Der Propaganda-Schlüssel

Schweizer Qualitätsmedien betreiben systematisch Kriegspropaganda. Auf der Website von «Swiss Propaganda Research» finden sich entsprechende Studien zur Berichterstattung von NZZ, SRF und ZDF sowie die zehn Botschaften der Kriegspropaganda.

Flagge von Syrien rot-weiss-schwarz quer gestreift mit zwei grünen Sternen im mittleren weissen Drittel, die im Wind weht und links ausgefranst ist
Einseitig: Die Berichterstattung zum Syrienkrieg in den Schweizer Medien. (Bild: Claudia Fahlbusch)

Am 12. November 2019 publizierte die NZZ einen Artikel des deutschen Schriftstellers Christoph Brumme über negative Entwicklungen auf der russischen Krim. «In Kiew atmet der Westen, auf der Strasse sind Musiker, Jongleure und Freaks - auf der Krim herrscht Zucht und es mangelt an Charme», titelt der Autor und berichtet in seinem Artikel vom negativen Einfluss Russlands auf die Bevölkerung. Ihm gemäss sind die Ukrainer alle freiheitliebend, verlachen Autoritäten und haben eine «Kultur der Moral», während die Russen es vorziehen, unter der Knute zu leben. Christoph Brumme ist mit einer Ukrainerin verheiratet und lebt in Poltawa in der Ostukraine, also quasi vor Ort, was uns als Leser/innen natürlich beeindruckt, denn er muss es ja wissen.

Der Journalist Christian Müller war im Frühling dieses Jahres ebenfalls auf der Krim und erlebte eine gänzlich andere Stimmung, die er in einem Artikel im Infosperber auch mit eigenen Fotos belegt. Seiner Meinung nach greift die NZZ mit dem Artikel von Brumme in die Anti-Russland-Klischee-Kiste - und nicht nur damit: Unter «Meinung & Debatte» publiziert die NZZ Artikel von Gastautoren, wobei gemäss Infosperber hier auch Autoren zum Zug kommen, die direkt von NATO-nahen Organisationen bezahlt sind.

Link: So verpackt die NZZ Falschinformationen in «Meinungen».

Tendenziöse Berichterstattung hat bei den Schweizer Qualitätsmedien Tradition. Grund dafür sind mediale Narrative, wie sie bei geopolitischen Konflikten oftmals vorgegeben werden. Wer sich nicht an das gewünschte Narrativ hält, riskiert als Journalist oder Verlag Ruf und Karriere oder kommt gar nicht erst zu Wort - weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Und was sein darf, darüber bestimmt hierzulande das transatlantische Bündnis, das Solidarität mit den USA einfordert.

Bevor ich im Frühling 2018 nach Syrien reiste, fragte ich bei verschiedenen Medien an, ob Interesse an einem Beitrag aus der Feder einer unabhängigen Journalistin bestehe. Ich bot auch an, bestimmte Themen vor Ort zu recherchieren oder ein spezielles Thema zu berücksichtigen.

Es bestand kein Interesse, von niemandem. Einzig der Rubikon veröffentlichte nach meiner Rückkehr aus Syrien ein ausführliches Interview, das man hier lesen kann. Unsere «Qualitätsmedien» hielten und halten sich an das gängige Narrativ, wonach Assad ein Diktator und «Schlächter» ist, der sein eigenes Volk mit Fassbomben bewirft. Das ist Kriegspropaganda.

Nun fragen Sie sich vielleicht: Woran erkenne ich tendenziöse Berichterstattung? Kriegspropaganda? Manipulation? Und wem kann ich überhaupt noch trauen?

Es bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als selber zu denken. Unterstützung erhalten Sie dabei von «Swiss Propaganda Research« (SPR), einem Forschungsprojekt zu geopolitischer Propaganda in Schweizer und internationalen Medien. Auf der Website finden Sie unter anderem den Propaganda-Schlüssel, der über zwei Dutzend mediale Manipulationstechniken benennt, sowie die zehn häufigsten Botschaften der Kriegspropaganda.

Link: Hier geht’s direkt zum Propaganda-Schlüssel.

Was auffällt: Viele Medien berichten über bestimmte Themen unisono. Auch dafür gibt es eine Erklärung. Gemäss «Swiss Propaganda Research» werden über 90 Prozent des Schweizer Markts von nur noch fünf Medienhäusern bedient, nämlich von Tamedia, Ringier, NZZ Medien und AZ Medien sowie der SRF. Der Zürcher Tages-Anzeiger, so heisst es weiter, schreibt viele seiner Auslandsberichte nicht mehr selbst, sondern bezieht sie im Rahmen einer umfassenden Kooperation von der Süddeutschen Zeitung. Über den Onlinedienst Newsnet (betrieben von der Tamedia AG) würden Aus­lands­be­rich­te des Tagi zudem an andere Schwei­zer Zei­tungen wei­ter­ge­reicht. Auf diese Weise er­scheinen Beiträge der Süd­deutschen Zeitung via Tages­-Anzeiger und Newsnet zu­sätz­lich im Berner Bund und der Basler Zeitung. Meinungsvielfalt? Fehlanzeige.

Zudem gewinnt der deutsche Mediengigant Axel Springer auch in der Schweiz zunehmend an Einfluss. Er ist gemäss SPR bis heute tief in den US-Machtstrukturen verwurzelt und verpflichtet seine Journalisten vertraglich zur «Solidarität in der freiheitlichen Wertegemeinschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika».

Die kritisierten Medien üben ihrerseits Kritik an «Swiss Propaganda Research», dessen Betreiber anonym bleiben, um sich keinen Repressalien auszusetzen. Diese Kritik kann ich nachvollziehen; mir wäre auch lieber, ich wüsste, wer dahinter steckt und wie das Ganze finanziert wird. Andererseits hat  nicht jeder ein so dickes Fell und eine Community wie Daniele Ganser. Der Schweizer Historiker und Friedensforscher wird von den «Qualitätsmedien» und auf Wikipedia systematisch diffamiert und als Verschwörer angeprangert. Er verlor seine gut bezahlte Dozentenstelle an der ETH, weil er gängige Narrative in Frage stellt (was er trotz Schikanen weiterhin tut, weil er, wie er sagt, ansonsten den Rücken nicht mehr gerade bekäme).

Es gilt: Selber denken, sich über Hintergründe informieren (ja, das kann aufwändig sein und kostet Zeit) und insbesondere darüber, wer von einer Sache profitiert. Zu wessen Vorteil ist die Berichterstattung? Auf wessen Mühle geht das Wasser? Wer hat etwas davon, wenn die Öffentlichkeit so oder anders denkt?

Empfehlenswert ist auch die Prüfung verschiedener Standpunkte und Quellen. Als Gegenstück zu NZZ und SRG bieten sich beispielsweise RT Deutsch und Sputnik an. Die machen natürlich auch Propaganda. Die Wahrheit dürfte also irgendwo dazwischen liegen.

Mehr dazu

- Medien mit Tunnelperspektive? Artikel auf medienkultur.at
- Sammlung von Beiträgen über Massen-/Mainstream-Medien bei fairCH
- KenFM im Gespräch mit Dr. Daniele Ganser über Medienkompetenz und Kriegspropaganda
(1.08.41 Min.)