Die erste Bank für die Vollgeld-Initiative: die Freie Gemeinschaftsbank
Die Freie Gemeinschaftsbank in Basel ist die erste Bank, die sich für die Vollgeld-Initiative ausspricht. Die Interessenkonflikte zwischen Grossbanken und kleineren Instituten werden dafür sorgen, dass weitere folgen, vielleicht noch vor der Abstimmung.
Man mag von den Anthroposophen halten, was man will, aber wenn es um Transparenz im Geldwesen und Banking geht, ist ihre «Freie Gemeinschaftsbank» in Basel einsame Weltspitze. Nicht nur war sie die erste Bank im deutschen Sprachraum (und vermutlich auf der Welt), die ihren Kunden die Geldschöpfung aus dem Nichts erklärte (am 17. August 2016, hier Bericht), sie ist jetzt auch die erste Bank, die sich öffentlich, positiv und in klaren Begriffen zur Vollgeld-Initiative äussert. So schreibt Geschäftsleitungsmitglied Jean-Marc Decressonnière in der neusten Ausgabe ihrer Kundenzeitschrift «Transparenz» [sic!], es sei erstaunlich, dass die Bundesverfassung auch nach ihrer Totalrevision vom Jahr 2000 unverändert vom Bargeld geprägt sei und die Geldhoheit des Bundes auf dieses beschränkt bleibe. «Der verfassungsrechtliche Grundsatz, dass das Geldwesen Sache des Bundes sei, ist somit massiv ausgehöhlt.»
Er zitiert kritisch die Jubiläumsschrift der Nationalbank von 2007, die festhält, das von den Banken geschöpfte Buchgeld könne nicht Gegenstand einer gesetzlichen Regelung sein, da in einer freien Wirtschaft die Ausgabe solcher Zahlungsmittel dem Spiel der Marktkräfte überlassen werden müsse.(1) «Dieses Bekenntnis zum Wirtschaftsliberalismus», schreibt Decressonnière, «lässt allerdings die Frage unbeantwortet, warum Bargeld und Buchgeld – zwei ihrer Zahlungsmittelfunktion nach äquivalente Geldformen, die sich nur in ihrer stofflichen Ausprägung unterscheiden – nicht denselben verfassungsrechtlichen bzw. gesetzlichen Massstäben unterliegen. Die Grenze zwischen Staat und Markt ist in Bezug auf das Geldwesen willkürlich gezogen.»(2)
Angesichts des gewaltigen Marktversagens, das wir in der Bankenbranche erlebt haben, erscheint es konsequent, das Geld- und Währungswesen einschliesslich des Buchgeldes dem profitgetriebenen Geschäftsbankensystem gänzlich zu entziehen.
Man kann nach Ansicht von Decressonnière seit der Finanzkrise nicht mehr ernsthaft dafür eintreten, das Geldwesen «dem freien Spiel der Marktkräfte anheimzustellen». Und: «Angesichts des gewaltigen Marktversagens, das wir in der Bankenbranche erlebt haben, erscheint es konsequent, … das Geld- und Währungswesen einschliesslich des Buchgeldes dem profitgetriebenen Geschäftsbankensystem gänzlich zu entziehen und auf ein Organ zu übertragen, das dem ‹Gesamtinteresse des Landes› verpflichtet ist. Genau das ist das Anliegen der Vollgeldinitiative.» Chapeau!
Die Freie Gemeinschaftsbank beschränkt sich jedoch nicht darauf, in vornehmer Zurückhaltung die Motive der Initianten zu würdigen, sondern bekennt auch Farbe: «Ein grosses Verdienst der Initiative ist es, dass sie uns mit der kritischen Bestandsaufnahme und gedanklichen Durchdringung des herrschenden Geldsystems von der Blindheit befreit hat, mit der wir bis anhin – ebenso wie die allermeisten anderen Banken – geschlagen waren in Bezug auf die Prozesse der Geldschöpfung und Geldvernichtung, in die wir als Geschäftsbank involviert sind. Zum anderen zeigt die Vollgeldreform die Perspektive auf, dass wir als Bank (ebenso wie alle anderen Geschäftsbanken) tatsächlich zu dem werden, was wir bislang zu sein meinten und öffentlich zu sein vorgaben: ein Vermittlungsorgan zwischen den Geldgebenden und den Geldnehmenden, eine ‹partnerschaftliche Mittlerin zwischen Menschen, die Gelder für Initiativen zur Verfügung stellen wollen, und Menschen, die mit diesen Geldern Ideen in die Tat umsetzen›.»
