Klimawandel gefährdet staatliche Ordnung
Treffen der G8-Aussenminister in Berlin
Zeitgleich mit der am Montag auf Bali begonnenen internationalen Klimakonferenz sind in Berlin die G8-Aussenminister zu einem zweitägigen Treffen zusammengekommen, um über ein Thema zu sprechen, das in der öffentlichen Klimadebatte nur geringe Beachtung findet. Unter dem Titel «Impulse der Aussenpolitik für eine sichere Energieversorgung und den Klimaschutz» beraten auf Einladung der Bundesregierung, die gegenwärtig den G8-Vorsitz innehat und mit Bundesaussenminister Frank-Walter Steinmeier und Umweltminister Sigmar Gabriel vertreten ist, die Aussenminister der weiteren sieben führenden Industrienationen sowie die EU-Aussenkommissarin Benita Ferrero-Waldner und Vertreter Brasiliens, Chinas, Indiens, Mexikos und Südafrikas über die Rolle der Aussenpolitik in Zeiten der Energieknappheit und Ressourcenkonkurrenz vor dem Hintergrund des sich wandelnden Klimas und seinen gravierenden globalgesellschaftlichen Folgen.
Der Klimawandel bedroht auf vielfältige Weise die staatliche Ordnung, an erster Stelle durch die Verknappung von Wasser und Nahrung (bzw. landwirtschaftliche Fläche) und zu erwartende Ressourcenkämpfe auf regionaler, nationaler wie auch globaler Ebene. Selbst innerhalb der USA, die nach aussen hin wie ein monolithischer Block wirken, bestehen durchaus konträre Interessen der einzelnen Bundesstaaten, insbesondere zwischen den Anrainerstaaten der Flüsse Mississippi, Ohio, Savannah und vor allem des Colorado, der in diesem Jahr zeitweise zu einem Rinnsal verkommen war.
Ein Zerfall der Vereinigten Staaten von Amerika, wie ihn einst die Sowjetunion erlebt hat, scheint zwar weniger wahrscheinlich, aber angesichts rasanter Entwicklungen des Klimas, des Wertverfalls des Dollars und des Bemühens der Washingtoner Zentralregierung, hyperstaatliche Strukturen zu schaffen und mit Mexiko und Kanada einen einzigen Währungsraum zu schaffen, kann man nicht erwarten, dass die staatlichen Strukturen in fünf oder zehn Jahren die gleichen sein werden wie heute.
Wenngleich die Wasserstreitigkeiten innerhalb der USA noch durch die übergreifende staatliche Ordnung gedeckelt werden können, so fällt dies bei zwischenstaatlichen Konflikte weitgehend weg. Klimawandel ist ein destabilisierender Faktor per se; westliche Regierungen, Geheimdienste und Militärs bereiten sich deshalb darauf vor, ihre privilegierte Position notfalls mit Waffengewalt und notfalls gegen die «eigene» Bevölkerung zu bewahren und auszubauen. Wasser und Nahrung werden die am stärksten umkämpften Ressourcen sein, weil sie mehr noch als Energie das unmittelbare Überlebensinteresse berühren. Der rasante Steigflug der Weltmarktpreise für Getreide könnte bereits ein Vorbote dieser düsteren Prognose sein.
Im Vorfeld des Berliner Treffens erklärte Ferrero-Waldner mit Blick auf die Klimakonferenz in Indonesien, dass sich auch die G8-Staaten mit dem Klimawandel befassen müssten. Denn der begegne uns nicht nur bei der Umwelt, «sondern auch bei Sicherheitsfragen». Parallel zu Bemühungen zur Reduzierung von Emissionen, müsse sich die internationale Gemeinschaft über die «potentiell destabilisierenden Folgen des Klimawandels» für die Arbeit mit den gefährdetsten Ländern bewusst sein [Anm. 1]. Der Sicherheitsaspekt spiele bei dem Treffen eine besondere Rolle, wiederholte Ferrero-Waldner am Montag im RBB. Es gehe darum, Energiepartnerschaften zu knüpfen und die «international gültigen Spielregeln» umzusetzen [Anm. 2].
