«Jede Silbe muss sitzen»

Mein Handy ist während den Ferien meistens auf Flugmodus. Doch dieses mal hatte Roger Glück und erreichte mich. Knapp zwei Wochen später bin ich im Studio und kurze Zeit darauf im Zug nach Zürich zum Videodreh. Ein Liedermacher hat nie Feierabend. Aus dem Tagebuch eines Liedermachers» erscheint wiederkehrend.

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Gut drei Wochen sind seit dem Telefongespräch mit dem Theatermacher Roger Steinmann vergangen. In der Zwischenzeit habe ich das gleichnamige Titellied zum Zürcher Theaterstück «WIN – WIN», einer Komödie über den holprig-unvertrauten Weg zur «Social Annäherung» geschrieben und das Lied im Studio aufgenommen.

Wie immer bei solch spontanen Aktionen ist das Time Management ein zentraler Punkt und erfordert eine recht sportliche Flexibilität. Fragen wie «Schaffe ich, es in so kurzer Zeit ein Lied zu schreiben, aufzunehmen und dazu noch für das Video nach Zürich zu reisen?» drehten pausenlos in meinem Kopf. Die Antwort war «Ja», irgendwie werde ich das schon hinkriegen.

Als Anhaltspunkt für den Liedtext diente die Handlung des Theaterstücks sowie auch der gesellschaftliche Aspekt, um den es im Stück geht. Als dann die finale Version fertig war, blieb nicht mehr viel Zeit übrig um das Lied so einzuüben, dass ich dann für die Studioaufnahme gut vorbereitet sein würde. Für mich ist und war es schon immer ein No-Go, schlecht vorbereitet ins Studio zu gehen.

Was dann folgte, war die «Fleiss-Büez». Jede Silbe musste sitzen. Dasselbe galt auch für das Gitarrenspiel, respektive das Zupfmuster, das ich bei diesem Lied einsetzte. Normalerweise spiele ich ja Gitarre und singe gleichzeitig. Im Studio läuft das anders. Zuerst wird die Gitarre eingespielt und dann folgt auf einer separaten Spur noch der Gesang.

Warum auch immer, wenn ich ins Studio gehe, setzt sich bei mir immer so eine Nervosität ein, wenn es ums aufnehmen geht. Ein Gefühl, das ich auf der Bühne eigentlich nicht kenne. Jedenfalls habe ich anfangs Take um Take so richtig verhauen und bin alles andere als in den Flow gekommen. Irgendwie meinten es jedoch die Recording-Götter dann doch noch gut mit mir und ich brachte die Aufnahme-Session gut über die Runden. Die Aufnahmen waren im Kasten.

Das Datum für den Videodreh stand auch schon in der Agenda, der war vier Tage später. Da sass ich nun im Zug nach Zürich, mit im Gepäck die Gitarre und den Text, den ich natürlich zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht einwandfrei auswendig konnte. In Zürich angekommen traf ich mich mit Regisseur Roger und Kameramann Roni beim Lindenhof – ein überwältigender Ort mit wunderschöner Aussicht auf die Stadt.

Roger und Roni hatten bereits mit den beiden Hauptdarstellern tagsüber gedreht und waren voll im Schwung. Für mich war das eine neue, aber auch spannende und lustige Erfahrung, mitten in all den Leuten, auf öffentlichen Plätzen mit der Gitarre durch Zürich zu schlendern und so zu tun, als würde ich singen. Und dabei noch gefilmt zu werden. Nach gut 3 Stunden filmen und etlichen Kilometer abspulen hatten wir es dann geschafft. Die Aufnahmen waren im Kasten. Das Endergebnis schaut ihr euch am besten mal an unter: https://www.youtube.com/watch?v=IXnCFwmh2ok

Ein leichter Druck löste sich langsam bei mir. Es war geschafft. Auch ich war geschafft. Was vor ein paar Wochen mit einem Telefonanruf begann, endete an der Limmat unter der Abendsonne von Zürich. Nach dem verdienten Feierabendbier zogen wir weiter ins «Dörfli» und liessen den Abend gebührend ausklingen. Meiner körperlichen Verfassung sei Dank, dass ich mit einem Spurt durchs Niederdorf bis hin zum Bahnhof den letzten Zug nicht verpasste.

Seit dem Dreh in Zürich sind gut drei Wochen vergangen. Zwischenzeitlich bereite ich mich auf die Premieren in Stäfa, Uster und Zürich vor, die ich musikalisch begleite und das Titellied live auf der Bühne singen werde. Alle weiteren Infos und Tickts gibt’s auf der Website: https://winwin.theater. Und ja, wer weiss, vielleicht sieht man sich ja anschliessend noch im «Dörfl»...

 

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Boris Bittel (49) lebt mit seiner Familie in der Region Bern. Der gelernte Innendekorateur arbeitet hauptberuflich als Immobilienbewirtschafter. Während den wärmeren Jahreszeiten ist der Musiker oft mit seiner Frau im selbstausgebauten Van unterwegs. Im Gepäck immer mit dabei: die Gitarre und Notizmaterial.

www.borisbittel.ch

16. September 2022
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