Kein Brot ist hart,

aber kein Brot ist hart. Eine Ode an das Walliser Roggenbrot, vermutlich das härteste Brot der Welt.

Walliser Roggenbrot (Foto: Klaus Petrus)

Kindheitserinnerung #07: Gspon im Vispertal, Walliser Bergdorf auf 1800 Metern Höhe, sagen wir Ende November, kalt und nass und grau ist es draussen, wir aber dicht an dicht in der holzofengeheizten Stube am Küchentisch. Da richtet mein Vater den Meissel mitten auf dieses Adlerauge, oh weh, und holt mit dem Hammer aus, es macht KRRÄCK und schon zersplittert und zerspringt das Ding nach allen Seiten hin. Wie wunderbar!
Nein, wir waren gewiss keine Tierquäler, wir mussten nur wieder einmal ein Simplilär Roggubrootji auseinanderbrechen, dieses unzweifelhaft urtümlichste Brot auf Gottes Erden, das so hart werden kann wie Stein – und dabei immer noch so himmlisch ist wie nur irgendwas. Einfach ein Traum.

Genug geschwärmt, hier sind die Fakten: das Walliser Roggenbrot wird, so sagt es der Name, überwiegend aus Roggen hergestellt, mindestens 90 %, um genau zu sein. Der Rest ist Weizenmehl, Wasser und Salz. Natürlich haben die Bäcker seit 1209 ihre speziellen Rezepturen, wenn es um die kleinen, feinen Unterschiede geht. Die Magier unter den Walliser Roggenbrotbäckern stammen aus dem Hause Arnold, ein Familienunternehmen seit 125 Jahren, angesiedelt in Simplon Dorf nahe der italienischen Grenze. Das Roggenbrot ist typischerweise rund, grau-braun gekrustet und von schönen, ungleichmässigen Linien durchfurcht.

Was wichtig ist: Nicht jeder oder jede darf irgendwie und irgendwo sein Roggenbrot herstellen, wenn es denn wirklich eines sein soll. Seit 2005 ist die Bezeichnung «Walliser Roggenbrot» nämlich geschützt und dazu gehört ein Pflichtenheft. Es schreibt nebst anderem vor, dass die Produktion und Verarbeitung von Mehl und Brot innerhalb der Walliser Grenzen bleiben müssen, also sind keine fremden Mühlen oder Backöfen erlaubt. À propos Ofen: Früher wurde der Gemeindebackofen nur wenige Male pro Jahr eingefeuert. Genau deswegen musste ein Brot gebacken werden, das die Menschen über Monate hinweg aufbewahren konnten. Das also hart werden durfte, ohne dass es ergraute, sondern kräftig blieb, kompakt und krustig. Und natürlich gesund, weil dermassen reich an Ballaststoffen, Vitaminen, Magnesium, Eisen und Zink.

Aber ja, all das mochte uns Kinder damals nicht kümmern, wir schnappten uns ein Stück des vom mit Vaters Meissel traktierten Laibs und tunkten es in warme Milch, um das Roggubrootji fachgemäss aufzuweichen. Oder wir schoben es in den Mund und kauten darauf herum, bis endlich wieder Frühling war.

  

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