Kultur-Landwirtschaft: Tierhaltung in der Landwirtschaft

Entwicklung, Hintergründe und Folgen der aktuellen Schweizer Agrarpolitik im Bereich der Tierhaltung – im Kapitel 6 der Kultur-Landwirtschaft.

Mia Leu
«Dunkel glänzen ihre Augen aus der Tiefe ihrer Seele.» Foto: Mia Leu

Ziel dieses Kapitels ist es, die Dimensionen der Futtermittelimporte aufzuzeigen, ihre Bedeutung für die Schweizer Landwirtschaft und Tierproduktion zu klären und die negativen Umweltfolgen in der Schweiz und in den Herkunftsländern abzuschätzen.

Zusammenfassung

Ausgangspunkt der Analyse ist die irreführende Aussage, 84% der Futtermittel in der Schweiz würden von «einheimischen Wiesen und Feldern» stammen. Dieser Prozentwert basiert auf der Addition von Rau- und Kraftfutter, zwei Kategorien von Futtermitteln, die nicht addiert werden dürfen, da sie nur begrenzt substituierbar und damit nicht direkt vergleichbar sind.

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Dieser Beitrag stammt aus dem neuen Zeitpunkt-Magazins zum Thema: Das Hohelied der Landwirtschaft - hier können Sie es bestellen.
Den komplette Text von Andreas Beers veröffentlichen wir sukzessive.

Raufutter wird hauptsächlich von Wiederkäuern gefressen. Fleisch stammt jedoch hauptsächlich von Schweinen und Geflügel, die auf Kraftfutter angewiesen sind. Raufutter kommt zu gegen 100% aus dem Inland, Kraftfutter dagegen zu über 50% aus dem Ausland. Besonders knapp ist Protein: Rund 70% des Proteins im Kraftfutter stammen aus Importen (v.a. Soja).

Ohne die heutigen Futtermittelimporte würden deshalb vor allem die Tierbestände, die auf Kraftfutter angewiesen sind, deutlich zurückgehen. Gemäss Modellrechnungen könnten auf Basis von Inlandfutter 94% der Schafe und Ziegen, 85% des Rindviehs, 39% der Schweine und 17% des Geflügels gehalten werden. Die Fleischproduktion wäre mit 21 kg pro Kopf und Jahr halb so gross wie heute. Schweinefleisch bliebe die wichtigste Fleischsorte, obwohl sie im Vergleich zu heute mehr als halbiert würde. Geflügelfleisch würde praktisch verschwinden. Jedoch könnten immer noch rund 350 kg Milch pro Kopf und Jahr produziert werden.

Die Schweizer Landwirtschaft ist auf die Tierproduktion spezialisiert. Auf rund 90% der Landwirtschaftsflächen wächst Futter für Tiere. Als Folge der Futtermittelimporte kommen mindestens 200 000 Hektaren Ackerfutterflächen im Ausland hinzu. Auf diesen wachsen Sojabohnen, Weizen, Mais etc.

Seit Mitte 1990er Jahre haben die Futtermittelimporte stark zugenommen. Die meisten Futtermittel werden aus Europa importiert. Das wichtigste importierte Eiweissfutter ist Soja, aufgrund der öffentlichen Kritik stammt auch Soja vermehrt aus Europa. Die meisten importierten Futtermittel konkurrieren unmittelbar die menschliche Ernährung. Sie stammen von Kulturen, die wir Menschen direkt essen können. Dazu zählen nicht nur alle Getreidearten wie Weizen, Mais, Reis, Hafer und Gerste, sondern auch Sojabohnen.

In der intensiven Tierproduktion werden die vielen Kalorien in pflanzlichen Nahrungsmitteln, die wir Menschen direkt essen könnten, in wenige tierische Nahrungsmittel-Kalorien umgewandelt. Die Produktion von Fleisch «vernichtet» dabei deutlich mehr pflanzliche Nahrungsmittel-Kalorien als diejenige von Milch. Denn in der Milch steckt immer noch viel Gras, das nur Kühe und andere Wiederkäuer verdauen können.

