Die Religion und die irdischen Mächte

In Zeiten, in denen Religionen mehr Platz im öffentlichen und privaten Leben beanspruchen, befasst sich die Jahresendausgabe des sozialistischen „Vorwärts“ auf acht Seiten fundiert und differenziert mit dem Thema Religion.

Darin kommt selbstverständlich die atheistische Seite zu Wort. Beleuchtet wird neben den Freidenkern die parodistische „Church of the Flying Spaghetti Monster“, die in den USA zwecks Bewusstsein und Solidarität gegen die christlichen Fundamentalisten und ihre expandierenden weltlichen Machtansprüche gegründet wurde. Sie nennen sich „Pastafaris“ und sind mit der Gleichberechtigung von Schöpfungs- und Evolutionstheorie an US-amerikanischen Schulen öffentlich aktiv geworden.

Konflikte und Kriege
Unter den Konfessionsfreien und Freidenkern, jede/r Zehnte in der Schweiz bezeichnet sich so, hat es Atheisten (Gott existiert nicht), Agnostiker (Transzendenz ist ungewiss, aber nicht ausgeschlossen) und Pantheisten (das Göttliche lebt in allen und allem). Konfessionsfreie finden, organisierte Religionen gäben zu starre Antworten auf Fragen der Lebensführung, seien im öffentlichen Leben zu präsent und spielten seit über 2000 Jahren weltweit in Konflikten eine problematische Rolle. Sie treten deshalb ein für eine klare Trennung von Staat und Kirchen.

Herrschaftsinstrument
„Religion ist Widerspiegelung der irdischen Mächte“, lautet treffend der Titel über einem Interview aus Zitaten aus Friedrich Engels Werken, das erzählt von der Instrumentalisierung der Religion für die Herrschaft von Bürgertum und Kapitalismus. Um 1850 habe sich das Selbstbewusstsein der Arbeiter von der Religion emanzipiert, so Engels, die Bourgeois aber hätten ihren Spott der Frömmelei und ihren Materialismus fallen gelassen zugunsten eines „äusserlich frommen Wesens“, um Vorbild für die proletarische Klasse zu sein und die Welt an einer Entwicklung zu Menschenwürde, Gleichberechtigung und sozialer Gerechtigkeit zu hindern.

Der politisierte Islam
Breiten Raum nehmen Darstellung und Analyse des politisierten Islam ein. Dass diese Religion einen grossen Drang zur Expansion hat, ist nicht verwunderlich, sie ist wie das Christentum ein missionierender, imperialistischer Komplex, monotheistisch und hochpatriarchal. Nach dem militärischen Sieg der christlichen Mächte in Grenada und vor Wien beendete der Westen die islamischen Weltmachtträume, verwirklichte die eigenen und degradierte stolze islamische Grossreiche (Mauren, Osmanen u.a.) zu Dritte-Welt-Ländern.

Feudalismus gegen Sozialismus
Aufgezeigt wird in der „Vorwärts“-Beilage der grosse aktive Beitrag der Briten und der USA zur Politisierung und Militarisierung von Moslems in Ländern wie Iran, Saudi-Arabien und Afghanistan. Dabei ging und geht es den Westmächten darum, die feudalen Wirtschafts- und Herrschaftsverhältnisse zu stärken, damit nicht auf demokratischem Weg Menschenrechte, Einschränkungen von Wettbewerb und Profitstreben oder gar soziale Gerechtigkeit durchgesetzt werden können.
Auch die Überzeichnung des Islam durch die westlichen Medien zum Ablenken von eigenen Problemen, Zuständen und wirtschaftlich-politischen Interessen wird ausgiebig dargestellt.

Religion und Sozialismus
Dass Religion und Sozialismus kein Widerspruch sein müssen, zeigen die Texte über die Theologie der Befreiung und über einen jüdischen Friedensaktivisten in Palästina. Spirituelle Alternativen zu den Religionen finden keinen Platz in der Beilage, da für sie in unserem kollektiven Bewusstsein kein Platz ist ausser als Klischees des Barbarischen oder der Geschäftemacherei.

Spiritualität und Sozialismus
Vormonotheistische und vorpatriarchalische Spiritualität aber kann heute noch entdeckt und – den Umständen angepasst - gelebt werden. Da ist das Empfinden und Erleben nicht abgeschnitten von tiefer Naturerfahrung und der Welt der Ahnen und Geister, die Sexualität nicht unterdrückt und Herrschaftsinstrument. Da gehören echte Mündigkeit, wirkliche Gleichberechtigung, also libertärer Sozialismus, und naturnahes Leben ganzheitlich dazu. Da ist Heidentum, das Miteinander statt Konkurrenz pflegt, das Macht- und Eigentumsverhältnisse ständig ausbalanciert.

db.

Mehr Informationen:

http://blog.spaghettimonster.ch

http://www.konfessionsfrei.ch

http://www.freidenker.ch

Vorwärts Nr. 45/46  http://www.vorwaerts.ch
30. Dezember 2008
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