammvätern» Israels.
Doch Ägypten blickte argwöhnisch auf die Einwanderer, denn gemäss dem 2. Buch Mose waren «die Israeliten fruchtbar und wimmelten und mehrten sich und wurden überaus stark, so dass das Land von ihnen voll wurde.» Ein neuer Pharao versklavte deshalb das fremde Volk, um es in Schach zu halten. Damit begann eine lange Zeit der Unterwerfung für die Israeliten.
Nach vierhundert Jahren beschliesst Gott die Befreiung der Juden aus ihrer ägyptischen Knechtschaft. Er beauftragt Moses, das israelitische Volk seinem Versprechen gemäss in das Gelobte Land zu geleiten. Da die Ägypter ihre jüdischen Sklaven aber nicht freiwillig ziehen lassen, zaubert der Herr «zehn Plagen» über Ägypten herbei, unter ihnen die Stechmückenplage, die Viehpest, den Heuschreckensturm und den Hagelsturm.
Die Naturkatastrophen sollen den Ägyptern vor Augen führen, dass Gott stärker ist als ihre Götter, stärker selbst als die Natur. Daraufhin gibt der Pharao die Israeliten frei und diese verlassen Ägypten. Ihr Exodus wird zur eigentlichen Geburtsstunde des jüdischen Volkes.
Um ihrem Anführer Mose Mut zu machen, spricht der Herr zu ihm:
Siehe, ich sende einen Engel vor dir her, der dich behüte auf dem Wege und dich bringe an den Ort, den ich bestimmt habe. Wirst du auf seine Stimme hören und alles tun, was ich dir sage, so will ich deiner Feinde Feind und deiner Widersacher Widersacher sein. (2/23)
Der Herr, der die Juden schon von den Ägyptern befreite, hält weiterhin seine schützende Hand über das Volk – als wäre es gleichsam sein Lieblingsvolk. Stellen sich den Israeliten auf ihrem Weg ins Gelobte Land ortsansässige Völker entgegen, so macht der Allmächtige kurzen Prozess: «Ich will sie vertilgen», verspricht er Moses. Und im gleichen markigen Ton fährt er fort:
Ich will meinen Schrecken vor dir her senden und alle Völker verzagt machen, wohin du kommst, auf dass alle deine Feinde vor dir fliehen. Ich will Hornissen vor dir her senden, und ich will vor dir her vertreiben die Hiwiter, Kanaaniter und Hetiter, bis du zahlreich bist und das Land besitzt. Und ich will deine Grenze festsetzen von dem Schilfmeer bis ans Philistermeer und von der Wüste bis an den Euphratstrom. Denn ich will in eure Hand geben die Bewohner des Landes. Du sollst mit ihnen und ihren Göttern keinen Bund schliessen. Lass sie nicht wohnen in deinem Lande, sodass sie dich nicht verführen zur Sünde wider mich.
Und im 2. Buch Mose, Kapitel 24 wird Mose von Gott ermahnt, sich auf die Völker, die sie antreffen werden, nicht einzulassen:
Hüte dich, einen Bund zu schliessen mit den Bewohnern des Landes, in das du kommst, damit sie dir nicht zum Fallstrick werden in deiner Mitte; sondern ihre Altäre sollst du umstürzen und ihre Steinmale zerbrechen und ihre heiligen Pfähle umhauen; du sollst keinen andern Gott anbeten. Denn der Herr heisst ein Eiferer; ein eifernder Gott ist er.»
Vertilgen, verzagt machen, vor dir hertreiben, umstürzen, zerbrechen, umhauen: Spricht so der Allmächtige? Dieser Gott, der sich «Gott Israels» nennt, lässt keinen Zweifel an seiner Absicht, den Israeliten ein Gross-Israel zu gewähren, das unter seinem ewigen Schutz steht: «Denn ich werde die Völker vor dir ausstossen und dein Gebiet weit machen. Niemand soll dein Land begehren.
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Als das jüdische Volk die Grenze des «Gelobten Landes» erreicht – das heute Palästina, den Libanon und Jordanien umfasst –, spricht Gott zu Moses: «Sende Männer aus, die das Land Kanaan erkunden, das ich den Israeliten geben will.» (4/13)
Und Moses wendet sich an die Männer, die «Häupter der Israeliten»: «Seht euch das Land an, wie es ist, und das Volk, das darin wohnt, ob’s stark oder schwach ist; und was es für ein Land ist, darin sie wohnen, ob’s gut oder schlecht ist; und was es für Städte sind, in denen sie wohnen, und wie der Boden ist, ob fett oder mager. Seid mutig und bringt mit von den Früchten des Landes.»