Soja ist das global wichtigste Eiweissfuttermittel. Ursprünglich wurden Sojabohnen in Asien für die menschliche Ernährung kultiviert. Heute gehen rund 75% der globalen Produktionsmenge in die Tierfütterung, davon mehr als die Hälfte in die Poulet-Mast. Während global Geflügel anteilsmässig am meisten Sojaeiweissfutter frisst, steht in der Schweiz das Rindvieh an erster Stelle. Dies ist die Folge des zentralen Stellenwerts der Milchproduktion und der Zucht von Leistungsrassen, die auf proteinreiches Kraftfutter angewiesen sind.

Die globale Sojaproduktion ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen, in Brasilien exponentiell. Soja wird etwa zur Hälfte in den Anbauländern verfüttert bzw. konsumiert, während die andere Hälfte international gehandelt wird. Die Hauptproduktions- und Exportländer sind die USA und Brasilien. Die Hauptimportländer sind China und die EU.

Brasilien ist immer noch die wichtigste Herkunftsregion von Schweizer Sojaimporten. Das Land baut Sojabohnen für den Weltmarkt an: rund 90% der Produktion werden exportiert. Nur 5% der Landwirtschaftsbetriebe Brasiliens kultivieren Soja, und nur 16% der Sojaanbaubetriebe sind Familienbetriebe. In den vergangenen 20 Jahren wurde die Produktion vor allem in den ökologisch wertvollen Biomen Cerrado und Amazonas ausgedehnt. Dort betragen die durchschnittlichen Sojaanbauflächen 930 ha (Amazonas) bzw. 550 ha (Cerrado).

Schweizer Futtermittelimporte – Entwicklung, Hintergründe, Folgen:

Die Lieferketten für in die Schweiz importierte Soja sind intransparent. Die Bezeichnung «verantwortungsbewusst produziert» beschönigt die Sojaproduktion in Brasilien und den Sojahandel. Gemäss Recherchen stammen die Schweizer Soja-Importe aus Brasilien von spezialisierten Grossbetrieben mit intensivem Sojaanbau, monotonen Fruchtfolgen und hohem Pestizideinsatz. Sie befinden sich mehrheitlich im Bundesstaat Mato Grosso, d.h. im Cerrado- oder Amazonas-Biom, wo in den vergangenen Jahrzehnten am meisten Flächen gerodet wurden. Auch ProTerra-zertifizierte Soja stammt von ursprünglichen Regenwald- (Amazonas) oder Savannenflächen (Cerrado). «Zero deforestation» bezieht sich nur auf das letzte Jahrzehnt.

Tierische Nahrungsmittel sind auch in der Schweiz ein Milliardengeschäft. Die Lieferketten weisen bei den Vorleistungen (Futtermittel), bei der Verarbeitung (Fleisch, Molkereimilch) sowie beim Gross- und Detailhandel eine hohe Marktkonzentration auf. Wenige Unternehmen, besonders die Mischkonzerne Coop, Migros und fenaco, dominieren die Märkte. Die Industrialisierung der Produktion in effizienten internationalen Lieferketten ist am stärksten fortgeschritten bei der Eier- und Poulet-Produktion. Die Lieferketten sind auch hier wenig transparent.

Gemäss Modellrechnungen sind von den gesamten Treibhausgas-Emissionen der Schweizer Landwirtschaft mehr als 50% direkt der Tierproduktion zuzurechnen, 20% der übrigen Landwirtschaft und rund 30% fallen in den Anbauländern der Futtermittel an. Ohne Futtermittelimporte wären die Treib- hausgas-Emissionen 40% geringer. Auch die Stickstoff-Überschüsse der Schweizer Landwirtschaft sind grösstenteils eine Folge der Tierproduktion. Mehr als 90% der Überschüsse fallen in der Schweiz an. Ohne Futtermittelimporte wären die Stickstoff-Überschüsse in der Schweiz um 26% kleiner.

