Glück oder Grundeinkommen?
Eine verführerische Idee lässt nicht locker: Nachdem vor einigen Jahren die Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen gesamtschweizerisch an der Urne deutlich Schiffbruch erlitt, haben jetzt Initianten aus eher linken und grünen Kreisen in Zürich die Idee wieder aufgegriffen.
Die städtische Initiative, über die am kommenden Sonntag abgestimmt wird, verlangt im Sinne eines Pilotprojekts, dass 500 Versuchspersonen, die nichts oder fast nichts verdienen, während drei Jahren pro Monat rund 3000 Franken erhalten sollen. Was sie selber verdienen, wird von diesem Betrag abgezogen. Wenn sie nichts verdienen, erhalten sie die ganzen 3000 Franken.
Das Ziel ist noch immer dasselbe: Eines Tages sollen wir alle ein garantiertes Grundeinkommen erhalten. Dann müsste man nicht mehr arbeiten, weil man so oder so 3000 Franken bekommt. Durch Schwarzarbeit könnte man natürlich dazuverdienen. Wer hingegen weiterhin einer legalen Arbeit nachgeht und mehr als 3000 Franken verdient, würde kein zusätzliches Geld erhalten.
Die Idee hat schon vielen Zukunftslaboranten den Kopf verdreht. Denn durch die Einführung eines Grundeinkommens für alle könnte die gegenwärtige Sozialleistungsbürokratie massiv abgebaut werden. Das ist eines der Hauptargumente. Wer könnte dagegen sein? Dennoch machte mich die schöne Idee von Anfang an misstrauisch.
Die Verfechter des Grundeinkommens haben sicher keine schlechten Absichten. Sie haben sich viel überlegt, sie wollen, dass alle Menschen die gleichen Chancen haben. Aber die Verwirklichung ihres Plans bedeutet, dass die Macht des Staates über unser Leben noch grösser wird. Bisher hat der Staat nur Menschen in Not geholfen. Mit einem ausbezahlten Grundeinkommen würde er uns unterschiedslos alle subventionieren. Mit anderen Worten: Wir müssten keine Eigenverantwortung mehr entwickeln. Es käme nicht mehr darauf an, ob wir in eine reiche oder arme Familie hineingeboren würden. Es würde keine Rolle mehr spielen, ob man Glück oder Pech hat im Leben. Der Mensch würde unabhängig vom Schicksal werden.
Das ist nicht meine Lebenseinstellung. Natürlich müssen wir Menschen in Not unterstützen. Aber wir haben nicht zufällig ein Schicksal. Das Schicksal ist dazu da, dass uns nicht alles ohne Rechnung geliefert wird – dass wir kämpfen, dass wir Risiken eingehen müssen. Die Hindernisse, die das Schicksal uns in den Weg stellt, lassen uns zu reiferen Menschen werden. Das ist die Schule des Lebens, dafür sind wir auf dieser Welt: um zu lernen.
Vielleicht für ein nächstes Leben.
Dem Staat missfällt diese Einstellung. Deshalb ist er im Grunde nicht gegen ein Grundeinkommen für alle. Wenn die Stimmbürger der Stadt Zürich am nächsten Wochenende dem Pilotversuch zustimmen, werden die Zürcher Behörden das Projekt nur allzu gern in die Tat umsetzen. Natürlich würden sie den Menschen nicht sagen: Wir wollen euch die Eigenverantwortung nehmen. Ich denke, sie werden es anders machen. Sie können die Menschen bei der Existenzangst, die in nächster Zeit bestimmt zunehmen wird, am wundesten Punkte treffen. Sie werden den Menschen wohl sagen, dass das Grundeinkommen ihnen die Sorgen abnimmt, dass es ihnen eine minimale Existenz sichert.
Warum will uns der Staat von der Eigeninitiative abhalten? Weil Menschen, die selbständig handeln, auch selbständig denken. Das mag der Staat gar nicht. Das wollen vor allem all jene nicht, die einen «pädagogischen» Staat wollen, der uns sagt, wie wir leben sollen. Diese Tendenz – wir erfahren sie täglich – hat sich in jüngster Zeit noch verstärkt, und ein Grundeinkommen für alle wäre ein weiterer Schritt in die staatliche Vormundschaft. Wenn uns der Staat jeden Monat 3000 Franken gibt, dann will er etwas dafür, dann will er Bürgerinnen und Bürger, die mitmachen, die sich loyal verhalten und keine Probleme bereiten. Regieren ist unbequem, wenn die Bürger frei sind. Dann machen sie, was sie wollen. Deshalb gehe ich davon aus, dass der Staat das Grundeinkommen an Bedingungen wird knüpfen wollen. Er wird uns sagen: Ihr bekommt es nur, wenn ihr brav seid.
Ich will aber nicht brav sein. Ich will frei sein. Und ich will auch nicht, dass der Staat mich ernährt, als wäre ich noch ein Kind und als wäre der Staat der Vater. Ich bin erwachsen und kann mich selber ernähren. Wenn ich mich anstrengen muss, um Geld zu verdienen, dann gibt mir das ein gutes Gefühl, ein besseres, als wenn ich es bloss geschenkt erhalte. Ja, ich will mich anstrengen müssen. Ich will mir mein Leben verdienen. Und ich vertraue darauf, dass das Leben mir hilft.
Dieser Text erschien im Podcast von Nicolas Lindt «5 Minuten». Täglich von Montag bis Freitag unter dem Namen des Autors auf Facebook, Spotify, iTunes oder direkt unter www.dieluftpost.ch
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