Netzwerk «Autofrei Wohnen Schweiz» gegründet

In der Schweiz gibt es einige lokale Initiativen, die Projekte für autoarmes oder autofreies Wohnen realisieren wollen. Am weitesten fortgeschritten sind dabei drei Projekte in Zürich sowie Bern und Umgebung. Mit einer Veranstaltung im Kraftwerk1 in Zürich wurde das Netzwerk «Autofrei Wohnen Schweiz» gegründet, das den informellen und fachlichen Austausch unter den Mitgliedern fördern soll.

Martin Schmitz, Vorstandsmitglied von Kraftwerk1 betonte die Vorteile des autoarmen Wohnens: „Eine bisher unveröffentlichte Studie des Planungsbüros Jud weist für die Bewohner des Kraftwerk1 einen um 46 Prozent geringeren Mobilitätsenergieverbrauch gegenüber dem nationalen Durchschnitt aus. Dabei liefern die BewohnerInnen einen bedeutenden Beitrag an eine bessere Umwelt- und Lebensqualität in der Stadt Zürich.“

Beispiel Stadt Zürich: Bedürfnis nach Autofreiem Wohnen steigt
Erich Willi, Projektleiter im Tiefbauamt bei der Verkehrsplanung der Stadt Zürich, wies den steigenden Bedarf an autofreien respektive autoarmen Wohnnutzungen in der Stadt Zürich aus. Ausdruck dafür sei die steigende Gesuchszahl für die Unterschreitung des Minimalbedarfs an Parkplätzen bei Überbauungen. Zwar seien in den zentrumsnahen Gebieten schon jetzt autoarme Nutzungen mit nur 10 - 40 % des Normalbedarfs möglich, in den peripheren Gebieten seien aber wesentlich höhere Minimal-Ansätze einzuhalten. Die neue Parkplatzverordnung (Entwurf 08) enthält in Erfüllung der Motion Girod/Danner neu die Möglichkeit den Minimalbedarf für alle Nutzungen unter bestimmten Bedingungen (Mobilitätskonzept, Controlling) zu unterschreiten.

Erste Schweizer Initiativen für das autofreie Wohnen

Die Anzahl an Parkplätzen beim Projekt «Sihlbogen in Zürich-Leimbach hängt von dieser neuen Parkplatzverordnung der Stadt Zürich ab. Mit dem «Sihlbogen» wird ein an den Nachhaltigkeitskriterien der 2000-Watt-Gesellschaft orientiertes Projekt realisiert. Dies beinhaltet auch ein vom Planungsbüro Jud für die rund 200 Wohnungen erarbeitetes Mobilitätskonzept, dessen Elemente eine vom eigenen Auto unabhängige Mobilität ermöglichen sollen. Je Wohnung wird es beispielsweise ein in der Miete enthaltenes ZVV-Jahresabo geben, während die Parkplatzzahl auf das gesetzlich mögliche Minimum reduziert wird.

Stefan Geissbühler schilderte als Vertreter der npg AG für nachhaltiges Bauen die Situation in Bern-Bümpliz. Die npg AG hat von der Stadt Bern mehrere Parzellen für das voraussichtlich erste autofreie Wohnprojekt der Schweiz erworben. Die generelle Baubewilligung für zwei Gebäude mit insgesamt 28 Wohnungen liegt bereits vor. Die Bewilligung für das detaillierte Baugesuch wird für Mitte Juni erwartet. Baubeginn ist voraussichtlich im August 2008. Das Projekt im Oberfeld, Ostermundigen bei Bern ist ebenfalls autofrei geplant: „Im Oberfeld wurde das Bauprojekt konkretisiert und etwa 60 Wohneinheiten sind reserviert. Die Wohnbaugenossenschaft Oberfeld ist zurzeit in Verkaufsverhandlungen mit der Stadt Bern, welche das Areal abtreten wird, sofern genügend Interessentinnen und Interessenten gewonnen werden können“, teilte der Präsident der Wohnbaugenossenschaft Oberfeld Christian Zeyer gestern mit.
Die Pläne für Autofreies Wohnen mit der «ecocity biel/bienne» umriss Gründungsmitglied Markus Rebmann. Im März wurde die Wohnbaugenossenschaft Gurzelen Biel/Bienne gegründet. Die Stadt Biel, als Grundeigentümer, hat zugesichert, dass im zentrumsnahen Gurzelenquartier ein solches Projekt realisiert werden kann. Der genaue Standort ist im Moment noch offen.  Doris Königer vom VCS St. Gallen/Appenzell legte dar, dass auch in St. Gallen die Suche nach einem geeigneten Areal für Autofreies Wohnen begonnen hat.


