Es begann in Wittenberge, einer Kleinstadt im letzten Winkel von Brandenburg: Dort startete 2019 der erste Summer of Pioneers. Die Idee: Ein Wettbewerb wählt zusammen mit einer Stadt in einer strukturschwachen Region eine Reihe von Digitalarbeitern aus. Diese erhalten eine möblierte Wohnung und einen Coworking Space gestellt und können ein halbes Jahr das Leben auf dem Land testen.

Im Gegenzug bringen sie sich ehrenamtlich mit ihren Projekten, Ideen und Umsetzung für die Menschen in der strukturschwachen Stadt ein. Eine echte Win-Win-Situation, die von Anfang an grosse internationale Aufmerksamkeit und einige Preise erhielt. Für eine Kleinstadt, aus der sonst kreative und gut ausgebildete Menschen abwandern, eine grosse Hilfe. Fünf weitere Städte in Deutschland machten sich in den folgenden Jahren zum Schauplatz des Summer of Pioneers. Mit Lichtensteig ist die erste Schweizer Stadt dabei.

Lichtensteig liegt eine Zugstunde entfernt von Zürich und eine halbe von St. Gallen und sieht sich als kulturelles Zentrum der Region. Mit gerade einmal 2´000 Einwohnern und einem wenige hundert Meter grossen historischen Stadtkern bezeichnet Lichtensteig sich selbst als Mini-Stadt. 18 «Kreative» – und das meint in diesem Zusammenhang vor allem jüngere Digitalarbeiter, die auf gutes Internet angewiesen sind – leben und arbeiten seit Mai hier für ein halbes Jahr – in einem Haus mit günstiger Miete und mit kostenlosen Workspace.

Der Summer of Pioneers wurde von der Stiftung zukunft.bahnhof nach Lichtensteig gebracht. Die Stiftung hat das Ziel, das Quartier rund um den Bahnhofin ein Modell für eine regenerative, nachhaltige und «enkeltaugliche» Stadtentwicklung umzubauen. Dazu gehören ein Begegnungs- und Kulturort, in dem neue Wohnmodelle und andere soziale Innovationen vorgestellt werden sollen. Aus der Projektbeschreibung: «Konsequente Bürgerbeteiligung ebnet den Weg zu einer Quartiersentwicklung mit soziopolitischen und wirtschaftsökologischen Vorbildcharakter.»

Mit dem Macherzentrum in Lichtensteig wurde bereits im November 2022 ein moderner Coworking Space mit moderner Infrastruktur, Arbeitsplätzen und Besprechungsräumen aufgebaut: eine Investition, um die Abwanderung aus der Region aufzuhalten. 

Was ein solcher Sommer der Pioniere bringen kann, zeigt das Beispiel des ersten Schauplatzes: Wittenberge war eine aussterbende Stadt an der Elbe. Die «Sommer-Pioniere» brachten neue Impulse: z.B. das Ökofilmfestival, Tauschcafés und Workshops. Aus der Berliner Start-up-Szene stammende Pioniere gründeten verpackungsfreie Einkaufskooperativen und beraten die Stadt bei ihrem Social Media Auftritt. Auch der Stadtsalon «Safari» war ein Projekt des «Summer of Pioneers». Hier entstand auch das «KoDorf» - eine Initiative für neues gemeinschaftliches Leben am Stadtrand – als Alternative zur Vorstadtsiedlung.

Doch Vorsicht: Es klingt sehr ähnlich, wenn Städteplaner von «smart cities» träumen, in denen alles in 5 Minuten erreichbar ist. Auch wurde das Ko-Dorf-Projekt Wiesenburg in Deutschland von der Smart Country Initiative der Bertelsmann-Stiftung mit finanziert. Smart City – das ist eine hauptsächlich digital organisierte Welt mit reduziertem ökologischen Fussabdruck – und reduzierter persönlicher Freiheit. Deshalb ist zu wünschen, dass sich kluge Geister hier mit einbringen und diesen Ab-Weg verhindern.