Die Ergebnisse der Recherchen und Modellrechnungen münden in fünf Schlussfolgerungen:

  1. «Die Werbebilder und -botschaften der Branche sind irreführend und beschönigen die Schweizer Tierproduktion und ihre Importabhängigkeit. Sie prägen die Vorstellungen der Bevölkerung und erhöhen die Nachfrage nach tierischen Nahrungsmitteln «aus der Schweiz».

  2. Die Politik trägt wenig zur Aufklärung der Bevölkerung über die Schweizer Tierproduktion bei. Sie unterstützt die irreführenden Bilder und Botschaften durch die amtliche Terminologie und Berichterstattung. Die Politik begünstigt die Produktions- und Absatzinteressen vor den vielen weiteren gesellschaftlichen Anliegen (z.B. Gesundheit, Umwelt, Tierschutz, Transparenz, volkswirtschaftliche Kosten, Versorgungssicherheit).

  3. Von den Futtermittelimporten profitiert nicht die Schweizer Landwirtschaft am meisten. Denn die Landwirtschaft ist für ihr Einkommen nicht nur auf die Produktion angewiesen; sie erhält einkommenssichernde Direktzahlungen. Die Importe sind vielmehr im Interesse der vor- und nachgelagerten Industrien. Sie sind es, die hauptsächlich von einer hohen Tierproduktion zu vergünstigten Preisen profitieren.

  4. Die Schweizer Geflügelmast ist ein deutliches Beispiel: Von der Verdopplung der Produktion in den letzten 20 Jahren haben wenige vor- und nachgelagerte Unternehmen, eine Handvoll globaler Zuchtunternehmen und nur ein kleiner Teil der Landwirtschaftsbetriebe profitiert. Die Ausdehnung der Geflügelmast ist eine fragwürdige Entwicklung in der Schweizer Tierproduktion. Durch die Umwelt- und Klimadebatte wird sie noch gefördert, denn Poulet gilt als ressourceneffizient und «klimafreundlich».

  5. Als Leitidee für die Zukunft wird vorgeschlagen, die Schweizer Tierproduktion an die lokalen Ökosystemgrenzen in der Schweiz anzupassen und den Konsum der Schweizer Bevölkerung an die globalen Ökosystemgrenzen. Dies würde bedeuten, den Fleischkonsum mindestens zu halbieren.

An dieser Stelle soll nochmals deutlich gesagt werden, dass die biologische und konventionelle Landwirtschaft fast gleichermassen davon betroffen ist. Die von Franziska Herren geführten, eidgenössischen Volksinitiativen «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung» (abgelehnt 2020) und die «Initiative für ein sichere Ernährung» (aktuell 2024) sind konkrete und realisierbare politische Ansätze für den Weg hin zu einer Kultur-Landwirtschaft der Zukunft! 

Der Mensch und seine Haustiere – die Geschichte einer Jahrtausend alten Beziehung

Unsere Haustiere sind empfindsame seelische Wesen. Sie haben sich durch ihr Leben im Zusammensein mit uns Menschen vom Wild- zum Haustier entwickelt. Wohin mit diesen Wesen, wenn wir sie in Zukunft nicht mehr brauchen?

Zurecht fordern wir heute das Ende der unsäglich leidvollen industriellen Massentierhaltung. In erster Linie ist es eine unwürdige, das Leben und Wesen der Haustiere verachtende Entwicklung der letzten Jahrzehnte. Die Folgen dieser Tierhaltung und der damit verbundenen Landwirtschaft und Agrarpolitik auf die Umwelt sind heute unbestritten und bekannt: Tierquälerei, Umweltzerstörung durch Wasser- und Luftverschmutzung, Bodenerosion und Zerstörung der autonomen Lebensmittelerzeugung in vielen Ländern der Erde.