Damit hob sie unter anderem auf die bis heute nicht beigelegte Energieversorgungskrise zwischen der EU und Russland ab. Brüssel versucht, die russische Regierung gefügig zu machen, damit diese ihre privilegierte Position, die sich aus dem Reichtum an Erdgas- und Erdöllagerstätten ergibt, nicht noch stärker ausspielt und dadurch den Westen unter Druck setzt. Gleichzeitig wollen die EU-Staaten die in den letzten Jahren wiedererstarkte Regierung unter Präsident Putin schwächen, damit sie das Land den westlichen Investoren auch in den strategischen Bereichen Energie und Rüstung Tür und Tor öffnet. Wenn es gelänge, einen weiteren Jelzin an die Spitze Russlands zu setzen, besteht die Hoffnung, dass die letzten Reste des staatskapitalistisches Erbes beiseitegefegt würden. Gleichzeitig mit ihrer Kritik am Protektionismus der russischen Regierung schützen die EU-Länder ihre Schlüsselindustrien gegen Beteiligungs- und Übernahmeversuche seitens der russischen Wirtschaft.
In Formulierungen wie «international gültige Spielregeln» verbergen sich allerdings nicht nur die Begehrlichkeiten der EU hinsichtlich der russischen Energieressourcen. Es geht grundsätzlich um die Frage der Weltführerschaft. Dabei kommt der Ressourcensicherung ein wichtige Bedeutung zu, aber eben nicht der einzige. Wenn es beispielsweise der US-Regierung George W. Bushs einzig und allein um die Sicherung des irakischen Erdöls gegangen wäre, wie Kritiker behaupten, hätte sie es billiger haben können als durch einen Krieg. Das globalhegemoniale Projekt der USA und ihres Juniorpartners EU richtet sich vielmehr gegen die Souveränität der Staaten. Wer die «Spielregeln» bestimmt und sie gegebenenfalls nach eigenen Wünschen modifiziert - wie es die transatlantische Achse USA-EU derzeit mit der Aufweichung der von ihr einst initiierten Genfer Konventionen betreibt -, darf darauf hoffen, am Ende als Gewinner aus den weltweiten Verteilungskämpfen hervorzugehen.
Auch die Versorgung mit Uranbrennstoff, die Durchleitung von Erdgas und Erdöl und Themen wie Flüchtlingsabwehr sollen international gültigen «Spielregeln» unterworfen werden, wie EU-Politiker immer wieder durchblicken lassen. So konstatierte Louis Michel, EU-Kommissar für Entwicklung und humanitäre Hilfe, am 24. Oktober dieses Jahres auf einer Sitzung des Exekutivrats des Welternährungsprogramms (WFP - World Food Programme) in Rom, dass die bedürftigsten Bevölkerungsgruppen am stärksten unter dem Klimawandel leiden werden und dass sich EU und WFP darauf einstellen müssten. Es bestehe tatsächlich «die Gefahr, dass es in Zukunft Klimaflüchtlinge geben wird», erklärte Michel [Anm. 3].
Könnte man nicht die vielen tausend Menschen, die Jahr für Jahr versuchen, über das Mittelmeer oder den Atlantik nach Europa zu gelangen, bereits als Klimaflüchtlinge bezeichnen? Durch die diesjährigen gewaltigen Überschwemmungen von West- bis Ostafrika wurden Strassen, Brücken und Häuser zerstört, Brunnen zugeschüttet und Ernten vernichtet. Wenn sich jetzt Menschen beispielsweise aus dem Überschwemmungsgebiet Senegals mit vielen anderen in eine Nussschale zwängen und auf dem Weg zu den Kanarischen Inseln machen, dann zählt das Klima selbstverständlich zu den Fluchtgründen.
Summa summarum: Bei dem G8-Treffen wird darüber diskutiert, wie Flüchtlingsströme künftig besser abgewehrt, die in den Entwicklungsländern «ungenutzt» schlummernden Energieressourcen ausgebeutet und globaladministrative Strukturen geschaffen werden können, um die «Sicherheit» und «Führung» der G8-Staaten sowie der beteiligten Schwellenländer zu bewahren. Jeder einzelne der G8-Staaten wird sich auf die Folgen des Klimawandels einstellen. Das aktuelle Treffen in Berlin, das im Zeichen des Klimawandels und der Sicherheit steht, erinnert daran, dass der Weg der Ressourcensicherung selbstverständlich Bündnisse unter den Konkurrenten einschliesst. Wobei sich angesichts des Globalen Kriegs gegen Terrorismus (GWOT), wie er in den USA genannt wird und an dem auch Deutschland beteiligt ist, einerseits und der wachsenden Repressionen andererseits die Frage nicht mehr stellt, gegen wen sich der Krieg richtet.
