Es hat gepeakt
Die Solarenergie hat die fossilen Energien wirtschaftlich überholt. Die Prognosen von Peak Oil sind eingetreten, wenn auch aus anderen Gründen als ursprünglich angenommen.
Peak Oil – das Fördermaximum beim Erdöl – ist ein historischer Moment in der Geschichte der modernen Zivilisation: Es ist der Zeitpunkt, an dem der wichtigste Rohstoff der Menschheit knapper wird, sein Preis steigt und Verteilkämpfe schärfer werden. Diese Theorie wurde 1956 vom britischen Geologen und Shell-Ölexperten Marion King Hubbert formuliert. Er stellte fest, dass die Erdölförderung mit zeitlicher Verzögerung der Entdeckung neuer Vorkommen folgt und prognostizierte in der Folge das US-Erdölmaximum richtig auf das Jahr 1974. Seine Prognose der weltweiten Förderspitze für 1995 lag aber rund 20 Jahre daneben. Und ob es 2015 tatsächlich erreicht wurde, wie es einige behaupten, ist aufgrund von Unschärfen bei der Berechnung umstritten.
Das knapper werdende Erdöl, um das auch Kriege geführt werden, ist natürlich die grosse Chance für die Erneuerbaren. Beim Thema Peak Oil treffen sich denn auch traditionelle Ökonomen, Umweltschützer und Friedensbewegte mit gemeinsamen Interessen, in der Schweiz in der Association for the Study of Peak Oil (ASPO), gegründet vom Basler Historiker und Friedensforscher Daniele Ganser.
Die Prognosen von Peak Oil sind in der Theorie überzeugend: Die Erdölvorkommen werden seltener und die Kosten der Förderung steigen. Während vor 1900 in den USA noch Öl gefunden wurde, indem man im Garten einen Pfahl in den Boden rammte und das Erdöl herausspritzte, muss der kostbare Rohstoff heute mit riesigem Aufwand aus dem Meeresgrund gebohrt, aus mikroskopischen Gesteinsritzen gepresst oder aus Teersand gewonnen werden. Während 1972 das Verhältnis von Energieaufwand und -ertrag bei 1 zu 60 stand, liegt es heute insgesamt bei 1 zu 10, beim unkonventionellen Vorkommen sogar bei 1 zu 2. Aber ein entscheidender Teil der Prognose ist in der Praxis nicht eingetroffen: Der Preis ist nicht wesentlich gestiegen.
Ein entscheidender Teil der Prognose ist in der Praxis nicht eingetroffen: Der Preis ist nicht wesentlich gestiegen.
Der Preis sei eben kein guter Indikator für den Stand der Problematik, sagte der deutsche Energieexperte Werner Zittel an der Jahrestagung der ASPO vom 21. Oktober in Bern, die sich mit dem Thema «Finanzflüsse und Energieströme» befasste. Der Preis sei von kurz- und mittelfristigen Markterwartungen geprägt und nicht von der längerfristigen Verfügbarkeit und den Gestehungskosten. In der Tat wird sehr viel Öl unter den Gestehungskosten verkauft, das mit Fracking oder aus Teersand gewonnene Öl zum Beispiel. «Das Geschäft mit dem Erdöl ist von Schulden getrieben», betonte Zittel; «Man könnte auch sagen: Es ist ein Schneeballsystem.» In der Tat wird der tatsächliche Zustand der Branche mit verschiedenen Tricks verschleiert und geschönt. Zum Beispiel steigen die bilanzierten Reserven, obwohl die Exploration rückläufig ist. Ein schlagendes Beispiel ist Venezuela, das über die weltweit grössten Reserven verfügt, allerdings in der Form von Schwerstöl mit einer Zähigkeit fast wie Bitumen. Es ist fast nicht aus dem Boden zu holen und muss für den Transport konstant auf 30 Grad erwärmt werden, weil sich die Tanker sonst in Teerklötze verwandeln würden. Ob diese Reserve je wirtschaftlich gefördert werden kann, ist höchst unsicher.
Die Erdölindustrie hält sich im Wesentlichen mit unökonomischen Tricks über Wasser. Gemäss Toni Gunzinger, ETH-Professor und Autor des (lesenswerten) Buches «Kraftwerk Schweiz», werden die Ölförderkosten von jährlich 1800 Mrd. Dollar mit 500 Mrd. subventioniert. Im Weiteren verschafft sich die Industrie mit Tricks geldwerte Sonderrechte. So geschehen beim «Energy Policy Act» von 2005, den Dick Cheney durch den US-Kongress brachte. Gut versteckt in den über 1000 Paragraphen und von keinem Abgeordneten bemerkt, wurde der Trinkwasserschutz für die Fracking-Industrie aufgehoben. Besonders viel Geld erhalten die Erdölkonzerne über Anleihen, erklärte Max Deml, Herausgeber der österreichischen Zeitschrift «Öko-Invest» an der ASPO-Tagung. So stehen sie mit Dividendenzahlungen auf Pump besser da, als sie tatsächlich sind. Ein Beispiel: Shell richtete dieses Jahr trotz flauem Geschäftsgang eine Dividende von 6,5 Prozent aus, finanziert über eine Anleihe von etlichen 100 Mio. Euro, die von der EZB gekauft wurde. Sie hat damit schlicht und einfach Geld gedruckt und es den Aktionären geschenkt, fast 100 Mio. Euro allein dem niederländischen Königshaus.
Wenn die Sonne scheint, ist beim grössten Verbrauch der Strom am billigsten. Damit steht das Geschäftsmodell der grossen Kraftwerksbetreiber vor dem Aus.
Trotz aller Tricks, mit denen die Erdölindustrie sich am Leben und den Ölpreis tief hält, hat sich die Sonnenenergie von der teuersten zur billigsten Energie entwickelt. Der Energieexperte und Alt-Nationalrat Rudolf Rechsteiner sprach an der ASPO-Tagung von einem «epochalen Wandel» und einem «Solarwunder». In der Tat: In Grossbritannien kostet der Atomstrom 12 Rappen/KWh, deutscher Windstrom dagegen knapp die Hälfte. Auf dem freien Markt lässt sich der teure Atomstrom nicht mehr verkaufen. Mit zunehmender Liberalisierung, auch für die kleinen Bezüger, wachsen die Chancen der Sonnenenergie. Noch aber sind in der Schweiz 36’000 Solaranlagen blockiert, weil die Vergütungsverfahren nicht laufen. «Wir sind Weltmeister bei den Warteschlangen», sagt Rechsteiner dazu. Aber der Trend ist eindeutig und unumkehrbar: Wenn die Sonne scheint, ist beim grössten Verbrauch der Strom am billigsten. Damit steht das Geschäftsmodell der grossen Kraftwerksbetreiber, beim grössten Verbrauch auch die höchsten Preise zu verlangen, vor dem Aus. Nachdem der Verbrauch fossiler Energieträger in der Schweiz seit 2015 rückläufig ist, kann man sagen: Es hat gepeakt. Jetzt muss nur noch gehandelt werden.
Infos: www.aspo.ch
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