Die Erschaffung der nächsten Welt
Über die Zukunft der Welt wird nicht nur in Think Tanks, Parlamenten und an Stammtischen nachgedacht, sondern auch in den Köpfen von besorgten einzelnen Menschen. Dann setzt man sich hin, schreibt über die Lösung einen langen Text und schickt ihn dem Zeitpunkt, der ihn erstens gut finden und zweitens verbreiten soll.
Damit beginnt eine der unangenehmsten Aufgaben unserer Bonsai-Redaktion: Den ganzen Text lesen und zusammenfassen? Oft nicht möglich, meist nicht angemessen. Den Absender auf später vertrösten, wenn vielleicht mehr Zeit zur Verfügung steht? Erst recht keine Lösung. Überhaupt nicht antworten? Kommt leider vor.
Aber dann gibt es Ausnahmen, wie zum Beispiel der Zürcher Berufsschullehrer Adrian Kübler, der uns vor kurzem mit «Operation Transit – die WPK-Bibel» beglückt hat. Der bei «Books on Demand» erschienene Wälzer mit knapp 600 Seiten und einem abschreckenden Feld-Wald-und-Wiesen-Umschlag hat es in sich. Kübler erzählt darin den Übergang von der Welt der Gegenwart zu einer Welt wie sie sein müsste. Als Vorlage dient ihm die Bibel mit 365 Geschichten von der Erschaffung der Welt über den Auszug aus Ägypten bis zur Kreuzigung. Wie die richtige Bibel, endet auch die WPK-Bibel (von Wirtschaft, Politik, Kultur) nicht mit der Erlösung, sondern nur mit deren Verheissung. Aber auf dem Weg zeigen sich viele Möglichkeiten – wir könnten uns erlösen, wenn wir nur wollten.
Das Buch ist in einer grammatikalisch weitgehend korrekten aber politisch sehr unkorrekten Sprache geschrieben. Kübler will «das Christentum der Indifferenz, der Anfeindung, dem Fundamentalismus und der Infantilität entreissen» und der Bibel «die Kraft zurückgeben, die Weltgeschichte zu antizipieren». Ob ihm das gelungen ist? Lesen Sie selber.
Als Leseprobe das erste Kapitel:
Die neueste aller neuen Weltordnungen
(Genesis 1: Gott erschafft die Welt)
Als die neue Weltregierung in Aktion trat, stellte sie fest, dass sich ihr Territorium in einem noch viel kaputteren Zustand befand, als ihre Mitglieder das während der Wahlkampagne behauptet hatten. Also machte sie sich unverzüglich daran, das unglaubliche Chaos zu beseitigen, welches ihre «Vorgängerinnen» und deren Drahtzieher hinterlassen hatten.
Zuerst wurde beschlossen, die Geheimniskrämerei in der Amtsführung zu verbieten und der Öffentlichkeit alle Entscheidungsprozesse und -produkte integral zugänglich zu machen. Damit war die geistige Umnachtung quasi auf der Stelle weg, und das Licht der Erkenntnis und des Wissens überstrahlte unmittelbar alle politischen Aktivitäten. Deshalb misteten sie gleich mal die gigantischen Akten- und Dateienberge aus, welche die Ministerien derart durchwuchert hatten, dass man sich dort schon rein physisch kaum mehr bewegen konnte. Dadurch wurden auch die Köpfe der Beamten wieder frei, was unmittelbar zugunsten der Ausarbeitung einer den Anforderungen der Gegenwart endlich gerecht werdenden Weltverfassung genutzt wurde. Diese stiess auf grosse Begeisterung, denn sie war sehr schlank und für alle sofort verständlich. Man unterteilte den Globus in elf bis aufs Äusserste autonome «Kontinentalzonen», welche ihren Nationen wiederum gewaltige Gestaltungsspielräume garantierten. Dasselbe galt schliesslich auch für die Regionen, Landkommunen und Stadtquartiere, das heisst, das Mass aller Dinge stellte nun der/die individuelle Weltbürger/in und nicht mehr «historisch verwachsene» Monstren wie die UNO oder die EU und deren Unter-, Spezial-, Sonderorganisationen, -agenturen, -fonds usw. Von den Drahtziehern ganz zu schweigen, denn auch der Lobbyismus und die Finanzierung von Werbekampagnen unterlagen fortan dem Transparenzprinzip.
Nun musste man den Knochen aber noch das Fleisch umhängen. In der Verfassung stand, dass jede Regierungsebene genau sieben Ministerien hat, nicht mehr und nicht weniger: Präsidium, Sicherheit/Justiz, Wirtschaft, Umwelt/Infrastruktur, Soziales/Gesundheit, Kultur/Bildung und Ressourcen. Und alle sahen schnell, dass das gut war so, dass es nämlich gar nicht mehr geben durfte, wenn man intelligente und griffige Gesetze oder Verordnungen haben wollte. Im gleichen Zug erreichte die Produktivität in den Amtsstuben bislang völlig ungekannte Höchstwerte. Die einzelnen Ministerinnen und Minister mussten sich kaum mehr um die Ressourcenbewirtschaftung kümmern; sie konnten sich mit der Zeit sogar etwas zurücklehnen und sich reinen Gewissens auf die Schultern klopfen. Ihren Beamten sagten sie einfach: «Bleibt fruchtbar und mehret euch nicht.»
Adrian Kübler: Operation Transit – die WPK-Bibel. Books on Demand, 2013. 576 S. Fr. 45.90/€ 37.–.