Nach 40 Tagen kehren die Männer zurück und berichten Moses: «Wir sind in das Land gekommen, in das ihr uns sandtet; und wahrlich, Milch und Honig fliessen darin, und dies sind seine Früchte. Aber stark ist das Volk, das darin wohnt, und die Städte sind befestigt und sehr gross.»
Die Männer zaudern, ob das gegnerische Volk nicht zu mächtig ist, doch Moses beruhigt die Israeliten: «Fallt nur nicht ab vom Herrn und fürchtet euch vor dem Volk dieses Landes nicht, denn wir wollen sie fressen wie Brot. Es ist ihr Schutz von ihnen gewichen. Der Herr aber ist mit uns.» (4/14)
Und so dringen die Israeliten in das ihnen verheissene Territorium ein, werden sesshaft, wo man sie lässt, und vermischen sich mancherorts sogar mit den Einheimischen. Doch überall dort, wo sie auf Widerstand stossen, kennen sie keine Gnade. Wie zum Beispiel im 4. Buch Mose, Kapitel 31 beschrieben wird:
Da redete Mose mit dem Volk und sprach: Rüstet unter euch Leute zum Kampf gegen die Midianiter. Und sie nahmen aus den Tausenden Israels je tausend von einem Stamm, zwölftausend Mann gerüstet zum Kampf. Und sie zogen aus zum Kampf gegen die Midianiter, wie der Herr es Mose geboten hatte, und töteten alles, was männlich war. Samt diesen Erschlagenen töteten sie auch deren Könige. Und die Israeliten nahmen gefangen die Frauen der Midianiter und ihre Kinder; all ihr Vieh, all ihr Hab und Gut raubten sie und verbrannten mit Feuer die Städte, in denen sie wohnten, und auch ihre Zeltdörfer. Und sie nahmen die ganze Beute und brachten sie zum Lager in den Steppen Moabs gegenüber Jericho. Darauf wurde Mose zornig und sprach zu ihnen: Warum habt ihr die Frauen und Mädchen leben lassen? So tötet nun alle Knaben und alle Frauen, die schon einen Mann erkannt und bei ihm gelegen haben; aber alle Mädchen, die lasst für euch leben.
Offenbar ist der Herr mit dem Kriegszug zufrieden, denn er gebietet seinem Getreuen lediglich: «Nimm die gesamte Beute an Menschen und Vieh und gib die eine Hälfte denen, die in den Kampf gezogen sind, und die andere Hälfte der ganzen Gemeinde.»
Von Südosten her kommend überschreiten die Israeliten darauf den Jordan, wo sie in westlicher Richtung zum Mittelmeer ziehen und das Land der Kanaaniter erreichen, zu dem auch der heutige Gazastreifen gehört. Die Direktive des jüdischen Gottes lautet auch da:
Wenn ihr über den Jordan gegangen seid in das Land Kanaan, so sollt ihr alle Bewohner vertreiben vor euch her und alle ihre Götterbilder zerstören und alle ihre Opferstätten vertilgen und sollt das Land einnehmen und darin wohnen; denn euch habe ich das Land gegeben, dass ihr’s in Besitz nehmt.
Der Herr warnt die Israeliten aber davor, dass die Kanaaniter sich wehren könnten: «Wenn ihr die Bewohner des Landes nicht vor euch her vertreibt, so werden euch die, die ihr übrig lasst, zu Dornen in euren Augen werden und zu Stacheln in euren Seiten. Sie werden euch bedrängen in dem Lande, in dem ihr wohnt.» (4/33)
3000 Jahre später ist es die Hamas, die zu «Dornen» und «Stacheln» für die Eroberer wird. Auch die Israeliten von heute sind deshalb gut beraten, die Bewohner des Landes wie schon seinerzeit «vor sich her zu vertreiben». Damit niemand übrig bleibt, der vom Herrn nicht auserwählt ist.
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Nachdem die Israeliten das eroberte spätere Palästina mit dem Segen ihres Gottes zur neuen Heimat erkoren hatten, liessen sie sich dauerhaft darin nieder. Doch erst die Könige Saul und vor allem David und Salomo schufen Jahrhunderte später ein zusammenhängendes israelitisches Reich. Jerusalem, nach seiner Eroberung, wurde zur Hauptstadt erklärt. Die Untertanen der neuen Herren – heute wären es Palästinenser, Jordanier und Libanesen – mussten Tribute entrichten, Kriegsdienste leisten oder in Zwangsarbeit Tempel, Paläste und andere Bauten errichten.