Anmerkungen:
[1] EU-Pressemitteilung IP/07/1814, 30. November 2007
www.europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/07/1814&language=DE
[2] AFP, 3. Dezember 2007
http://www.netscape.de/News-Newsticker/961724173.html
[3] EU-Pressemitteilung IP/07/1352, 24. Oktober 2007
www.europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/07/1352&language=DE
Quelle: Elektronische Zeitschrift Schattenblick im MA-Verlag
www.schattenblick.de -> Infopool -> Umwelt -> Redaktion
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/redakt/umkl-308.html
Der Klimawandel bedroht auf vielfältige Weise die staatliche Ordnung, an erster Stelle durch die Verknappung von Wasser und Nahrung (bzw. landwirtschaftliche Fläche) und zu erwartende Ressourcenkämpfe auf regionaler, nationaler wie auch globaler Ebene. Selbst innerhalb der USA, die nach aussen hin wie ein monolithischer Block wirken, bestehen durchaus konträre Interessen der einzelnen Bundesstaaten, insbesondere zwischen den Anrainerstaaten der Flüsse Mississippi, Ohio, Savannah und vor allem des Colorado, der in diesem Jahr zeitweise zu einem Rinnsal verkommen war.
Ein Zerfall der Vereinigten Staaten von Amerika, wie ihn einst die Sowjetunion erlebt hat, scheint zwar weniger wahrscheinlich, aber angesichts rasanter Entwicklungen des Klimas, des Wertverfalls des Dollars und des Bemühens der Washingtoner Zentralregierung, hyperstaatliche Strukturen zu schaffen und mit Mexiko und Kanada einen einzigen Währungsraum zu schaffen, kann man nicht erwarten, dass die staatlichen Strukturen in fünf oder zehn Jahren die gleichen sein werden wie heute.
Wenngleich die Wasserstreitigkeiten innerhalb der USA noch durch die übergreifende staatliche Ordnung gedeckelt werden können, so fällt dies bei zwischenstaatlichen Konflikte weitgehend weg. Klimawandel ist ein destabilisierender Faktor per se; westliche Regierungen, Geheimdienste und Militärs bereiten sich deshalb darauf vor, ihre privilegierte Position notfalls mit Waffengewalt und notfalls gegen die «eigene» Bevölkerung zu bewahren und auszubauen. Wasser und Nahrung werden die am stärksten umkämpften Ressourcen sein, weil sie mehr noch als Energie das unmittelbare Überlebensinteresse berühren. Der rasante Steigflug der Weltmarktpreise für Getreide könnte bereits ein Vorbote dieser düsteren Prognose sein.
Im Vorfeld des Berliner Treffens erklärte Ferrero-Waldner mit Blick auf die Klimakonferenz in Indonesien, dass sich auch die G8-Staaten mit dem Klimawandel befassen müssten. Denn der begegne uns nicht nur bei der Umwelt, «sondern auch bei Sicherheitsfragen». Parallel zu Bemühungen zur Reduzierung von Emissionen, müsse sich die internationale Gemeinschaft über die «potentiell destabilisierenden Folgen des Klimawandels» für die Arbeit mit den gefährdetsten Ländern bewusst sein [Anm. 1]. Der Sicherheitsaspekt spiele bei dem Treffen eine besondere Rolle, wiederholte Ferrero-Waldner am Montag im RBB. Es gehe darum, Energiepartnerschaften zu knüpfen und die «international gültigen Spielregeln» umzusetzen [Anm. 2].
Damit hob sie unter anderem auf die bis heute nicht beigelegte Energieversorgungskrise zwischen der EU und Russland ab. Brüssel versucht, die russische Regierung gefügig zu machen, damit diese ihre privilegierte Position, die sich aus dem Reichtum an Erdgas- und Erdöllagerstätten ergibt, nicht noch stärker ausspielt und dadurch den Westen unter Druck setzt. Gleichzeitig wollen die EU-Staaten die in den letzten Jahren wiedererstarkte Regierung unter Präsident Putin schwächen, damit sie das Land den westlichen Investoren auch in den strategischen Bereichen Energie und Rüstung Tür und Tor öffnet. Wenn es gelänge, einen weiteren Jelzin an die Spitze Russlands zu setzen, besteht die Hoffnung, dass die letzten Reste des staatskapitalistisches Erbes beiseitegefegt würden. Gleichzeitig mit ihrer Kritik am Protektionismus der russischen Regierung schützen die EU-Länder ihre Schlüsselindustrien gegen Beteiligungs- und Übernahmeversuche seitens der russischen Wirtschaft.
