Die Individualisierung von Elend und Erfolg

Im Kapitalismus kämpft jeder gegen jeden – mit einer bedrohlichen Zunahme der Konflikte auf allen Ebenen. In seinem neuen Buch «Raus aus dem Ego-Kapitalismus» plädiert der Entwicklgungsökonom Patrick Kaczmarczyk für eine Rückkehr zu den christlichen Prinzipien.

(Bild: Arno Senoner, unsplash.com)

Die beängstigende Entwicklung der letzten Jahre ist das Ergebnis einer Politik, die im rücksichtslosen Gegeneinander von Menschen, Unternehmen und Staaten den Motor des wirtschaftlichen Fortschritts sieht.

Das sagt der Entwicklungsökonom Patrick Kaczmarczyk in seinem neuen Buch «Raus aus dem Ego-Kapitalismus». Seine Suche nach möglichen Auswegen aus dem drohenden sozio-ökonomischen wie ökologischen Desaster führt Kaczmarczyk bis in die katholische Soziallehre. Diese weist einen überraschenden Reichtum an Prinzipien und Leitbildern auf, die dem wirtschaftspolitischen Egoismus in fundamentaler Weise entgegenstehen.

Die Individualisierung von wirtschaftlichem Elend und Erfolg führt dazu, dass normative Debatten, Gerechtigkeitsfragen sowie das Gefühl von Solidarität oder Unmut gar nicht erst aufkommen.

Wenn Marktergebnisse das wertneutrale Resultat individueller Entscheidungen sind, wer sollte darüber entscheiden, ob sie gerecht oder ungerecht sind? Eine Debatte über die Gerechtigkeit und Verhältnismäßigkeit der Marktergebnisse ist in einer solchen Welt ähnlich zielführend wie eine Diskussion der Frage, ob die Schwerkraft gerecht oder ungerecht ist.

Der Markt regelt es. Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Dieses Denken hat sich in weiten Teilen der Öffentlichkeit und Politik festgesetzt.

Wie sonst könnten wir es akzeptieren, dass im Bahnhofsviertel in Frankfurt Zustände herrschen, die wir sonst nur aus der Dritten Welt kennen? Drogenabhängige und Obdachlose, die in unerträglichem Elend vor heruntergekommenen Bordellen und Cafés schlafen, während wenige Meter weiter die Skyline in den Himmel ragt und die Banker hinter den Glasfassaden mit Millionen-Boni nach Hause gehen. Boni, die sie mitunter damit verdienten, dass sie Wetten auf Währungen und Rohstoffe abgeschlossen haben, die am anderen Ende der Welt ins Chaos führen.

Für Kaczmarczyk steht fest: Ohne eine Abkehr vom Ego-Kapitalismus sind die gegenwärtigen Krisen bloß ein Vorgeschmack auf all das, was uns in Zukunft noch droht. Den Ausweg aus dem Dilemma sieht der Autor in der  Wiederherstellung der ethischen Prinzipien des Christentums.

Dr. Patrick Kaczmarczyk ist Entwicklungsökonom. Zuletzt arbeitete er als Berater für die Vereinten Nationen zur Finanzmarktstabilität im globalen Süden sowie der wirtschaftlichen Entwicklung in Ostafrika. Derzeit ist er in als wirtschaftspolitischer Referent in Berlin tätig. Er promovierte als Stipendiat des Economic and Social Research Council (ESRC) am Institut für politische Ökonomie der Universität Sheffield. Im Westend Verlag erschien zuletzt »Kampf der Nationen« (2022).
 
cover KaczmarczykPatrick Kaczmarczyk: «Raus aus dem Ego-Kapitalismus. Für eine Wirtschaft im Dienst des Menschen», 92 Seiten, Westend Verlag, € 22.–.
 

 

 

Kommentare

Wenn das Gelesene die Realität macht

von juerg.wyss
Im Kapitalismus kämpft jeder gegen jeden. Ich sehe das ein bisschen anders, wenn jeder gegen jeden kämpft, ist das Kapitalismus. Auch das drohende Desaster aus sozio-ökonomischen und ökologischen Effekten sehe ich nicht als Bedrohung, sondern als bestehende Realität. Es gäbe noch einige Beispiele falscher Wortwahl in diesem Artikel, aber wenn Ihr sie nicht seht, nützt es nix wenn ich sie Euch sage. 

Jürg Weiss, aber er sagt es…

von renekueng
Jürg Weiss, aber er sagt es nicht. Das, was in der Rezension (oder im Buch) steht, das versteh ich und da hat's genug Wahres dran, in dieser Kürze. Das Problem besteht dann oft in der Redlichkeit, ob und wie Theorien umgesetzt wird. Ob aus dem Vogel eine Gewehrkugel wird, diese Verdrehungen und Falschheiten schaffen dann die Probleme die jetzt eskalieren  -  bis wir 2030 dann alle glücklich sind.