Doch die Königreiche währten nur 100 Jahre. Danach zerfiel das Reich in zwei Hälften, und der Gott Israels konnte für sein Volk nichts mehr tun. Fremde Herrscher bemächtigten sich des Landes. Nach den Assyrern kamen die Babylonier, die den Tempel zerstörten und die Israeliten ins Exil trieben, wo sie sich erstmals als «Juden» bezeichneten. Nach den Babyloniern herrschten die Perser über das Land – die den Juden die Rückkehr erlaubten –, dann folgten die Griechen und später die Römer.
Doch die Juden – besonders die Strenggläubigen unter ihnen – glaubten noch immer daran, dass das Gelobte Land eigentlich ihnen gehöre. Hatte nicht Gott es ihnen gegeben? Dreimal erhoben sie sich gegen die Römer, dreimal wurden sie niedergeschlagen. Im letzten und besonders gewaltsamen Aufstand wurden Hunderttausende Juden getötet oder versklavt, und Roms Kaiser Hadrian, der sonst ein friedlicher Imperator war, verfügte danach ein Verbot über das Judentum.
Betroffen davon war vor allem die Provinz Judäa, das in etwa dem heutigen Staatsgebiet von Israel und Palästina entspricht. In Judäa hatten die meisten Juden gelebt. Doch der Grossteil der Überlebenden flüchtete ins Exil. Um die jüdische Prägung des Landes für immer auszulöschen, wurde Judäa von den Römern in «Syria Palästina» umgetauft. So ist der Name Palästina entstanden – während sich die Juden in alle Welt zerstreuten.
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Viele Jahrhunderte später, im Mittelalter, keimte unter europäischen Juden der Wunsch auf, in ihr Heiliges Land zurückzukehren. Dieser Wunsch wurde mit jedem Jahrhundert stärker – und erlangte mit dem Ende des Ersten Weltkriegs politische Sprengkraft. Nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches, dem auch Palästina angehört hatte, übernahm Grossbritannien im Auftrag des Völkerbundes die Verwaltung des Landes und versprach den Juden in aller Welt eine neue Heimat in Palästina. Die dort lebenden Menschen fragte man nicht, und noch vor dem Zweiten Weltkrieg hatten sich bereits mehrere hunderttausend jüdische Siedler in Palästina niedergelassen.
Doch erst der Holocaust führte dazu, dass sich der biblische Anspruch der Juden auf «ihr» Palästina erfüllte. Nach Kriegsende beschloss die UNO, dem jüdischen Volk einen eigenen Staat zu geben. Palästina wurde in zwei Teile geteilt: in einen arabischen und einen jüdischen Teil. Und von Anfang an bekamen die Juden mit 56 % mehr als die Hälfte des Territoriums.
So entstand Israel. Es war dies eine Entscheidung, wie sie in der Weltgeschichte ziemlich allein dasteht. Ein Volk bekommt ein Land buchstäblich geschenkt, das von Menschen bewohnt wird, die dort ihre Wurzeln haben. Die Meinung dieser Menschen tut nichts zur Sache, und auch die Nachbarstaaten des Landes dürfen nicht mitentscheiden, ob sie ein Volk in ihrer Mitte gutheissen wollen, das eine völlig andere Mentalität in die Region hineintragen wird.
Kaum gegründet, wurde deshalb der neue Staat Israel von seinen arabischen Nachbarn angegriffen. Doch der Krieg endete mit einem überwältigenden jüdischen Sieg – und führte dazu, dass sich Israel mit seinen 56 % nicht abfinden musste. Sein Staatsgebiet umfasste nun bereits 75 % des einstigen Palästina. Und in all den Jahrzehnten seither – wie wir alle wissen – haben die Israeli ihr Land weiter ausgedehnt. Die jüdischen Siedler besetzen immer mehr Teile des Westjordanlandes, und auch der Gazastreifen – oder was davon übrig ist – vegetiert im eisernen israelischen Griff.
Der Staat Israel kommt seinem Ziel immer näher. Und sein Ziel ist dasselbe wie vor 3 000 Jahren. Die Juden glauben im Grunde noch immer, dass ganz Palästina ihnen gehört. Weil es so in der Bibel steht. Weil Gott es ihnen versprochen hat. Und weil er ihnen auch freie Hand lässt. Weil er sie nicht moralisch dazu verpflichtet, mit den Menschen, die schon immer hier ansässig waren, in Frieden zusammenzuleben. Stattdessen ermutigt er sie, sich das Land zu nehmen, das ihnen gehört. Und seine Bewohner, die ihren Boden verteidigen, zu vertreiben. Oder notfalls zu töten. Nachzulesen im 4. Buch Mose.