In Formulierungen wie «international gültige Spielregeln» verbergen sich allerdings nicht nur die Begehrlichkeiten der EU hinsichtlich der russischen Energieressourcen. Es geht grundsätzlich um die Frage der Weltführerschaft. Dabei kommt der Ressourcensicherung ein wichtige Bedeutung zu, aber eben nicht der einzige. Wenn es beispielsweise der US-Regierung George W. Bushs einzig und allein um die Sicherung des irakischen Erdöls gegangen wäre, wie Kritiker behaupten, hätte sie es billiger haben können als durch einen Krieg. Das globalhegemoniale Projekt der USA und ihres Juniorpartners EU richtet sich vielmehr gegen die Souveränität der Staaten. Wer die «Spielregeln» bestimmt und sie gegebenenfalls nach eigenen Wünschen modifiziert - wie es die transatlantische Achse USA-EU derzeit mit der Aufweichung der von ihr einst initiierten Genfer Konventionen betreibt -, darf darauf hoffen, am Ende als Gewinner aus den weltweiten Verteilungskämpfen hervorzugehen.
Auch die Versorgung mit Uranbrennstoff, die Durchleitung von Erdgas und Erdöl und Themen wie Flüchtlingsabwehr sollen international gültigen «Spielregeln» unterworfen werden, wie EU-Politiker immer wieder durchblicken lassen. So konstatierte Louis Michel, EU-Kommissar für Entwicklung und humanitäre Hilfe, am 24. Oktober dieses Jahres auf einer Sitzung des Exekutivrats des Welternährungsprogramms (WFP - World Food Programme) in Rom, dass die bedürftigsten Bevölkerungsgruppen am stärksten unter dem Klimawandel leiden werden und dass sich EU und WFP darauf einstellen müssten. Es bestehe tatsächlich «die Gefahr, dass es in Zukunft Klimaflüchtlinge geben wird», erklärte Michel [Anm. 3].
Könnte man nicht die vielen tausend Menschen, die Jahr für Jahr versuchen, über das Mittelmeer oder den Atlantik nach Europa zu gelangen, bereits als Klimaflüchtlinge bezeichnen? Durch die diesjährigen gewaltigen Überschwemmungen von West- bis Ostafrika wurden Strassen, Brücken und Häuser zerstört, Brunnen zugeschüttet und Ernten vernichtet. Wenn sich jetzt Menschen beispielsweise aus dem Überschwemmungsgebiet Senegals mit vielen anderen in eine Nussschale zwängen und auf dem Weg zu den Kanarischen Inseln machen, dann zählt das Klima selbstverständlich zu den Fluchtgründen.
Summa summarum: Bei dem G8-Treffen wird darüber diskutiert, wie Flüchtlingsströme künftig besser abgewehrt, die in den Entwicklungsländern «ungenutzt» schlummernden Energieressourcen ausgebeutet und globaladministrative Strukturen geschaffen werden können, um die «Sicherheit» und «Führung» der G8-Staaten sowie der beteiligten Schwellenländer zu bewahren. Jeder einzelne der G8-Staaten wird sich auf die Folgen des Klimawandels einstellen. Das aktuelle Treffen in Berlin, das im Zeichen des Klimawandels und der Sicherheit steht, erinnert daran, dass der Weg der Ressourcensicherung selbstverständlich Bündnisse unter den Konkurrenten einschliesst. Wobei sich angesichts des Globalen Kriegs gegen Terrorismus (GWOT), wie er in den USA genannt wird und an dem auch Deutschland beteiligt ist, einerseits und der wachsenden Repressionen andererseits die Frage nicht mehr stellt, gegen wen sich der Krieg richtet.
Anmerkungen:
[1] EU-Pressemitteilung IP/07/1814, 30. November 2007
www.europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/07/1814&language=DE
[2] AFP, 3. Dezember 2007
http://www.netscape.de/News-Newsticker/961724173.html
[3] EU-Pressemitteilung IP/07/1352, 24. Oktober 2007
www.europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/07/1352&language=DE
Quelle: Elektronische Zeitschrift Schattenblick im MA-Verlag
www.schattenblick.de -> Infopool -> Umwelt -> Redaktion
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/redakt/umkl-308.html
06. Dezember 2007
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