Nationale «Plattform Wohnen & Mobilität»: Austausch von Knowhow und Erfahrungen

Thomas Schweizer, Geschäftsleiter von Fussverkehr Schweiz, wies auf die diversen lokalen Initiativen zur Förderung des Autofreien Wohnens in der Schweiz hin: „Diese haben alle mit den gleichen Problemen zu kämpfen, beispielsweise mit juristischen Fragen oder Finanzierung von Projekten. Deshalb braucht es eine Plattform, über welche das Knowhow und die Erfahrungen bei der Realisierung von Autofrei-Wohnen-Projekten an verschiedenen Orten ausgetauscht werden könnten. Die vom Bund unterstützte «Plattform Wohnen & Mobilität» ist zusammen mit dem Netzwerk «Autofrei Wohnen Schweiz» ein wichtiger Schritt dazu.“ Trotz der aktuellen Projekte sei kein eigentlicher Trend für das autofreie Wohnen auszumachen, obwohl das Bedürfnis klar ausgewiesen sei. Dies zeige eine Studie, welche unter anderen von Stadt und Kanton Bern in Auftrag gegeben worden ist. Gemäss dieser wären im Grossraum Bern (150'000 Haushalte) 12'000 Haushalte bereit, auf ein eigenes Auto zu verzichten und dies auch vertraglich festzuhalten.


Informations- und Überzeugungsarbeit leisten

Der Mitorganisator des Anlasses im Kraftwerk1, der Geschäftsleiter des Clubs der Autofreien, Samuel Bernhard, zeigte sich in seinem Resümé überzeugt, dass das Autofreie Wohnen in der Schweiz bald Konjunktur haben werde: „Eine Million Menschen leben in der Schweiz ohne eigenes Auto - viele davon sind einfach für autofreie Wohnformen zu gewinnen. Zudem hat die Berner Studie gezeigt, dass gar 3% der Autobesitzenden auf ihr Auto verzichten würden, wenn sie Aussicht auf eine Wohnung in einer autofreien Siedlung haben. Neben dem Gewinn an Lebens- und Umweltqualität sind auch die Wohnkosten bis zu 10 % geringer, weil die Stellplatzzahl viel tiefer liege. Es ist nun an der Zeit, die Behörden, die Baugenossenschaften und die Öffentlichkeit für die Vorteile des autofreien Wohnens zu sensibilisieren. Es sollte doch für alle möglich sein, so zu wohnen, wie sie dies am liebsten tun“.

Quellen:
Club der Autofreien der Schweiz CAS
Fussverkehr Schweiz
Mitglieder des Netzwerks «Autofrei wohnen Schweiz»:

Kraftwerk1,  www.kraftwerk1.ch
Projekt Sihlbogen, Zürich Leimbach, www.sihlbogen.ch

Projekt der npg AG, Bern- Bümpliz, www.npg-ag.ch
Autofrei Wohnen Zug www.autofrei-zug.ch
Läbigi Stadt, Bern www.laebigistadt.ch 
Wohnbaugenossenschaft Oberfeld,  www.wohnen-im-oberfeld.ch
Projekt ecocity biel/bienne,Wohnbaugenossenschaft Gurzelen,  www.ecocity-biel-bienne.ch
VCS St. Gallen/Appenzell, www.vcs-sgap.ch