Umweltsünder: Wer – wir?
Kennen Sie das Global Footprint Network? Da stehen die Erderschöpfungstage für viele Länder drin, auch für die Schweiz und Deutschland. Ich weiss, Sie trennen den Abfall – und was tun Sie darüber hinaus? Und was unternehme ich selbst?
Vor einem Monat, am 7. Mai, hatte die Schweiz ihren Erderschöpfungstag, zwei Tage nach Frankreich und fünf Tage nach Deutschland. Aber gefeiert hat ihn wohl niemand. Wir wissen Bescheid über Erderwärmung, Artensterben und Abfallberge; das ist wichtig. Und fliegen doch doch ein, zwei Mal im Jahr in die Ferien und kaufen uns nächstes Jahr vielleicht ein neues Auto, weil das alte doch eine Dreckschleuder ist; das scheint nötig. Und wenn wir beim Global Footprint Network (GFN) nachschauen, lehnen wir uns beruhigt zurück: Katar (9. Februar), Luxemburg (19. Februar) oder die USA (15. März) sind noch viel schlimmer als wir, die wir bis Jahresende knapp dreimal die Ressourcen der Erde verbraucht haben werden. Dass Kuba (19. November) und Vietnam (21. Dezember) uns weit voraus sind, blenden wir aus.
Die GFN kann den ökologischen Fussabdruck eines Landes messen, den Country Overshoot Day, somit der ganzen Welt. Und mit ihrem Berechnungssystem kann sie auch den ökologischen Fussabdruck eines Menschen messen. Ich kann das und Sie können das. Wie tut das die GFN? Sie analysiert den Verbrauch natürlicher Ressourcen, die Menge des produzierten Abfalls, die Emissionen. Seit dem 7. Mai und bis Silvester leben wir also auf Pump – auf Kosten der Zukunft.
«Steigendes Einkommen führt im Allgemeinen zu mehr CO2-Verbrauch», sagt Andreas Meissner. Der Deutsche ist Psychiater und beschäftigt sich mit den psychologischen Aspekten des Umweltschutzes. Er hat mit dem CO2-Rechner des Umweltbundesamts seinen Verbrauch ausgerechnet und liegt, trotz mancher Bemühungen, bei zehn Tonnen pro Jahr, doch nur zwei Tonnen stünden ihm laut Weltklimarat zu, damit die globale Temperatur nicht um über zwei Grad ansteigt. Doch laut US-Präsident Donald Trump gibt es gar keine Erderwärmung.
Was sollen wir tun? «Wir müssen die grossen Linien sehen», sagt Juli Otten von Germanwatch. Sie verweist auf Deutschlands Hauptprobleme: die Landwirtschaft, die Industrie; ein Ausstieg aus der Kohle oder eine Agrarwende würden sehr helfen. Und die Menschen müssten nachhaltiger leben – gerade jene, die das Problem kennen. «Es ist absolut widersprüchlich, wie wir leben. Wir haben das Wissen um die ökologische Krise, handeln aber nicht danach.» Wie soll man auch auf etwas verzichten, das einfach so zur Verfügung steht, wenn die andern sich einen Wegwerfbecher geben lassen? Und sie fragen sich: Rettet das überhaupt die Welt? Der Klimawandel stinkt ja nicht.
Andreas Meissner sagt, mit dem erhobenen Zeigefinger komme man nicht weit. Wenn wir zu oft Ratschläge geben, was man alles besser machen und was man nicht tun solle, fühle sich der andere klein, ertappt. «Das erzeugt Widerstand.» Sein Rat? Die Umweltbewegung solle ein «positives Narrativ» schaffen. Das heisst, sie solle weniger zum Verzicht ermahnen, sondern neues Verhalten anpreisen: «Auto fahren ist schön, Velo fahren ist besser.»
PS. Ich habe meinen eigenen Erderschöpfungstag berechnet. Es ist der 2. Oktober. Wenn alle so lebten wie ich derzeit, bräuchten wir 1,3 Erden. Ich werde mich also weiter bemühen.
von:
- Anmelden oder Registieren um Kommentare verfassen zu können