Jenseits von Gut und Böse

Zur Geld-Ausstellung im Stapferhaus

Was ist uns das Geld wert und welchen Preis bezahlen wir dafür? In der Ankündigung zu seiner neuen Ausstellung «Geld – jenseits von Gut und Böse» verspricht uns das Stapferhaus in Lenzburg Antworten auf diese Fragen – und bleibt sie grösstenteils schuldig.

Zwar befasst sich die aufwändige Ausstellung an verschiedenen Stationen ausführlich mit unseren persönlichen Vorstellungen von Geld und Geldwert – und die sind schon vielschichtig genug. Aber was uns das Geld kostet, bleibt vollkommen im Unklaren. Mehr noch: Selbst bei Themen, wo die Kosten des Geldsystems auf der Hand liegen, wird ein grosser Bogen darum geschlagen. Da unser Geld zu rund 85 Prozent aus Kredit besteht, verstecken sich die Zinskosten in allen Produkten und Dienstleistungen, vom Leitungswasser (15 Prozent) bis zu den Mieten im sozialen Wohnungsbau (ca. 80 Prozent). Im Durchschnitt liegen sie bei etwa 35 Prozent. Das sind die Kosten, die wir durch Überlassung des Geldschöpfungsprivilegs an die privaten Banken bezahlen müssen. Kein Wort davon in Lenzburg, nicht einmal bei der Aufschlüsselung der Produktkosten von Mobiltelefonen, Wein oder Spermien.

Ein guter Einstieg in die systemischen Zwänge hätte auch der kurze Film über die Geldschöpfung ermöglicht, einer der Schlüsselelemente der Ausstellung. Nicht nur ist die Mindestreserve für die Kreditgeldschöpfung durch die Banken falsch (es sind 2,5 und nicht 10 Prozent), die Konsequenzen dieses Luftgeldes werden nur als Geldentwertung dargestellt – von der alle Geldbesitzer betroffen sind – aber nicht als Umverteilung.

Natürlich darf man eine Ausstellung über Geld auf unsere persönliche Beziehung zu dieser magischen Materie reduzieren. Aber von einer Institution mit dem Anspruch des Stapferhauses darf man einen kritischeren Blick auf die Mechanismen erwarten, die unseren Umgang mit Geld korrumpieren. Die Ausstellung ist leider kein Umweg über Lenzburg wert.


www.stapferhaus.ch

 ___________________________________


Stellungnahme von Detlev Vögeli, Stapferhaus
Wir fragen in unserer aktuellen Ausstellung mit dem Titel "GELD. Jenseits von Gut und Böse": Was ist uns das Geld wert und welchen Preis bezahlen wir dafür? Ist es gerecht verteilt? Wie viel brauchen wir davon, um glücklich zu sein?

Christoph Pfluger, Herausgeber des Zeitpunkt, interessierte sich offenbar vor allem für die Frage „Was ist uns das Geld wert und welchen Preis zahlen wir dafür?“ – und findet zu seiner Enttäuschung nicht die ihm bereits im Vorfeld bekannte Antwort in Prozentzahlen. Dies ist allerdings ein grosses Missverständnis. Denn unsere Frage ist eine grundsätzlichere. Wir hinterfragen in unserer Ausstellung Geld als absoluten Wert. Und welchen Preis wir im philosophischen Sinne dafür bezahlen – und nicht in Geld. Dabei geht es um Fragen der Gerechtigkeit, der Moral und des guten Lebens. Wir stellen Geld als Kulturgut zur Disposition und ökonomische Glaubenssätze zur Diskussion. Auf die eingangs gestellten philosophischen Fragen mit richtig und falsch oder gar mit einer einzigen Zahl antworten zu wollen, scheint uns unseriös und widerspricht fundamental unserem Selbstverständnis.

Ein Schlüsselmoment der Ausstellung war für Pfluger offenbar der Animationsfilm „Fiat Money“. Es handelt sich dabei um ein historisch verbrieftes Märchen über den Glauben ans ewige Wirtschaftswachstum, worin auch der Geldschöpfungsprozess aufgezeigt wird. Dass Pfluger diesen Film kurzerhand in eine Geldentwertungsgeschichte uminterpretiert, kann man ihm noch nachsehen. Wenn er aber behauptet, wir würden mit falschen Zahlen operieren, dies aber nachweislich nicht stimmt (es wird nirgends im Film behauptet, die heutige Mindestreserve der Banken sei 10 Prozent), ist dies eine dem Zeitpunkt unwürdige Verunglimpfung unserer Arbeit.

Fazit: Wer einfache Antworten auf komplexe Fragen sucht, dem sei tatsächlich von einem Besuch in Lenzburg abgeraten. Wer allerdings offen ist für neue Perspektiven auf das so alltägliche und gerade darum so rätselhafte, aber gestaltbare Kulturphänomen Geld, wird die Reise nach Lenzburg kaum bereuen.

________________________________________________

Redaktion:
Wir bleiben bei unserer Darstellung. Der Film ist das einzige Exponat, in dem die private Geldschöpfung durch die Banken, die für die Kosten des Geldes entscheidend ist, thematisiert wird. An der Stelle 5 Min. 24 Sekunden wird explizit erklärt: «Die privaten Banken durften das Zehnfache des Geldes der Nationalbank weiter verleihen.» Die hier angeführte Mindestreserve von zehn Prozent bezieht sich auf die Zeit des Goldstandards, ohne dass dies aber gesagt wird und ohne dass der seit längerem gültige Wert von 2,5 Prozent genannt wird.