Die Sache mit den Zeitachsen
Der Begriff «Zeitpunkt» impliziert einen eindeutigen Punkt auf der Zeitachse. Das klinge trivial, sei es aber weit weniger, als man vielleicht auf den ersten Blick meinen könne, sagt Robert Hegner. Der 38-Jährige lebt in Rapperswil und arbeitet im Software Engineering. Im Rahmen unserer Serie «Zeit.Punkt.» hat er sich Gedanken zum Wort «Zeitpunkt» gemacht. Und Sie? Welche Assoziationen, Anekdoten und Geschichten verbinden Sie damit? Schreiben Sie uns!
Wer schon mal ein Zoom-Meeting in einem internationalen Grosskonzern organisiert hat, kennt die Problematik: 14 Uhr ist nicht gleich 14 Uhr – je nachdem wo auf der Welt sich die Teilnehmer befinden. Um Unklarheiten zu vermeiden, muss der Organisator auch zwingend angeben, auf welche Zeitzone sich die Zeitangabe bezieht.
Doch auch innerhalb der gleichen Zeitzone kann es zu Unklarheiten kommen. Wenn wir uns beispielsweise am 30. Oktober 2022 nachts um 02:45 Uhr auf einen Schlummertrunk verabreden, ist es gut möglich, dass wir uns verpassen. Denn die Uhr zeigt in der Nacht der Zeitumstellung von Sommerzeit auf Normalzeit zweimal 02:45 Uhr an.
Offiziell wird diese doppelt erscheinende Stunde beim Übergang auf Normalzeit mit A bzw. B gekennzeichnet. Wir könnten uns also in jener Nacht um 02:45A Uhr verabreden und es gäbe keine Missverständnisse. Natürlich wollen Sie auch pünktlich zu unserer Verabredung erscheinen und darum einen Wecker stellen. Versuchen Sie doch mal, auf Ihrem Smartphone den Wecker auf 02:15A zu stellen….
Zugegebenermassen ist das Beispiel oben etwas gesucht. Im Alltag ist diese Unstetigkeit auf der Zeitachse meist unproblematisch, abgesehen von den üblichen Unannehmlichkeiten der Zeitumstellung an sich. In der IT hingegen ist die Schwierigkeit, einen Zeitpunkt eindeutig zu definieren, eine ziemliche Herausforderung.
Nepal hat eine um 15 Minuten von Indien abweichende Zeitzone – um sich vom grossen Nachbarn abzugrenzen.
Ganz offensichtlich entspringt ein Teil der Schwierigkeiten der Einteilung der Welt in verschiedene Zeitzonen mit teils unterschiedlichen Regelungen betreffend Sommerzeit. Im Verlauf der Zeit kann sich die Definition der Zeitzonen sogar ändern. Die schweizerische Stimmbevölkerung könnte die Abschaffung der Sommerzeit beschliessen. Oder ein Gebiet könnte aus politischen Gründen einer anderen Zeitzone zugewiesen werden. Nepal hat eine um 15 Minuten von Indien abweichende Zeitzone – laut Wikipedia um sich vom grossen Nachbarn abzugrenzen.
Ein Lösungsansatz ist die koordinierte Weltzeit (Coordinated Universal Time, UTC). Sie ist unabhängig von Zeitzonen und kennt keine Sommer-/Winterzeit. Der Zeitpunkt für ein internationales Zoom-Meeting am 10.03.2024 um 14:30 UTC ist also eindeutig definiert, selbst wenn einzelne Länder in der Zwischenzeit noch die Sommerzeit abschaffen (oder einführen).
Kleine Zeitsprünge gibt es aber auch bei UTC. Immer wieder muss die UTC Zeit mit eingeschobenen Schaltsekunden den astronomischen Gegebenheiten (Verlangsamung der Erdrotation) angeglichen werden. In der IT können auch solche kleinen Zeitsprünge problematisch sein, zum Beispiel wenn es um eine exakte Zeitmessung geht. Für solche Anwendungsfälle ist die internationale Atomzeit (TAI) geeignet.
Je nach Problemstellung muss die richtige Zeitachse gewählt werden. Die Sache mit dem Zeitpunkt ist also nicht so einfach.
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