Die Haustiere und ihr Wesen gestalteten unsere Vergangenheit mit, sie dienten stets zu unserem Wohle. Wir sollten ihnen also eine würdige Gegenwart und eine lebenswerte Zukunft schenken.

Immer mehr Menschen bevorzugen heute eine vegetarische oder vegane Ernährung. Gleichzeitig zeigt sich in diesem Zusammenhang ein oberflächliches Umweltbewusstsein, mit Forderungen und Vorstellung an die Landwirtschaft und Agrarpolitik, die von Unkenntnis strotzen. Das eigene Verhalten wird hierbei selten gründlich reflektiert. Die Lebensmittelindustrie und Werbung reagieren darauf wie gewohnt schnell und geschäftstüchtig. Vegane und vegetarische Produkte stammen daher oft aus ökologisch und ökonomisch nicht sinnvoller Produktionsweise und Rohstoffherkunft.

Die Politisierung auf der einen und das unwissend-emotionale Verhalten der Konsumenten auf der anderen Seite verhindert oft eine sachgemässe Behandlung der Problematik. Ein Beispiel für die Politisierung dieses Themas zeigte sich auf der Klimakonferenz, die bis Mitte diesen November im schottischen Glasgow stattfand. Dort haben sich mehr als 100 Staaten zum Methan-Pakt zusammengeschlossen und angekündigt, die Emissionen des Gases zum Ende des Jahrzehnts um mindestens 30 Prozent senken zu wollen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Biden gaben der Öffentlichkeit das Vorhaben bekannt: «Die Reduktion von Methan sei eines der wichtigsten Dinge, die wir bis 2030 tun können, um das 1,5-Grad-Ziel in Reichweite zu halten.» Also da wird von Methan gesprochen nicht von CO2!

Damit werden vermutlich genau jene 30 Prozent vom Menschen verursachten Methan-Emissionen angesprochen, die die globale Massentierhaltung erzeugt. Die Fleischindustrie mit einem Marktwert von rund 900 Milliarden Dollar ist ein bedeutender Teil der globalen Nahrungsmittelwirtschaft und sie steht in diesem Zusammenhang vor einem historischen Problem.

Die Lösung liegt auf der Hand: Ganz offensichtlich mit Hilfe der Biotechnologie, und zwar mit In-vitro-Fleisch, das aus den Zellen lebender Tiere gezüchtet wird. Seit einigen Jahren arbeiten weltweit viele Startup-Unternehmen an Alternativen zu Fleisch, Eier und Milchprodukten. Mehrere Milliarden Dollar wurden inzwischen schon in deren Forschung investiert. Unter anderem auch von den weltweit grössten Fleischkonzernen Tyson Foods und Cargill. Da zeigt sich doch flexibles Umweltbewusstsein. Das ist verständlich, denn man geht mit der Zeit und folgt weiter dem Geld.

Wohin mit diesen Wesen, wenn wir sie in Zukunft nicht mehr brauchen? Aussterben lassen? Das ginge sehr lange und wäre zu teuer. In einen Haustierzoo pferchen und von jeder Art ein Paar erhalten, wäre das die Lösung? Denn – wie schon gesagt: Unsere Haustiere sind empfindsame seelische Wesen. Sie haben sich durch ihr Leben mit uns Menschen vom Wild- zum Haustier entwickelt.

Unsere Haustiere, ein beseeltes Kulturerbe – neue Wege für eine gemeinsame Zukunft

Über Jahrtausende waren die Haustiere treue Begleiter des Menschen. Ihre Evolutionsgeschichte hat sich dadurch grundlegend verändert.

