Der Tag, an dem der Petrodollar starb

Russland verkauft seine Güter nur noch gegen Rubel, Erdgas sofort, alles andere etwas später. Für den Westen bedeutet dies, dass er zur Bezahlung der essenziellen russischen Güter nicht mehr Dollars drucken kann, sondern Rubel verdienen muss. Betroffen ist auch die Schweiz, da sie ihre Neutralität aufgegeben hat und die Sanktionen der EU mitträgt.

Illustration: © ron&joe

Der 23. März 2022 ist ein Tag für die Geschichtsbücher. Heute kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, Russland werde in nächster Zukunftt für seine Exporte keine Zahlungen in Währungen feindlicher Staaten mehr akzeptieren, und zwar sofort für Erdgas und später für alles andere. Bestehende Verträge werden honoriert, aber auf Zahlungen un Rubel umgeschrieben.

In der Folge wertete sich der Rubel gegenüber dem US-Dollar sofort auf. Er steht derzeit bei 98,5₽/$ gegenüber 139,0₽/$ am 7. März – ein Plus von fast 30 Prozent in etwas mehr als zwei Wochen. Gleichzeitig stiegen die auf Dollar lautenden Preise für Erdöl und Erdgas sprunghaft an.

Dies ist die vollständige offizielle Liste der feindlichen Länder: Australien, Albanien, Andorra, Grossbritannien, alle Mitglieder der Europäischen Union, Island, Kanada, Liechtenstein, Mikronesien, Monaco, Neuseeland, Norwegen, Südkorea, San Marino, Nordmazedonien, Singapur, USA, Taiwan (eine Provinz Chinas), die Ukraine, Montenegro, die Schweiz und Japan.

Und hier ist eine unvollständige Liste der wichtigsten strategischen Exporte Russlands, für die es keinen Ersatz gibt: Erdöl, Erdgas, Weizen, Düngemittel, Titan, Saphir für die Halbleiterherstellung, Nickel, angereichertes Uran, Raketentriebwerke... Feindlich gesinnte Nationen werden ohne diese wichtigen Rohstoffe und Güter nicht in der Lage sein, ihre Geschäfte wie gewohnt weiterzuführen.

Die feindlichen Staaten wiederum werden aufgrund der Sanktionen gegen Russland wahrscheinlich nicht genügend Rubel aufbringen können, um diese Rohstoffe weiterhin zu kaufen. Viele Unternehmen haben ihre Geschäftstätigkeit in Russland ganz eingestellt (Siemens ist das jüngste grosse Opfer), und ihre Marktlücke in Russland wurde sofort von russischen Unternehmen übernommen.

Viele andere Unternehmen haben ihre Ausfuhren nach Russland auf das Wesentliche beschränkt, dazu  gehören jetzt u.a. Kartoffelchips, Lippenstift, Kinderschminke und viele andere unwesentliche Waren.

Eine Rückkehr zum Dollarhandel scheint für Russland unwahrscheinlich. Indem die USA den in Dollar gehaltenen russischen Staatsfonds blockierten, erklärten sie im Grunde ihre Zahlungsunfähigkeit und erwiesen sich als unzuverlässiger Partner. Weder Russland noch ein anderes Land hat einen Grund, irgendetwas gegen Dollar zu verkaufen, da die Erlöse aus solchen Transaktionen jederzeit beschlagnahmt werden können.

Umgekehrt werden die USA nicht mehr in der Lage sein, Dollars zu drucken (technisch gesehen zu leihen, aber da diese Schulden nie zurückgezahlt werden, handelt es sich im Grunde nur um gedrucktes Geld) und damit Importe zu kaufen; stattdessen werden sie gezwungen sein, Rubel zu verdienen, um das Öl zu kaufen, das sie für den Betrieb ihrer Raffinerien benötigen, oder das angereicherte Uran, das sie für die Stromerzeugung brauchen.

Aber was können die USA nach Russland exportieren, das einer russischen Nachfrage entspricht? Es müsste sich um Produkte handeln, nicht um Dienstleistungen, denn die Dienstleistungen, die Russland von den USA erhalten hat, sind höchst unbefriedigend. Es könnte sich auch nicht um Zahlungen für die Nutzung von Patenten, Softwarelizenzen und anderem geistigen Eigentum handeln: All dies ist für die Russen jetzt kostenlos.

Natürlich könnten die USA Gold verkaufen, aber die Goldreserven der USA wurden nicht geprüft, und es ist nicht bekannt, wie viel davon heimlich an China und andere Gläubigernationen verkauft wurde, um sie davon abzuhalten, ihre US-Schuldpapiere zu verkaufen.

Bleibt noch der Entzug von Vermögenswerten. In den 1990er Jahren, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, wurde dies in Russland in grossem Umfang durchgeführt. In meinem allerersten Artikel «Post-Sowjetische Lektionen für ein post-amerikanisches Jahrhundert» habe ich vorausgesagt, dass dies schliesslich auch in den USA geschehen würde. Und jetzt, kaum 22 Jahre nach dem Beginn des postamerikanischen Jahrhunderts, werden diese Vorhersagen demnächst wahr.
Es sind interessante Zeiten, nicht wahr?