«Das moderne Bankensystem erzeugt Geld aus dem Nichts. Dieser Prozess ist vielleicht der erstaunlichste Taschenspielertrick, der jemals erfunden wurde.»
Dem mutigen Vorstoss der «Freien Gemeinschaftsbank» werden mit Sicherheit andere folgen, vielleicht sogar schon vor der Abstimmung. Zum Einen folgten nach der ersten Veröffentlichung der Gemeinschaftsbank vom August 2016 andere, zum Beispiel die Aargauer Kantonalbank mit der Broschüre «Wie Banken Geld schaffen» von Prof. Mathias Binswanger. In dieser Publikation finden sich so bemerkenswerte Zitate wie dieses von Lawrence Lee Bazley Angas: «Das moderne Bankensystem erzeugt Geld aus dem Nichts. Dieser Prozess ist vielleicht der erstaunlichste Taschenspielertrick, der jemals erfunden wurde.» «Ich habe selten ein derart erleuchtendes Essay über die gegenwärtige Lage im Finanzbereich gelesen», kommentiert René Chopard, Mitglied der Geschäftsleitung im Vorwort.
Es kann nicht im Interesse der kleineren und mittleren Banken sein, ihre Kunden aus der Realwirtschaft einem immer grösser werdenden Druck auszusetzen.
Zum Andern ist die Interessenlage der Banken in der Vollgeld-Frage gespalten. Während bei den Grossbanken 90 Prozent des aus dem Nichts geschaffenen Neugeldes in die Finanzwirtschaft fliessen und der Spekulation dienen, liegt dieser Anteil bei kleineren Banken wesentlich tiefer. Sie finanzieren die Realwirtschaft, die von der synthetischen Hochprofitabilität der Finanzanlagen unter Druck gesetzt wird und die Produktion zunehmend in Billiglohnländer auslagern muss. Es kann nicht im Interesse der kleineren und mittleren Banken sein, ihre Kunden aus der Realwirtschaft einem immer grösser werdenden Druck auszusetzen.
Und schliesslich wird sich früher oder später die Wahrheit durchsetzen. Die Bankiervereinigung wurde von der Vollgeld-Initiative zum Handeln gezwungen und musste stillschweigend zugeben, dass die Banken Geld aus dem Nichts schöpfen. Vorläufig versucht sie noch, diese für das Bankengeschäft zentrale Erkenntnis mit eigentlichen Kampfbegriffen zu entschärfen. So behauptet sie zum Beispiel in einer Information zu Handen aller Bankmitarbeiter der Schweiz vom 31. Januar 2018, «die Geschäftsbanken könnten als Folge [der Vollgeld-Initiative] keine Kredite mehr gewähren, die wie heute durch Sichteinlagen finanziert werden». Durch Sichteinlagen finanzieren – das tönt nach Aufwand im Gegenwert der Kreditsumme. In Tat und Wahrheit geht es aber um Geldschöpfung aus dem (Quasi-)Nichts, wofür die Banken 2,5 Prozent Mindestreserve und etwas Eigenkapital brauchen. Solche Kampfbegriffe lösen sich in Luft auf, sobald die Kunden es genauer wissen wollen, z.B. wie teuer denn eine solche Finanzierung durch Sichteinlagen tatsächlich ist. Allein diese einfache Frage wird viele Bankmitarbeiter überfordern.
Seit ich 1987 den ersten Bericht über die damals noch junge Freie Gemeinschaftsbank geschrieben habe, ist diese Bank für mich die beste. Sie ist konservativ und gemeinwohlorientiert in ihrer Anlagepolitik und mutig und klar in ihren Aussagen nach aussen. Mit ihrem neusten Schritt hat sie ihren Vorsprung erneut ausgebaut.
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(1) Schweizerische Nationalbank (Hrsg.), Die Schweizerische Nationalbank 1907-2007, Zürich 2007, S. 532
(2) Das Wesen des Geldes ist nicht von der körperlichen Erscheinungsform, sondern durch seine Funktion als Zahlungsmittel geprägt. In diesem Sinne ist Geld substanzindifferent.(vgl. Frank Vischer, Geld- und Währungsrecht im nationalen und internationalen Kontext, Basel 2010, S. 14ff.)
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