Dunkel glänzen ihre Augen aus der Tiefe ihrer Seele. Sie schaut nicht mit den Augen – mit ihrem ganzen Wesen erlebt sie unsere Welt. Ich halte Antigone, die schwarz-weiss gescheckte Kuh, an einem Strick. Sie reibt ihren Kopf an meiner Schulter, leckt mir mit ihrer rauen Zunge über die Hand. Aus ihren Nüstern dampft es warm in den kalten, weiss gekachelten Raum. Der Dorfmetzger setzt ihr den Bolzenschussaparat auf ihre Stirn, dort wo ihr weisser Haarwirbel leuchtet: Ein lauter Knall und Antigone sinkt Sekunden schnell zu Boden. So endet ihr Leben nach 21 Jahren, ein langes friedliches Kuhleben - sie hat mir bis zu ihrem Tod vertraut.

Wer mit Haustieren gelebt und gearbeitet hat, weiss wie es sich anfühlt, dieses unglaubliche Vertrauen, das sie uns entgegenbringen. Diese besondere Art des Vertrauens zwischen Menschen und Haustieren ist das Erbe einer Jahrtausend alten Beziehung. Die besondere Beseeltheit unserer Haustiere, die sich darin zeigt, unterscheidet sich wesentlich von jener der Wildtiere. Dieser Unterschied ist die Folge ihres Lebens, Seite an Seite im Sozialgefüge des Menschen. Den Haustieren wie den Wildtieren gebührt deshalb eine wesensgerechte Zuwendung.

Unsere heutige Welt hat sich diesbezüglich fundamental geändert. Die Haustiere wurden Stück für Stück aus unseren sich auflösenden organischen Gemeinschaftsformen entlassen. Wir leben nicht mehr mit, sondern gegen die Natur. Unsere Ansichten und Vorstellungen gegenüber den Haustieren tönen heute unter andrem so: Die Kühe und Schweine sind Klimakiller, Schafe und Ziege sind ökotaugliche Rasenmäher für landschaftspflegende Massnahmen, das Pferd fristet ein kurioses, aber doch dekoratives Dasein bei betuchten Pseudobauern.

Im öffentlichen Diskurs über Tierhaltung, Klimawandel und Umweltschutz zeigt sich ein realitätsfremdes, emotional aufgeladenes Schwarzweis-Denken. Dies lenkt von den wahren Ursachen der Missstände ab. Unsere Haustiere sind zu buchhalterischen Faktoren mutiert. Das Resultat ist Massentierhaltung: Das Tierwohl wird missachtet, die Natur wird massiv belastet.

Brauchen wir also unsere Haustiere noch? Ich behaupte ja, denn wir haben noch eine lange gemeinsame Zukunft vor uns. Und dies nicht wegen der Wurst auf dem Grill. Wie könnte also der nächste Schritt auf diesem Weg dahin aussehen?

Unsere Haustiere als beseelte Wesen wertschätzen, wäre der erste Schritt auf diesem Weg. Wir müssen ihre Stellung innerhalb unserer gemeinsamen kulturgeschichtlichen Entwicklung anerkennen und würdigen. Dies bildet die Grundlage in der Auseinandersetzung mit den damit verbundenen ethischen Fragen: zum Beispiel die Frage nach der Form ihrer Nutzung und im Besondern die Frage nach der Tötung unserer Haustiere, die unvermeidbar damit verbunden ist. Ihr Leben beginnt mit der Geburt und endet mit ihrem Tod.

Das Wesentliche dabei ist, wie sich diese Dreiheit, sprich Geburt, Leben und Tod, auf ihr Seelenleben auswirkt – war es friedlich oder qualvoll? – denn das Seelische existiert weiter. Haben wir dieses Faktum einmal verinnerlicht, sprich gefühlt im Herzen und erkannt durch ein wesensgemässes Studium der Natur, dann eröffnen sich ungeahnte neue Wege für eine gemeinsame Zukunft.


(1) Schweizer Futtermittelimporte – Entwicklung, Hintergründe, Folgen. Priska Baur, Patricia Krayer. Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW Wädenswil 2021



12. Juni 2024
von:

Kommentare

Tatsachen klarstellen

von sojanetzwerk
Es haben sich zwei wesentliche Falschaussagen im Bericht eingeschlichen:  "Brasilien ist immer noch die wichtigste Herkunftsregion von Schweizer Sojaimporten" --> Seit 2020 wird mehr Futter-Soja aus europäischem Anbau in die Schweiz importiert als aus Brasilien. Im Jahr 2023 stammten 97% der importierten Futter-Soja aus Europa. "Die Lieferketten für in die Schweiz importierte Soja sind intransparent."--> im Jahresbericht und auf der Website vom Soja Netzwerk finden Sie alle aktuellen Informationen zum Import, den Anbauländer, den Lieferanten, den Zertifizierungen, dem CO2-Fussabdruck (-85% seit 2010) usw. Den Jahresbericht können Sie unter www.sojanetzwerk.ch herunterladen. 

Kultur-Landwirtschaft: Richtigstellen von Tatsachen...

von cld

– und das Wesentliche dabei nicht ausblenden
von Andreas Beers

 

Symbolbild: Gettyimages.ru ©

Symbolbild: Gettyimages.ru ©

Vielen Dank für den, leider, anonymen Kommentar von sojanetzwerk. Der Kommentar zu meinem Beitrag (Kultur-Landwirtschaft: Tierhaltung in der Landwirtschaft / Zeitpunkt 12. Juni 2024), bezieht sich auf die dort von mir zitierten Ausschnitte aus: Schweizer Futtermittelimporte – Entwicklung, Hintergründe, Folgen. Von Priska Baur, Patricia Krayer. Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW Wädenswil 2021.

 

  1. Brasilien ist immer noch die wichtigste Herkunftsregion von Schweizer Sojaimporten

Die in dieser Studienarbeit, erwähnten Angaben beziehen sich offenbar auf Verhältnisse vor 2020. Die Aussagen sind also richtig, aber entsprechen nicht mehr den aktuellen Verhältnissen. Es ist also in diesem Kontext keine Falschaussage. Vielen Dank trotzdem, für die aktuelleren Angaben die ich hiermit noch präzisieren will:

Anbauländer der Soja-Importe 2023 (in Tonnen) Quelle: Soja Netzwerk / Réservesuisse

Italien: 123`275 Tonnen (58%)

Ukraine 31`207 Tonnen (15%)

Österreich 17`637 Tonnen (8%)

Deutschland 7`186 Tonnen (4%)

Ungarn 7`160 Tonnen (3%)

Polen 7`160 (3%)

  Übriges Europa 18`678 Tonnen (9 %)

  1. Intransparente Lieferketten

Ob die Lieferketten zum Zeitpunkt der Recherchen dieser wissenschaftlichen Arbeit intransparent waren, kann ich persönlich nicht beurteilen. Ich gehe davon aus, dass entsprechende Parameter zur Feststellung diesbezüglich angewendet worden sind.

 

Das Wesentliche nicht ausblenden

Sogenannte Fakten oder Sachverhalte ändern sich im Laufe der Zeit. Wir sollten deshalb das Wesentliche, das in der Regel von längerer Dauer ist, im Fokus behalten, um Aufgaben oder Probleme zu verstehen und um Lösungsansätze daraus abzuleiten. Darum:

Die Ergebnisse der Recherchen und Modellrechnungen münden in fünf Schlussfolgerungen:

