"Mein Urlaub ist Urlaub von der Mobilität"

Verkehrs- und Umweltminister sind automüde

Viele Minister sind mit der eigenen Verkehrsmittelwahl nicht zufrieden. Das hat eine Umfrage der Allianz pro Schiene zum Mobilitätsverhalten von Umwelt- und Verkehrsministern in Deutschland, Österreich und der Schweiz ergeben. Gefragt waren Angaben zur Verkehrsmittelwahl bei der Fahrt ins Büro, bei Dienstreisen und im Urlaub, während gleichzeitig Kriterien für die Wahl bewertet werden sollten. "Sachzwang" kreuzte die grosse Mehrheit der Minister an, wenn es darum ging, die Fahrt mit dem Dienstwagen zu begründen. Andere Kriterien wie "Preis" oder "Gewohnheit" waren den Angaben zufolge wenig ausschlaggebend, "Umweltverträglichkeit" und "Bequemlichkeit" kamen häufig erst an zweiter oder dritter Stelle. "Prestige" als Grund für die Wahl des Verkehrsmittels landete weit abgeschlagen auf dem letzten Platz.

Insgesamt weisen die Angaben der politischen Entscheidungsträger für Umwelt- und Verkehrsfragen auf eine gewisse Automüdigkeit und fast schon Mobilitätsverdrossenheit hin. Bundesverkehrminister Wolfgang Tiefensee (SPD) zeichnete für die Umfrage seinen wirklichen und seinen Wunsch-Modal-Split auf: Während der Minister nach eigenen Angaben tatsächlich 60 Prozent seiner Fahrten im Auto verbringt (Flugzeug: 20 %, Bahn: 15 % und zu Fuss 5 %), sagt sein Wunsch-Diagramm das Gegenteil: Bahn: 50 %, Fahrrad:  25%, zu Fuss: 15 %. Dem Dienstwagen und dem Flugzeug würde Verkehrsminister Tiefensee am liebsten nur je fünf Prozent zuteilen.

Als "bekennenden Autofahrer" bezeichnete sich am Ende nur ein einziger Politiker: Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Jörn Biel (parteilos), der aber zugleich angab, im Urlaub "Fahrrad" und "Pferd" als Fortbewegungsmittel zu bevorzugen. Baden-Württembergs Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) antwortete, dass für sie "zwangsläufig der Dienstwagen das Hauptverkehrsmittel" sei, fügte aber hinzu, dass sie "so oft es geht auf öffentliche Verkehrsmittel wie die Bahn" umsteige. Viel programmatischer formulierte es der Schweizer Verkehrsminister Moritz Leuenberger: Er werde seinen Urlaub zu Hause verbringen. "Urlaub ist Urlaub von der Mobilität."

Keiner der befragten Politiker macht im Sommer 2009 im nichtdeutschsprachigen Ausland Urlaub, die meisten bleiben sogar im eigenen Bundesland. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) verzichtet in der Sommerpause ganz auf einen Urlaub. Sein bevorzugtes Verkehrsmittel am Urlaubsort wäre dennoch das Fahrrad. Bei Fahrten ins Büro oder Dienstreisen wählt der Bundesumweltminister jedoch auch nicht nach Neigung, sondern vor allem nach - natürlich: "Sachzwang".


Zur Umfrage im Einzelnen: Der zweiseitige Fragebogen ging an alle Verkehrs- und Umweltministerien in Deutschland - auf Bundes- und auf Länderebene. Ebenfalls haben wir die Bundesminister beider Ressorts in der Schweiz und Österreich um ihre Antworten gebeten. Von 34 Anfragen kamen 13 Fragebögen - meist handschriftlich ausgefüllt - zurück.

Es haben geantwortet:

- Wolfgang Tiefensee (Deutschland/SPD), Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
- Sigmar Gabriel (Deutschland/SPD), Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
- Moritz Leuenberger (Schweiz/SP), Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation
http://www.allianz-pro-schiene.de/cms/upload/media/PMs/PMs_09/Texte_I09/Umfrage_Leuenberger_Schweiz.pdf


- Tanja Gönner (Baden-Württemberg/CDU), Umweltministerium
- Katrin Lompscher (Berlin/Die Linke), Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz
- Reinhold Dellmann (Brandenburg/SPD), Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung
- Reinhard Loske (Bremen/Die Grünen), Senator für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa
- Dieter Posch (Hessen/FDP), Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung
- Stefan Mörsdorf (Saarland/CDU), Ministerium für Umwelt
- Joachim Rippel (Saarland/CDU), Ministerium für Wirtschaft und Wissenschaft, auch zuständig für Verkehr
- Thomas Jurk (Sachsen/SPD), Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit
- Christian von Boetticher (Schleswig-Holstein/CDU), Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume
- Jörn Biel (Schleswig-Holstein/parteilos), Ministerium für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr

Alle Antwortbögen der Minister sind hier veröffentlicht:
http://www.allianz-pro-schiene.de/deutsch/Minister-Umfrage-zur-Verkehrsmittelwahl.html
Die Allianz pro Schiene ist das Bündnis in Deutschland zur Förderung des umweltfreundlichen und sicheren Schienenverkehrs. In dem Bündnis haben sich 16 Non-Profit- Verbände zusammengeschlossen: die Umweltverbände BUND, NABU, Deutsche Umwelthilfe und NaturFreunde Deutschlands, die Verbraucherverbände Pro Bahn, DBV und VCD, die Automobilclubs ACE und ACV, die drei Bahngewerkschaften TRANSNET, GDBA und GDL sowie die Eisenbahnverbände BDEF, BF Bahnen, VBB und VDEI. Die Mitgliedsverbände vertreten mehr als 2 Millionen Einzelmitglieder. Unterstützt wird das Schienenbündnis von 92 Unternehmen der Bahnbranche.