Ein neues Magazion über «Wirtschaft für den Menschen»

«Wirtschaft für den Menschen», das ist das Programm der wunderbaren neuen Zeitschrift «enorm», die mit 80’000 Auflage in Deutschland gestartet ist. Die Leute aus Hamburg, die sich gestalterisch und programmatisch offensichtlich an der sehr erfolgreichen «brandeins» orientieren, haben etwas vor. Aber was ist Wirtschaft für den Menschen? Etwa der schnittige BMW, der einem nach dem ersten Umblättern ins Auge fällt?
Eine erste Antwort erhält man von Chefredakteur Thomas Friemel im Editorial: Social Business. Mit dem neudeutschen Begriff sind Unternehmen gemeint, in denen nicht um des Profites willen gearbeitet wird, sondern zum Nutzen aller beteiligten Menschen. Das ist eine verdienstvolle Mission, ein grosses Abenteuer und eine lebendige Welt voller echter Aufgaben, in die uns «enorm» gekonnt entführt. Dass «Social Business» die Welt verbessern kann», wie «enorm» schreibt, ist allerdings weniger als die halbe Wahrheit. Das Magazin voller hartnäckiger Gutmenschen im Kampf gegen die Folgen des Kapitalismus thematisiert zwar die Armut, aber nicht die unheilvollen Mechanismen der Umverteilung; beklagt wird der Wachstumszwang, aber seine tieferen Ursachen kommen nicht zur Sprache. Und so stellt sich nach den 130 schön gestalteten Seiten ein gewisses Unbehagen ein: Wird uns hier schon wieder eine schöne neue Welt vorgegaukelt, diesmal die schöne Welt des Social Business? Dass sie gut fürs Image ist, haben mittlerweile ja auch schon grosse Konzerne entdeckt. Und man erinnert sich an eine Studie von 2008 über die LOHAS, die Öko-Geniesser und nachhaltigen Konsumenten: unpolitisch seien sie, total nett und in jeder Hinsicht verträglich. Auch «enorm» ist, gemessen an seinem thematischen Anspruch, enorm unpolitisch. Der «Kapitalismus in diversen Deformationen» hätte nicht gehalten, was den Menschen versprochen worden sei, schreibt der Chef. Dass vielleicht der Kapitalismus an sich, das Konzept, mit Geld statt Arbeit Geld zu verdienen, die Hauptursache der Krise sein könnte, dazu vermisst man eine klare Position. Eine anekdotische Umfrage unter LeserInnen zur «Frage aller Fragen: Kann der Kapitalismus fair sein?» reicht da nicht.


Natürlich ist man als Verleger eines Minderheiten-Magazins mit Mainstream-Anspruch etwas neidisch auf die gut gepolsterte Neuerscheinung aus Hamburg. Ich wünsche Ihnen gutes Echo, viele Leserinnen und Leser und viele Anzeigenkunden (wenn auch nicht unbedingt von Autokonzernen). Aber noch mehr wünsche ich Ihnen ein geschärftes politisches Bewusstsein für die Zustände auf dieser Erde und mehr Mut zu klaren Worten. Das lässt sich ja relativ schnell ändern. Und dann kann man «enorm» auch wirklich empfehlen.


enorm - Wirtschaft für den Menschen. Erscheint vier mal jährlich, die nächsten Ausgaben am 10.6., 9.9. und 11.11. 7.50 Euro, im Abo 30 Euro.
Social Publish Verlag 2010 GmbH, Planckstr. 13, D-22765 Hamburg, Tel. +49 40 8888 5775. www.enorm-magazin.de