  1. «Die Werbebilder und -botschaften der Branche sind irreführend und beschönigen die Schweizer Tierproduktion und ihre Importabhängigkeit. Sie prägen die Vorstellungen der Bevölkerung und erhöhen die Nachfrage nach tierischen Nahrungsmitteln «aus der Schweiz».
  2. Die Politik trägt wenig zur Aufklärung der Bevölkerung über die Schweizer Tierproduktion bei. Sie unterstützt die irreführenden Bilder und Botschaften durch die amtliche Terminologie und Berichterstattung. Die Politik begünstigt die Produktions- und Absatzinteressen vor den vielen weiteren gesellschaftlichen Anliegen (z.B. Gesundheit, Umwelt, Tierschutz, Transparenz, volkswirtschaftliche Kosten, Versorgungssicherheit).
  3. Von den Futtermittelimporten profitiert nicht die Schweizer Landwirtschaft am meisten. Denn die Landwirtschaft ist für ihr Einkommen nicht nur auf die Produktion angewiesen; sie erhält einkommenssichernde Direktzahlungen. Die Importe sind vielmehr im Interesse der vor- und nachgelagerten Industrien. Sie sind es, die hauptsächlich von einer hohen Tierproduktion zu vergünstigten Preisen profitieren.
  4. Die Schweizer Geflügelmast ist ein deutliches Beispiel: Von der Verdopplung der Produktion in den letzten 20 Jahren haben wenige vor- und nachgelagerte Unternehmen, eine Handvoll globaler Zuchtunternehmen und nur ein kleiner Teil der Landwirtschaftsbetriebe profitiert. Die Ausdehnung der Geflügelmast ist eine fragwürdige Entwicklung in der Schweizer Tierproduktion. Durch die Umwelt- und Klimadebatte wird sie noch gefördert, denn Poulet gilt als ressourceneffizient und «klimafreundlich».
  5. Als Leitidee für die Zukunft wird vorgeschlagen, die Schweizer Tierproduktion an die lokalen Ökosystemgrenzen in der Schweiz anzupassen und den Konsum der Schweizer Bevölkerung an die globalen Ökosystemgrenzen. Dies würde bedeuten, den Fleischkonsum mindestens zu halbieren.»

An dieser Stelle soll nochmals deutlich gesagt werden: Dass die biologische und konventionelle Landwirtschaft, was den Import- oder Export von Futtermittel betrifft, fast gleichermassen von den fünf Schlussfolgerungen betroffen ist. Von realer Nachhaltigkeit, um auf diesen überstrapazierten Begriff hinzuweisen, kann in keiner Weise gesprochen werden, weder auf dem ökonomischen, ökologischen noch dem landwirtschaftlich- und gesellschaftlich sozialen Felde (siehe nachfolgend). Dies gilt sowohl für die Import- wie Exportländer.

Über das «Land-Grabbing» am Beispiel Ukraine (illegalen Aneignung von Agrarland durch internationales Großkapital)

«Eine der Voraussetzungen für die Finanzhilfen war eine neue Privatisierung im ukrainischen Agrarsektor, die in erster Linie den Kauf und Verkauf von Ackerflächen betraf. Zu dem Zeitpunkt verfügte die Ukraine mit mehr als 40 Millionen Hektar Ackerland über die größten landwirtschaftlich nutzbaren Flächen in Europa und rund 25 Prozent der weltweiten Schwarzerde Vorkommen. Weil der Verkauf dieser Ressourcen damals gesetzlich jedoch verboten war, kam es in den Folgejahren zum sogenannten Land-Grabbing – einer illegalen Aneignung von Agrarland durch internationales Großkapital, wie etwa multinationale Konzerne, Investmentfonds sowie andere ausländische (in der Regel westliche) Finanzstrukturen. Nach übereinstimmenden Medienberichten bekamen sie dank ihrer Verbindungen zu ukrainischen Oligarchen und anderen Vertretern der Elite die Kontrolle über einen großen Teil des fruchtbaren Landes der Ukraine, im Gegenzug erhielt die ukrainische Regierung weiterhin die Finanzierung aus dem Ausland.

Als Voraussetzung für noch mehr Zahlungen galt die Landreform 2020, die das bestehende Moratorium gegen Landkäufe in der Ukraine aufhob und so zunächst die Privatisierung von Ackerflächen für ukrainische Privatpersonen legalisierte. Dank ihrer Verbindung zu ukrainischen Oligarchen haben internationale Investoren dadurch indirekt die Möglichkeit erhalten, an weitere Agrarflächen zu kommen.

