Fichenskandal zum zweiten

Politiker und Journalisten werden überwacht und fichiert, obwohl dies nur „bei begründetem Verdacht“ auf „terroristische, nachrichtendienstliche oder gewalttätige extremistische Tätigkeiten gesetzlich erlaubt ist. Uneingeschränkte, unzensurierte Akteneinsicht, eine verstärkte Kontrollkommission und keine Verschärfung des Staatsschutzgesetzes fordert deshalb die NGO grundrechte.ch.


Medienmitteilung von grundrechte.ch vom 24.7.08:

Im Rahmen der Anti-WEF-Kundgebungen in Bern vom 19. Januar 2008 veranlasste ein Staatsschutzbeamter (Ex Stadtpolizei Bern, seit 1.1.2008 Police Bern) die Verhaftung von zwei Journalisten (WOZ und Le Courrier). Im Anschluss daran beschlossen verschiedene Organisationen und Einzelpersonen, gemeinsam ein Einsichtsgesuch in die Staatsschutzdaten (Daten des Dienstes für Analyse und Prävention DAP) einzureichen. Da die beiden Medienschaffenden vor dem Büro bzw. Arbeitsort dieser Organisationen und Personen verhaftet wurden, lag die Vermutung nahe, dass einzelne an dieser Adresse Gemeldeten vom Staatsschutz observiert werden, zumal der Journalist der WOZ schon zu einem früheren Zeitpunkt in der Nähe des Büros vom betreffenden Staatsschutzbeamten angesprochen worden war.

Der Präsident von grundrechte.ch, Viktor Györffy, Rechtsanwalt in Zürich, ist mit dem Einsichtsbegehren beauftragt worden, welches am 31. März 2008 beim Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten eingereicht worden ist. Dieser hat mit seiner Antwort vom 15. Juli 2008 praktisch erstmalig gestützt auf Art. 18 Abs 3 des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) den Betroffenen Auskunft über ihre tatsächliche Fichierung gewährt.

Die damit publik gewordene Fichierung wie auch die Überwachung der Basler GrossrätInnen türkischer Herkunft belegen, dass sich der DAP nicht an die in Art. 3 BWIS festgeschriebenen Schranken hält. grundrechte.ch deponiert daher zahlreiche Forderungen an den Bundesrates, bzw. an das Parlament und seine zuständigen Kommissionen: Umgehende Gewährung der Akteneinsicht, Kontrolle aller vorhandenen 110’00 Fichen durch eine verstärkte Kontrollkommission, keine Verschärfung des Staatsschutzgesetzes.

Der Forderungskatalog wurde am 23. Juli 2008 um 10:30 Uhr an einer Medienkonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt. Bereits kurz nach Mittag waren entsprechende Meldungen auf den Webseiten aller wichtigen Zeitungen zu finden.

Am 24. Juli wurde landesweit über die neuen Enthüllungen berichtet, selbstverständlich von der WOZ, aber auch vom Bund und vielen anderen. Die SP veröffentliche einen Mustervorstoss (dringliche Interpellation) für Kantonalsektionen.


LINKS:

www.grundrechte.ch
http://www.woz.ch
http://www.espace.ch/page_162.html
(Der Bund)
24. Juli 2008
von: