Ikea – ich komme wieder

Kolumne. Der Musiker und Autor Anton Brüschweiler geht gerne zu Ikea. Wegen der Möbel? Keineswegs. Wenn er keine Angst hat, klaut er viele kleine Sachen.

© Ave Calvar / Unsplash

Endlich, endlich konnte ich nach dem langen Lockdown im Frühling wieder Ikea besuchen. Nicht etwa, wie Sie vielleicht vermuten, um neue Möbel zu kaufen. Neue Möbel möchte ich, ehrlich gesagt, nicht erst zusammensetzen müssen. Noch ehrlicher gesagt: Ich bin handwerklich derart unbegabt, dass ich sie gar nicht zusammensetzen könnte. Zudem treiben mich Gebrauchsanweisungen an den Rand des Wahnsinns. 

Mein regelmässiger Ikea-Besuch hat andere Gründe: Zum Beispiel gingen mir während der langen Zeit des Lockdowns die kleinen Bleistifte aus. Diese klaue ich immer bei Ikea. Und ich kann Ihnen versichern, einfacher können Sie nirgends Bleistifte klauen: Stellen Sie sich in den Austellungshallen einfach vor ein Möbelstück. Nun notieren Sie sich mit den bereitliegenden kleinen Bleistiften die Nummer des Möbels. Anstatt dass Sie nur das Zettelchen in der Hosentasche verschwinden lassen, lassen Sie nun auch gleich noch den kleinen Bleistift verschwinden. Der Vorgang ist beliebig wiederholbar.

Doch der Hauptgrund meiner Ikea-Besuche ist therapeutischer Natur: Als Fünfjähriger verlor ich meine Mutter in einer Ikea-Filiale aus den Augen. Ich geriet in eine abgrundtiefe Panik und habe seither eine immense Angst vor grossen Einkaufsläden. Seit zwei Jahren bin ich nun bei Dr. Häberli in Therapie. Um die Angst zu überwinden hat er mir empfohlen, mich so oft wie möglich im Ikea aufzuhalten.

Ich gehe meistens hin, wenn ich etwas übermüdet bin. So kann ich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Zuerst steuere ich dann immer auf die Bettenabteilung zu. Ich tarne mich als Kunde und lege mich auf ein Boxspringbett. Wärmstens zu empfehlen ist da das Modell Säbövik. Meistens schlafe ich sofort ein und döse manchmal bis zu einer Stunde, bis mich ein Mitarbeiter weckt. Anschliessend begebe ich mich ins Restaurant. Dort wartet die eigentliche Hauptattraktion, die Köttbullar. Seit ich diese leckeren Fleischbällchen zum ersten Mal ass, bin ich süchtig danach. Ich will Ihnen mal was sagen: Ich bin eigentlich überzeugter Vegetarier, aber ohne die Köttbullar, die im Fall gar nicht Köttbullar ausgesprochen werden, sondern Shödbullar, könnte ich nicht mehr leben.

Schlussendlich bewege ich mich dann mit vollem Bauch und leeren Händen, aber vollen Hosentaschen zur Kasse. Damit ich nicht auffalle, kaufe ich an der Kasse dann immer eine dieser legendären grossen blauen Ikea-Taschen. Die kann man immer wieder gut gebrauchen. Zudem sind sie fertig zusammengesetzt und man muss nicht noch eine Gebrauchsanweisung lesen.

 

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Anton Brüschweiler ist Musiker, Veranstalter von Anlässen mit Geheimtipp-Potenzial (https://www.chäsigysenstein.ch) und Autor des Buches «Das AntWort – die Wahrheit des Absurden», eine Sammlung von lebensrettenden Weisheiten in einer verrückten Welt.

Anton Brüschweiler: Das AntWort – die Wahrheit des Absurden. edition Zeitpunkt, 2018. 106 Seiten, Fr. 19.00.-/€ 17.00.- Geb. Mit Illustrationen von Lukas Machata.
Leseprobe und Bestellung.


Die nächste Lesung:

31.10.20 Spektakulum Luzern, musikalische Umrahmung: Bruno Amstad
18.12.20 Literaturcafé Biel, musikalische Umrahmung: Andreas Schaerer