Der Autor führt unter der Adresse www.pelesp.ch einen Blog über Geld, Gesetz und Geist (pecunia, lex, spiritus).
Damit beginnt eine der unangenehmsten Aufgaben unserer Bonsai-Redaktion: Den ganzen Text lesen und zusammenfassen? Oft nicht möglich, meist nicht angemessen. Den Absender auf später vertrösten, wenn vielleicht mehr Zeit zur Verfügung steht? Erst recht keine Lösung. Überhaupt nicht antworten? Kommt leider vor.
Aber dann gibt es Ausnahmen, wie zum Beispiel der Zürcher Berufsschullehrer Adrian Kübler, der uns vor kurzem mit «Operation Transit – die WPK-Bibel» beglückt hat. Der bei «Books on Demand» erschienene Wälzer mit knapp 600 Seiten und einem abschreckenden Feld-Wald-und-Wiesen-Umschlag hat es in sich. Kübler erzählt darin den Übergang von der Welt der Gegenwart zu einer Welt wie sie sein müsste. Als Vorlage dient ihm die Bibel mit 365 Geschichten von der Erschaffung der Welt über den Auszug aus Ägypten bis zur Kreuzigung. Wie die richtige Bibel, endet auch die WPK-Bibel (von Wirtschaft, Politik, Kultur) nicht mit der Erlösung, sondern nur mit deren Verheissung. Aber auf dem Weg zeigen sich viele Möglichkeiten – wir könnten uns erlösen, wenn wir nur wollten.
Das Buch ist in einer grammatikalisch weitgehend korrekten aber politisch sehr unkorrekten Sprache geschrieben. Kübler will «das Christentum der Indifferenz, der Anfeindung, dem Fundamentalismus und der Infantilität entreissen» und der Bibel «die Kraft zurückgeben, die Weltgeschichte zu antizipieren». Ob ihm das gelungen ist? Lesen Sie selber.
Als Leseprobe das erste Kapitel:
Die neueste aller neuen Weltordnungen
(Genesis 1: Gott erschafft die Welt)
Als die neue Weltregierung in Aktion trat, stellte sie fest, dass sich ihr Territorium in einem noch viel kaputteren Zustand befand, als ihre Mitglieder das während der Wahlkampagne behauptet hatten. Also machte sie sich unverzüglich daran, das unglaubliche Chaos zu beseitigen, welches ihre «Vorgängerinnen» und deren Drahtzieher hinterlassen hatten.
Zuerst wurde beschlossen, die Geheimniskrämerei in der Amtsführung zu verbieten und der Öffentlichkeit alle Entscheidungsprozesse und -produkte integral zugänglich zu machen. Damit war die geistige Umnachtung quasi auf der Stelle weg, und das Licht der Erkenntnis und des Wissens überstrahlte unmittelbar alle politischen Aktivitäten. Deshalb misteten sie gleich mal die gigantischen Akten- und Dateienberge aus, welche die Ministerien derart durchwuchert hatten, dass man sich dort schon rein physisch kaum mehr bewegen konnte. Dadurch wurden auch die Köpfe der Beamten wieder frei, was unmittelbar zugunsten der Ausarbeitung einer den Anforderungen der Gegenwart endlich gerecht werdenden Weltverfassung genutzt wurde. Diese stiess auf grosse Begeisterung, denn sie war sehr schlank und für alle sofort verständlich. Man unterteilte den Globus in elf bis aufs Äusserste autonome «Kontinentalzonen», welche ihren Nationen wiederum gewaltige Gestaltungsspielräume garantierten. Dasselbe galt schliesslich auch für die Regionen, Landkommunen und Stadtquartiere, das heisst, das Mass aller Dinge stellte nun der/die individuelle Weltbürger/in und nicht mehr «historisch verwachsene» Monstren wie die UNO oder die EU und deren Unter-, Spezial-, Sonderorganisationen, -agenturen, -fonds usw. Von den Drahtziehern ganz zu schweigen, denn auch der Lobbyismus und die Finanzierung von Werbekampagnen unterlagen fortan dem Transparenzprinzip.
Nun musste man den Knochen aber noch das Fleisch umhängen. In der Verfassung stand, dass jede Regierungsebene genau sieben Ministerien hat, nicht mehr und nicht weniger: Präsidium, Sicherheit/Justiz, Wirtschaft, Umwelt/Infrastruktur, Soziales/Gesundheit, Kultur/Bildung und Ressourcen. Und alle sahen schnell, dass das gut war so, dass es nämlich gar nicht mehr geben durfte, wenn man intelligente und griffige Gesetze oder Verordnungen haben wollte. Im gleichen Zug erreichte die Produktivität in den Amtsstuben bislang völlig ungekannte Höchstwerte. Die einzelnen Ministerinnen und Minister mussten sich kaum mehr um die Ressourcenbewirtschaftung kümmern; sie konnten sich mit der Zeit sogar etwas zurücklehnen und sich reinen Gewissens auf die Schultern klopfen. Ihren Beamten sagten sie einfach: «Bleibt fruchtbar und mehret euch nicht.»
Adrian Kübler: Operation Transit – die WPK-Bibel. Books on Demand, 2013. 576 S. Fr. 45.90/€ 37.–.
Der Autor führt unter der Adresse www.pelesp.ch einen Blog über Geld, Gesetz und Geist (pecunia, lex, spiritus).
05. Oktober 2013
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