Ein Manifest für mehr Handwerk

Champions im Smartphone-Wischen und gleichzeitig Null Ahnung von Nähen, Schnitzen und Löten – zu solchen Menschen droht unsere Gesellschaft zu werden.

Eine Initiativgruppe will die schwindenden Handwerksfähigkeiten der Bevölkerung retten und dem Handwerk wieder einen hohen Stellenwert in Gesellschaft und Wirtschaft geben: «Craft-Movement» nennen sie das Ganze. Dazu hat die Gruppe auch ein ausführliches Manifest verfasst, welches weiter unten zu lesen ist.

Die Idee war auch unter den zehn besten Vorschlägen für den Wettbewerb «Wunschschloss Schweiz», bei dem Wünsche und Visionen der Bevölkerung an die Politiker getragen werden. Der Sieger darf seine Idee im Sommer den Generalsekretären der grossen Parteien der Schweiz vorstellen.
Initiant Urs Maurer stellte das «Craft-Movement» am 9. Juni für den Wunschschloss Wettbewerb vor grossem Publikum vor.

Gekürt wurde leider eine andere Idee, das «Craft-Movement» bewegt sich aber natürlich weiter.


Wir wünschen viel Glück!

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Wer den Impuls spürt, beim «Craft-Movement» mitzuwirken, der melde sich für weitere Informationen bei Initiant Urs Maurer: info (ät) schulbau (punkt) org


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Manifest «CRAFT-MOVEMENT»

Wir Menschen haben bei der Geburt einen grossen Kopf. Auf dem Weg zum Erwachsen-Werden wird der Kopf im Verhältnis zu Armen und Beinen kleiner. Wir Menschen haben im Vergleich zu den meisten Tieren Hände, welche nicht mehr der Fortbewegung dienen, sondern uns dazu befähigen, Werkzeuge anzufertigen. Damit können wir Schafe scheren, deren Wolle mit gezüchteten Pflanzen leuchtend färben um daraus Teppiche knüpfen. Wir können in einem Orchester mit handgefertigten Instrumenten Musik machen oder ein Kamel und ein UFO zeichnen.


In unserer Evolution hat vor allem auch die zunehmende Geschicklichkeit unserer Hände das Gehirn im Vergleich zu den Tieren viel stärker wachsen lassen, was zur gesteigerten Entwicklung von Kultur und Intelligenz geführt hat.


Aus der Hirnforschung wissen wir, dass wir in der Kindheit unser Gehirn, und damit unsere Kultur und Intelligenz durch unsere eigenen Handlungen selber ausgestalten. Je monotoner unsere Handlungen sind, umso eingeschränkter sind die Verbindungen im Gehirn. Mit einem Knopfdruck kann ich zwar Musik hören, aber nicht selber machen. Ich kann Rechnungen ausführen lassen, aber nicht selber rechnen.


Immer perfekter und raffinierter programmierte Maschinen, welche von intelligenten Erwachsenen konstruiert wurden, ersetzen das eigene Üben von differenzierten Handfertigkeiten und machen die Entwicklung unserer eigenen Kultur und Intelligenz überflüssig. «Demenz» beschränkt sich nicht mehr auf körperlichen Abbau und Krankheit im hohen Alter, sondern stellt sich schon im Jugendalter ein als logische Folge der Nicht-Ausbildung und Verkümmerung unserer handwerklichen Fertigkeiten.


Wer nicht mehr selber handwerklich tätig war, einen Topflappen gewoben, ein Instrument geübt hat, kann den kulturellen Wert eines guten Orchesters, eines handgestrickten Pullovers oder eines von Hand geknüpften Teppichs nicht wirklich verstehen und wertschätzen. Die Schönheit und die Kultur handgefertigter Alltagsprodukte, beruht auf erlernten, geübten und täglich angewandten Fertigkeiten. Sie erfordern Zuwendung einen grossen Zeitbedarf. Diese vom Menschen individuell gestalteten Dinge haben gegenüber maschinell gefertigten Produkten einen ungleich höheren Wert. Nur wer diesen kulturellen Wert wahrnehmen, verstehen und schätzen kann, ist auch bereit, den entsprechenden Preis dafür zu bezahlen.


Wir sind alarmiert und stellen fest, dass die Bedeutung der Entwicklung von Handfertigkeiten in der frühen Kindheit, im Kindergarten, in der Schule und in unserer Freizeit unterschätzt wird. Wir sind alarmiert darüber, dass weltweit die handwerkliche Produktion von Gebrauchsgegenständen zugunsten industriell gefertigter Produkte verdrängt wird und dass allein der modischere Design und der niedrigere Preis unser Kaufverhalten steuern.


Wir sehen einen Zusammenhang zwischen der immer grösser werdenden Kluft zwischen arm und reich und den damit verbundenen Fluchtbewegungen aus den «armen» in die «reichen» Ländern. Durch eine neue Wertschätzung der zeitintensiven Handwerke unter der Bezeichnung «CRAFT-MOVEMENT», wozu auch die lokal betriebene, traditionelle Landwirtschaft gehört, sehen wir eine rasch wirksame Möglichkeit, diesem Irrsinn und unsäglichen menschlichen Leid entgegenzuwirken.


Wir sehen auch einen Zusammenhang zwischen dem weltweiten raschen Verschwinden der Kulturlandschaften und dem ungebremsten Wachstum der Megacities. Kulturlandschaften sind in Jahrhunderten entstanden durch die liebevolle Zuwendung und die zeitintensive Handarbeit dort ansässiger Menschen. «CRAFT-MOVEMENT» symbolisiert eine neue Wertschätzung dieser vor Ortentstandenen einzigartigen lokalen Kulturen und trägt zu deren Wertschätzung, Erhaltung und Erneuerung bei.


Mit dem Unterzeichnen dieses Manifestes wollen die Unterzeichnenden eine weltweite Bewegung unter dem Namen «CRAFT-MOVEMENT» initiieren und mit einem selbstgewählten finanziellen Beitrag Kraft und Schub geben. «CRAFT-MOVEMENT» will auf vielfältigste Weise den genannten, selbstzerstörerischen Megatrends entgegen wirken. Wir unterstützen Projekte unter dem Namen «CRAFT & Education», «CRAFT & Fashion», «CRAFT & Village», «CRAFT & Furniture», «CRAFT & Architecture», «CRAFT & Farming», «CRAFT & Art», und andere wichtige kulturelle Provinzen und Ländereien.

Es geht heute nicht mehr um Details – es geht ums Ganze. Wir haben nicht mehr viel Zeit und nicht mehr viele Chancen! Nutzen wir diese eine, mit der unerschöpflichen Kraft einer weltweiten Bewegung unter der Bezeichnung «CRAFT-MOVEMENT».