Die Israeliten von heute handeln wie ihre Ahnen. Sie schnüren die Lebensadern der Palästinenser enger und enger, bis diese keine Luft mehr bekommen. Sie rauben ihnen das fruchtbare Land, das Wasser für die Olivenbäume, sie rauben ihnen den Strom und das Gas, sie zerstören ihr Eigentum, und wer in der Schusslinie steht, hat eben Pech gehabt.
Die modernen Israeliten liquidieren schon fast systematisch. 50 000 tote Palästinenser in Gaza in 17 Monaten, die Toten im Westjordanland nicht gerechnet – das sind biblische Dimensionen. Aber die Söhne und Töchter Israels glauben sich in ihrem Wüten und Töten von der Bibel bestätigt
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Ich habe – naiv, wie ich manchmal bin – geglaubt, die Bibel sei ein durch und durch spirituelles Werk. Doch die Lektüre der Bücher Mose, die als Kern des Alten Testaments gelten, hat mich mehr als nur irritiert. Ihre Lektüre hat mich erschüttert.
Es wird allgemein angenommen, dass Mose selbst die Urfassung der fünf Bücher niedergeschrieben hat. Mose war ein spirituell erleuchteter Mensch. Dennoch war er ein Mensch, ein Anführer und ein Mann. Ein Erdenbürger in seiner ganzen Beschränktheit. Vielleicht hat Gott tatsächlich zu ihm «gesprochen». Aber Mose wollte die Botschaften Gottes so und nicht anders hören. Er wollte hören, dass er zum Führer bestimmt ist – zum Führer über ein Volk, das von Gott besonders geliebt wird. Er wollte hören, dass das Gelobte Land den Israeliten gehört. Niemandem sonst. Und er wollte hören, dass die Bewohner des Landes aus dem Weg geräumt werden dürfen.
So gesehen, ist das, was Mose zu seinem Volk gesagt und später niedergeschrieben hat, Propaganda. So gesehen, ist seine Schilderung eine spirituell verbrämte politische Hetzschrift. Eine Anleitung zum Kolonialismus.
Doch die Bücher Mose gehören zur Bibel, die nicht als «normales» Buch gilt, sondern als «Heilige Schrift». Und in der westlichen, christlich geprägten Welt ist noch immer die Meinung verbreitet, dass das, was in der Bibel steht, «heilig» ist. Dass es eine Art ewige Wahrheit ist. Zwischen dem Neuen und dem Alten Testament wird dabei nicht unterschieden. «Gott» ist in beiden Teilen der gleiche Gott.
Das stimmt aber nicht. Der in den Büchern Mose beschriebene Gott ist kein Allmächtiger, der alle Menschen in sein himmlisches Herz schliesst. Der Herr, wie ihn Mose beschreibt, ist ein parteiischer Gott, ein «Eiferer», wie er selbst sagt, der nur dem jüdischen Volk seine Liebe schenkt. 4. Mose, Kapitel 35: «Denn ich bin der Herr, der mitten unter den Israeliten wohnt.»
Der Gott des Neuen Testaments würde zu Mose ganz anders sprechen. Er würde das jüdische Volk nicht ermutigen, andere Völker zu knechten. Er würde den Juden nicht einreden wollen, dass sie etwas Besonderes sind. Kommt uns das nicht bekannt vor? Hat nicht auch der nationalsozialistische «Gott» zu den Deutschen gesprochen und sie glauben gemacht, dass ihr Volk über anderen Völkern steht?
Nach wie vor erteilt die Heilige Schrift den Juden Absolution. Nach wie vor wird in der westlichen Welt anerkannt, dass Palästina dem Volk der Juden zu Recht gehört. Nach wie vor toleriert der westliche Mainstream, dass die Israeliten, um «ihr» Land zu verteidigen, vor nichts zurückschrecken müssen.
Nicht Gott – der wahre, liebende Gott – hat den Juden Palästina geschenkt. Sie haben es sich genommen. Das war in den alten Zeiten so üblich. Aber heute nicht mehr. Heute kann sich niemand mehr auf Eroberungen vor 3000 Jahren berufen. Die Juden aber tun es. Sie werden es weiterhin tun. Sie glauben sich auserwählt, das Gelobte Land zu besitzen, und sie wollen es mit niemandem teilen.
Der israelische Publizist Gideon Levy über Israels Unantastbarkeit