Im vergangenen Dezember wurde die Privatisierung nach einer zweiten Etappe der Landreform erneut liberalisiert: Ab dem 1. Januar 2024 können auch Unternehmen, deren Eigentümer Staatsbürger der Ukraine sind, Land kaufen. Zudem können jetzt 100.000 statt 10.000 Hektar Nutzfläche von je einer Person oder einem Unternehmen erworben werden.

Interessen der ukrainischen Agrarier gefährdet

Noch im Vorfeld dieser Gesetzesänderung hatte der ukrainische Minister für Agrarpolitik und Ernährung Nikolai Solski erklärt, dass man in der Ukraine "bequeme Regeln schaffen muss", die nicht schlechter sein sollten als in jenen Ländern, in denen bereits Geld in den Erwerb von Ackerflächen investiert wird. Dies verdeutlicht, schreibt die Nachrichtenagentur TASS, dass die ukrainischen Behörden den Verkauf von Agrarland an ausländische Investoren durchaus in Betracht ziehen, auch wenn die Gesetzgebung es derzeit noch nicht erlaubt. So eine Entwicklung würde das Ende der mittelständischen Produzenten bedeuten, und deswegen sei man gegen die Reformen der Regierung, betont der "Ukrainische Agrarrat" – ein Branchenbündnis aus mehr als 1.000 Unternehmen, dem insgesamt rund 3,5 Millionen Hektar Ackerland gehören. Der Rat hatte in Bezug auf die zweite Phase der Landreform in einer Online-Petition gefordert, diese Gesetzesänderung bis zum Ende des Konflikts mit Russland zu verschieben, da die ukrainischen Unternehmen aufgrund von logistischen Schwierigkeiten und den niedrigen Agrarpreisen schon das zweite Jahr in Folge finanzielle Verluste verzeichnen würden. Laut dem kürzlich veröffentlichten Bericht des US-amerikanischen Oakland Institute War an Theft: The Takeover of Ukraine`s Agricultural Land (zu Deutsch: Krieg und Diebstahl: Die Übernahme des Agrarlandes der Ukraine), in dem unter anderem die finanziellen Interessen und andere treibende Kräfte der Privatisierung näher beleuchtet werden, sollen ukrainische Oligarchen und internationale Großkonzerne inzwischen mehr als neun Millionen Hektar beziehungsweise mehr als 28 Prozent des ukrainischen Ackerlandes kontrollieren. Demnach seien hauptsächlich europäische und nordamerikanische Interessen sowie Staatsfonds aus Saudi-Arabien im Spiel.

Der Policy Director des Oakland Institute und Mitautor des Berichts Frédéric Mousseau bringt die dramatische Entwicklung im ukrainischen Agrarsektor wie folgt auf den Punkt: "Dies ist eine Lose-Lose-Situation für die Ukrainer. Während sie sterben, um ihr Land zu verteidigen, unterstützen Finanzinstitute heimtückisch die Konsolidierung des Ackerlandes durch Oligarchen und westliche Finanzinteressen. In einer Zeit, in der das Land mit den Schrecken des Krieges konfrontiert ist, müssen die Regierung und die westlichen Institutionen auf die Forderungen der ukrainischen Zivilgesellschaft, der Akademiker und der Landwirte hören und die Landreform sowie den derzeitigen Verkauf von Agrarflächen aussetzen." Denn es gehe darum, so Mousseau, ein Agrarmodell zu schaffen, "das nicht mehr von Oligarchie und Korruption dominiert wird", sondern das dazu verhilft, dass das "Land und die Ressourcen von allen Ukrainern kontrolliert werden und ihnen zugutekommen".»

Die Lage im Agrarsektor der Ukraine wird zunehmend problematisch. Der Grund dafür ist nicht nur der Krieg, sondern auch das Vorgehen der Kiewer Regierung, die mit dem Verkauf von ukrainischem Ackerland die Interessen der eigenen Bevölkerung ignoriert.»

(Quelle: https://de.rt.com/meinung/197269-kiew-forciert-verkauf-von-agrarland-entgegen-ukrainischen-interessen )