Gesundheitspolitik am Volkswillen ausrichten

Die Abstimmungsvorlage «Bundesbeschluss über die medizinische Grundversorgung» vom 18.Mai ist eine Mogelpackung. Befasst man sich genauer mit der Gesundheitspolitik des Bundes, zeigt es sich, dass sich diese nicht mehr am Volkswillen orientiert. Stattdessen lässt sie sich ihre Aufgaben und Prioritäten von der Organisation für Wirtschaft und Entwicklung (OECD) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) diktieren, in denen gewisse Wirtschaftsinteressen den Ton angeben. Dem kann mit einem ‚Nein’ am 18.5. der Riegel geschoben werden.

Ein ausgezeichnetes Gesundheitssystem …
2013 veröffentlichte das Eidgenössische Departement des Inneren (EDI) die «gesundheitspolitischen Prioritäten des Bundesrates» bis 2020. Dieser Bericht ist ein einziger Widerspruch: Höchstes Lob für unser Gesundheitswesen und gleichzeitig ein Plan für dessen Totalumbau. 
So lobt das EDI: «Die Schweiz hat ein sehr gutes Gesundheitssystem.» Die «hohe Qualität» ermögliche «den Menschen, die in diesem Land leben, eine hohe Lebensqualität und eine weit überdurchschnittliche Lebenserwartung». Die Bevölkerung sei «sehr zufrieden […] mit den Leistungen unseres Gesundheitssystems. Zu den Stärken gehören der garantierte Zugang zur Gesundheitsversorgung, das breite Spektrum der von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) gedeckten Leistungen und die hohe Qualität der Versorgung.» Auf Grund der grossen Zufriedenheit mit unserem Gesundheitswesen habe «das Schweizervolk […] in verschiedenen Volksabstimmungen bekräftigt, dass es keine radikalen Veränderungen wünscht». Ein durch und durch gutes Gesundheitswesen also.

… soll über den Haufen geworfen werden?
BR Berset und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) sind sich der hohen Qualität des Gesundheitswesens bewusst und wissen haargenau, was das Volk will. Aber sie orientieren sich nicht am Volkswillen. Im Gegenteil: Das BAG plant den Totalumbau des Gesundheitswesens gemäss den «26 Empfehlungen der OECD-WHO».  Entsprechende Gesetze sind in Vorbereitung, in der parlamentarischen Debatte oder kurz vor der Abstimmung.

Der OECD-WHO zudienen …
Wenn BR Berset und BAG nicht „dem Volke dienen“, wem dann? Das BAG sagt es offen: «Der Bundesrat hat im vergangenen Juni seine gesundheitspolitische Strategie verabschiedet. […] Es fällt auf, dass die bundesrätliche Strategie vollkommen in den Empfehlungen der OECD-WHO enthalten ist. […] Der vorliegende zweite OECD-WHO-Bericht ist hilfreich. Er stellt die aktuelle Situation in der Schweiz umfassend dar und gibt sinnvolle Anregungen für die weitere Reformpolitik. Die wichtigste Erkenntnis liegt darin, dass die bundesrätliche Strategie fast vollständig mit den Empfehlungen der beiden internationalen Organisationen übereinstimmt und die Schweiz – wenn das Parlament die Vorschläge des Bundesrates umsetzt – gut auf Kurs ist.»

… die Kantone entmachten
Ohne Verständnis für den schweizerischen Föderalismus beurteilen OECD und WHO dessen Leistungsfähigkeit völlig falsch: «Sie hegen auch einige Zweifel, ob die Schweiz diese Herausforderungen mit den bestehenden Gouvernanzstrukturen, die einen starken Föderalismus mit direktdemokratischen Instrumenten verbinden, meistern können.» Zudem schlagen sie «grössere Versorgungsregionen anstelle der Kantone» vor – so das BAG.
 OECD-WHO empfehlen daher eine «Verbesserung der strategischen Steuerung (Governance)» unseres Gesundheitswesens. Erste Massnahme dazu ist die «Erarbeitung eines übergreifenden Rahmengesetzes für Gesundheit auf Bundesebene». Dazu dient – ohne das offen gegenüber dem Volk zu deklarieren! – der «Bundesbeschluss über die medizinische Grundversorgung“. 
Statt Empfehlungen zu geben, sollten sich OECD und WHO erst einmal ein Bild machen, warum unser Gesundheitswesen «im internationalen Vergleich zu den Besten gehört». Das ist kein Geheimnis: Die direkte Demokratie, der föderalistische Aufbau, die Zuständigkeit der Kantone für das Gesundheitswesen und damit verbunden ein verantwortungsvoller Umgang mit Finanzen sowie eine gesundheitsbewusste Bevölkerung sind die Gründe. Daraus könnten OECD und WHO Empfehlungen ableiten, die andere Länder sehr gerne beachten würden, weil sie nämlich sinnvoll, erfolgreich und nachhaltig sind.

… internationalisieren und näher an die EU heranführen? – sicher nicht
Bundesrat und BAG jammern über «die mangelhafte Einbindung in die gesundheitspolitischen Entwicklungen der EU». Dies schaffe «Probleme, die durch den Abschluss und die Umsetzung eines Gesundheitsabkommens gelöst werden können». 
Da kann man nur sagen: Nein, danke. Die Erfahrungen mit den Bilateralen Verträgen bzw. mit der Personenfreizügigkeit zeigen deutlich, was man zu gewärtigen hat, wenn man Bestandteile staatlicher Souveränität Brüssel unterstellt.
07. Mai 2014
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