Fairer Handel ist nicht festgenagelt
Zum Kaffee serviert mir die bekannteste der Bananenfrauen eine schonungslose Botschaft: «Die Wertschöpfung des Fairen Handels passiert hier bei uns, bei den verschiedenen Labels, während die Ärmsten in der Dritten Welt gar nicht erreicht werden.» Am 6. Dezember eröffnet eine Ausstellung über die bewegte Geschichte der Bananenfrauen.
Ursula Brunner, die «zierliche Achtundachzigjährige», wie sie Journalisten gelegentlich bezeichnen, hat Biss und Ausdauer. Die Frau eines vor kurzem verstorbenen Pfarrers, mit dem sie sieben Kinder aufzog, ist oft auch unbequem für Ähnlichgesinnte. Das Verhältnis zu den Hilfswerken sei «manchmal etwas schwierig gewesen», sagt sie. Als «Nur-Frau» und Nichtstudierte habe sie «hie und da Arroganz in diesen Kreisen erlebt». Dabei dürfte die Pionierin mehr von Fairem Handel verstehen als die meisten seiner Funktionäre. Seit vierzig Jahren setzt sie sich hierzulande und in Südamerika für gerechtere wirtschaftliche Beziehungen ein.
Für die später von ihrer Partei geschnittene freisinnige Kantonsrätin begann alles 1972 mit einem Inserat: Dank gefallenem Dollarkurs bot die Migros das Kilo Bananen 15 Rappen billiger an. Als Reaktion zeigte der von Ursula Brunner betreute Frauentreff den Dokumentarfilm Banañera Libertad von Peter von Gunten, später einen Chiquita-Werbefilm der Migros. An einem dritten Abend wurde eifrig diskutiert. Jeweils 100 bis 150 Frauen hatten teilgenommen, ungewöhnlich für die kleine Stadt Frauenfeld.
Wie weiter? Brunner lud sechs Frauen zum Überlegen ein. Die Gruppe schrieb der Migros, sie möge 15 Rappen pro Kilo einbehalten und nach einem Jahr 10 Millionen Franken an die Produzenten überweisen. Antwort: Migros sei keine Wohltätigkeitsveranstaltung! Im Oktober 1973 kauften die Frauen in der Migros 600 Kilo Bananen, luden sie samt Infomaterial auf Leiterwägeli und zogen durch Frauenfeld. Sie fragten die Passanten, ob sie für Bananen etwas mehr bezahlen würden, damit die Plantagenarbeiterinnen einen anständigen Lohn bekämen. Eine Pionieraktion, «doch wir waren nicht die ersten mit solchen Gedanken», sagt Brunner. Die Zeit sei reif gewesen, sich beim Einkaufen für mehr Gerechtigkeit zu interessieren.
1975 begannen die Bananenfrauen als lose Gruppe, ab 1986 als Verein gebana (Gerechter Bananenhandel), den Import aus Nicaragua zu organisieren. Die Bananen stammten von staatlichen Firmen, die das Leben auf den Plantagen verbessern wollten. Es gab klare Verhältnisse, auch ohne Zertifizierung. Bis 1990 die Sandinisten abgewählt wurden und die bürgerliche Regierung die Produktion reprivatisierte. Alles wurde schlechter, viele Plantagen vertrockneten. Ab 1993 importierte gebana aus Costa Rica, wo sich unabhängige Produzenten zusammentaten, um ohne Multis zu exportieren.
Vor der gebana-Gründung hatte die Arbeitsgruppe der Bananenfrauen den Hilfswerken vorgeschlagen, eine Plattform zu gründen, um Mittel bereitzustellen für kleine Organisationen des Fairen Handels wie die Bananenfrauen. Das wurde rundweg abgelehnt, später aber ohne die «Kleinen» umgesetzt: die Hilfswerke gründeten «Max Havelaar». Die Stiftung startete 1992 bei Migros und Coop mit ein paar Produkten ihres holländischen Partners. Als dieser wegen EU-Absprachen keine Ecuador-Bananen mehr einführen konnte, wurden sie von Havelaar für Coop und Migros übernommen. Die gebana bot Havelaar Zusammenarbeit an: Wir bringen das Knowhow, ihr das Geld. Doch Havelaar war das Vorgehen von gebana zu geduldig. Nach einem halbjährigen Verkaufstest kamen die Ecuador-Bananen ab 1997 mit Havelaar-Label auf den Schweizer Markt, allerdings erst in einer Umstell-Qualität.
«Fairer Handel ist ein Weg. Man darf auf ihm nicht stehen bleiben», so Brunners Credo. Als mit Max Havelaar die Zertifizierung kam, habe sie gespürt, «dass das kein Prozess mehr ist, sondern etwas Festgenageltes». Alles, was wir tun können, seien nur kleine Schritte – aber jeder sei nötig. Wie es der Titel der Jubiläumsausstellung sagt: Hartnäckig und unverfroren: Bananenfrauen.
Ausstellung: «hartnäckig & unverfroren: Bananenfrauen», Stadtgalerie Baliere, Frauenfeld
6. Dezember bis 9. Februar
Weitere Links:
http://bananenfrauen.ch
www.gebana.ch
www.terrafair.ch
Ursula Brunner, die «zierliche Achtundachzigjährige», wie sie Journalisten gelegentlich bezeichnen, hat Biss und Ausdauer. Die Frau eines vor kurzem verstorbenen Pfarrers, mit dem sie sieben Kinder aufzog, ist oft auch unbequem für Ähnlichgesinnte. Das Verhältnis zu den Hilfswerken sei «manchmal etwas schwierig gewesen», sagt sie. Als «Nur-Frau» und Nichtstudierte habe sie «hie und da Arroganz in diesen Kreisen erlebt». Dabei dürfte die Pionierin mehr von Fairem Handel verstehen als die meisten seiner Funktionäre. Seit vierzig Jahren setzt sie sich hierzulande und in Südamerika für gerechtere wirtschaftliche Beziehungen ein.
Für die später von ihrer Partei geschnittene freisinnige Kantonsrätin begann alles 1972 mit einem Inserat: Dank gefallenem Dollarkurs bot die Migros das Kilo Bananen 15 Rappen billiger an. Als Reaktion zeigte der von Ursula Brunner betreute Frauentreff den Dokumentarfilm Banañera Libertad von Peter von Gunten, später einen Chiquita-Werbefilm der Migros. An einem dritten Abend wurde eifrig diskutiert. Jeweils 100 bis 150 Frauen hatten teilgenommen, ungewöhnlich für die kleine Stadt Frauenfeld.
Wie weiter? Brunner lud sechs Frauen zum Überlegen ein. Die Gruppe schrieb der Migros, sie möge 15 Rappen pro Kilo einbehalten und nach einem Jahr 10 Millionen Franken an die Produzenten überweisen. Antwort: Migros sei keine Wohltätigkeitsveranstaltung! Im Oktober 1973 kauften die Frauen in der Migros 600 Kilo Bananen, luden sie samt Infomaterial auf Leiterwägeli und zogen durch Frauenfeld. Sie fragten die Passanten, ob sie für Bananen etwas mehr bezahlen würden, damit die Plantagenarbeiterinnen einen anständigen Lohn bekämen. Eine Pionieraktion, «doch wir waren nicht die ersten mit solchen Gedanken», sagt Brunner. Die Zeit sei reif gewesen, sich beim Einkaufen für mehr Gerechtigkeit zu interessieren.
1975 begannen die Bananenfrauen als lose Gruppe, ab 1986 als Verein gebana (Gerechter Bananenhandel), den Import aus Nicaragua zu organisieren. Die Bananen stammten von staatlichen Firmen, die das Leben auf den Plantagen verbessern wollten. Es gab klare Verhältnisse, auch ohne Zertifizierung. Bis 1990 die Sandinisten abgewählt wurden und die bürgerliche Regierung die Produktion reprivatisierte. Alles wurde schlechter, viele Plantagen vertrockneten. Ab 1993 importierte gebana aus Costa Rica, wo sich unabhängige Produzenten zusammentaten, um ohne Multis zu exportieren.
Vor der gebana-Gründung hatte die Arbeitsgruppe der Bananenfrauen den Hilfswerken vorgeschlagen, eine Plattform zu gründen, um Mittel bereitzustellen für kleine Organisationen des Fairen Handels wie die Bananenfrauen. Das wurde rundweg abgelehnt, später aber ohne die «Kleinen» umgesetzt: die Hilfswerke gründeten «Max Havelaar». Die Stiftung startete 1992 bei Migros und Coop mit ein paar Produkten ihres holländischen Partners. Als dieser wegen EU-Absprachen keine Ecuador-Bananen mehr einführen konnte, wurden sie von Havelaar für Coop und Migros übernommen. Die gebana bot Havelaar Zusammenarbeit an: Wir bringen das Knowhow, ihr das Geld. Doch Havelaar war das Vorgehen von gebana zu geduldig. Nach einem halbjährigen Verkaufstest kamen die Ecuador-Bananen ab 1997 mit Havelaar-Label auf den Schweizer Markt, allerdings erst in einer Umstell-Qualität.
«Fairer Handel ist ein Weg. Man darf auf ihm nicht stehen bleiben», so Brunners Credo. Als mit Max Havelaar die Zertifizierung kam, habe sie gespürt, «dass das kein Prozess mehr ist, sondern etwas Festgenageltes». Alles, was wir tun können, seien nur kleine Schritte – aber jeder sei nötig. Wie es der Titel der Jubiläumsausstellung sagt: Hartnäckig und unverfroren: Bananenfrauen.
Ausstellung: «hartnäckig & unverfroren: Bananenfrauen», Stadtgalerie Baliere, Frauenfeld
6. Dezember bis 9. Februar
Weitere Links:
http://bananenfrauen.ch
www.gebana.ch
www.terrafair.ch
19. November 2013
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