Der selbstzerstörerische Energiebluff der EU
Es ist unmöglich, von russischem Öl und Gas wegzukommen, ohne weite Teile der Industrie lahmzulegen. Zudem ist mit wesentlich höheren Preisen zu rechnen, die die Konsumenten in Europa bezahlen müssen.
Die EU kündigte letzte Woche die sechste Runde von Sanktionen gegen Russland an, die wie die fünf vorangegangenen darauf abzielt, dessen Möglichkeiten zur Finanzierung des Krieges in der Ukraine zu unterbinden. Doch wenn sie so beschlossen wird, wird sie höchstens dazu beitragen, die europäischen Volkswirtschaften zu zerstören.
Bei den neuen Sanktionen geht es um den Ausschluss der Sberbank aus dem Abrechnungssystem SWIFT, ein Ölembargo innerhalb von sechs Monaten, ein Embargo für Ölprodukte innerhalb eines Jahres sowie die Aussetzung von Dienstleistungen von Beratungsfirmen für russische Unternehmen. Betroffen sind weiter 58 Personen, darunter angebliche Verbrecher von Butscha, die Familie von Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sowie Patriarch Kirill, hinzu kommen der
Mit der Ankündigung des Ölembargos in einem halben Jahr hilft die EU Russland ironischerweise, indem sie einen Anstieg der Ölpreise und damit potentiell seiner Einnahmen auslöst. Die europäischen Verbraucher werden diesen Anstieg an der Tankstelle und in den Produktionsstätten finanzieren.
Unterdessen hat Russland Zeit, neue Abnehmer für das Öl zu finden, was viel einfacher ist als bei Erdgas, da es für den Transport nicht verflüssigt werden muss. Zudem machen Russlands Ölexporte in die EU nur 2,6% der Wirtschaftsleistung aus. Es ist also nicht gerade ein tödlicher Schlag.
Dann ist da noch Brüssels Plan, die Abhängigkeit vom russischen Gas zu verringern. Nach einer Einschätzung des Forschungszentrums Jülich, worüber der Spiegel berichtet, kann die EU das Ziel, die Gasspeicher zwei Drittel zu füllen – eine Voraussetzung für die Verringerung der russischen Importe im nächsten Winter –, nur erreichen, wenn wichtige Industrien in den kommenden Monaten abgeschaltet werden.
Die Experten gehen davon aus, dass alle (!) Stahl-, Chemie- und Zementwerke in der EU von jetzt an bis Ende Juli vom Gas abgeschnitten werden müssten, damit die Speicher bis zum 1. August zu 63% gefüllt sein können, und dass die Gaskraftwerke fast den gesamten Juli ruhen müssten. Dies bedeutet die Stillegung eines grossen Teils der Industrie und Kurzarbeit oder sogar Entlassungen für mehrere Millionen Arbeitnehmer.
Eine Befüllung der Speicher entsprechend der geplanten Mengen und gleichzeitig eine so gravierende Reduzierung der Lieferungen aus Russland werde nur unter erheblichen Einschränkungen für Industrie und Kraftwerke möglich sein, betonte Prof. Jochen Linsen vom Forschungszentrum Jülich.
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Der Text stammt aus dem (kostenpflichtigen) Newsletter des Schiller-Instituts.
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