Hildebrand darf auf das Fifo-Prinzip hoffen
Der Zeitpunkt des Spiessrutenlaufs von Philipp Hildebrand war gut gewählt: Nach einer Medienkonferenz, die um 17.00 Uhr zu Ende geht, bleibt den Zeitungen bis zum Redaktionsschluss nicht viel Zeit für eine Analyse.
Um es kurz zu machen: Die Medienorientierung von Nationalbankpräsident Philipp Hildebrand brachte nichts Neues. Hildebrand bedauert die Transaktionen, ist sich aber keiner Verfehlungen bewusst und stützt sich auf die Beurteilung von Bankrat und Revisionsstelle, die keine Reglementsverstösse erkennen. Folglich denkt er auch nicht an Rücktritt. Er wirkte den Umständen entsprechend selbstsicher und glaubwürdig.
In zwei Punkten ist Philipp Hildebrands Verteidigung allerdings schwach:
1. Nach Darstellung von Hildebrand und der Revisionsfirma Price Waterhouse Coopers (PWC) hat Philipp Hildebrand am 4. Oktober beim Verkauf von 516‘000 Dollar nicht die Devisen verkauft, die seine Frau am 15. August gekauft hatte (504’000 Dollar), sondern älteres Geld. Grundlage sei das Fifo-Prinzip – «first in, first out» –, wie es in der Logistik angewandt wird. (S. 4 des Prüfberichts von PWC). Dieses Prinzip ist im Bankwesen natürlich eine buchhalterische Fiktion und wird auch nicht angewandt. PWC, als Revisionsstelle der Nationalbank ohnehin in einem Interessenskonflikt, argumentiert, im Oktober seien bereits im März gekaufte Devisen wieder veräussert worden und nicht solche, die erst im August gekauft wurden. Deshalb sei auch die reglementarische Haltefrist von sechs Monaten eingehalten worden. Das ist, man kann es nicht anders sagen, an den Haaren herbeigezogen. Konkret bedeutet es: Wenn Hildebrand genügend «altes» Geld auf seinem Konto hat, kann er fast beliebig mit «neuem» spekulieren.
Auf Dauer lässt sich der Öffentlichkeit eine solche Dummheit nur verkaufen, wenn die Medien mitspielen.
2. Hildebrand bekräftigt, dass seine Frau Kashya ohne sein Wissen am 15. August den Kauf von 504’000 Dollar in Auftrag gegeben habe, was durch eine e-Mail und von PWC bestätigt werde. Das mag sein, auch wenn es erstaunlich klingt, dass eine Frau vom Konto ihres Mannes ohne Absprache eine spekulative Transaktion im Umfang von 40 Prozent seines Jahreslohns tätigt. Die Begründung Hildebrands: Sie sei eben «eine starke Persönlichkeit». Aber sie – mit ihm früher in demselben Hedgefonds tätig – müsste auch wissen, dass man mit dem Konto eines Nationalbankpräsidenten nicht herumspielen kann. Zudem hat Philipp Hildebrand gleichentags, vor und nach dem Devisenkauf seiner Frau, über dasselbe Konto Aktienkäufe im Umfang von knapp 100’000 Franken getätigt. Auf demselben Konto mit wenig Bewegungen an demselben Tag gewichtige Transaktionen von zwei Menschen, die einander nicht informiert haben wollen? Solange das gegenteil nicht bewiesen ist, muss diese Unwahrscheinlichkeit als wahr gelten.
Widersprüchlich bleiben aber die veröffentlichten Begründungen des Ehepaars Hildebrand für den Kauf der 504’000 Dollar zwei Tage vor einer grösseren Geldmarktintervention der Nationalbank und drei Wochen vor Einführung der berühmten Kursuntergrenze. Während sie der Sendung 10vor10 erklärte, der Dollar sei damals einfach «lächerlich billig» gewesen, meinte er an der Pressekonferenz, es sei darum gegangen, das Gleichgewicht zwischen Dollar und Schweizer Franken auf ihren Konten wiederherzustellen.
Auf die Vorwürfe, der Weltwoche, Hildebrand habe die inkriminierten Transaktionen selbst in Auftrag gegeben (und dazu eine schriftliche Erklärung des zuständigen Bankmitarbeiters haben will), wollte sich Hildebrand an der Medienkonferenz nicht äussern: «Ich gehe nicht auf einzelne Zeitungen ein.» Aber: «Es ist ganz klar, dass dieser Auftrag von meiner Frau getätigt wurde.» Dass es ihm nicht ganz wohl bei dieser Aussage war, zeigt die Bemerkung «Mein Wort sollte auch ein gewisses Gewicht haben.»
Bedenklich an der Affäre ist die Rolle der Medien und der Kontrollstellen. Der Bankrat, die eidg. Finanzkontrolle und die befangene Revisionsgesellschaft waren offensichtlich bemüht, die Sache herunterzuspielen, anstatt Transparenz zu schaffen. Mit dem 23. Dezember wählten sie für ihr Communiqué den denkbar günstigsten Termin, die Sache möglichst von der Öffentlichkeit fernzuhalten. Wer mit der Kontrolle unseres Geldsystems und seiner Akteure betraut ist, muss unabhängig arbeiten und darf keine Seilschaften pflegen. Die Medien ihrerseits verzichteten nicht nur auf Recherchen in der Sache, sondern drehten den Spiess um und nahmen den Überbringer der schlechten Nachrichten ins Visier.Ob oder wie lange sich Hildebrand noch im Amt halten kann, hängt jetzt von zwei Faktoren ab:1. Wird das Fifo-Prinzip von den Meinungsmachern auch für die Finanzen und namentlich die eines Zentralbankpräsidenten akzeptiert?2. Kann die Weltwoche die behaupteten Beweise liefern?Ich bleibe bei meiner Ende Oktober öffentlich eingegangenen Wette, dass Philipp Hildebrand Ende April nicht mehr im Amt sein wird, muss aber zugeben, dass ich damals nicht ahnte, wie schnell es gehen könnte.
Um es kurz zu machen: Die Medienorientierung von Nationalbankpräsident Philipp Hildebrand brachte nichts Neues. Hildebrand bedauert die Transaktionen, ist sich aber keiner Verfehlungen bewusst und stützt sich auf die Beurteilung von Bankrat und Revisionsstelle, die keine Reglementsverstösse erkennen. Folglich denkt er auch nicht an Rücktritt. Er wirkte den Umständen entsprechend selbstsicher und glaubwürdig.
In zwei Punkten ist Philipp Hildebrands Verteidigung allerdings schwach:
1. Nach Darstellung von Hildebrand und der Revisionsfirma Price Waterhouse Coopers (PWC) hat Philipp Hildebrand am 4. Oktober beim Verkauf von 516‘000 Dollar nicht die Devisen verkauft, die seine Frau am 15. August gekauft hatte (504’000 Dollar), sondern älteres Geld. Grundlage sei das Fifo-Prinzip – «first in, first out» –, wie es in der Logistik angewandt wird. (S. 4 des Prüfberichts von PWC). Dieses Prinzip ist im Bankwesen natürlich eine buchhalterische Fiktion und wird auch nicht angewandt. PWC, als Revisionsstelle der Nationalbank ohnehin in einem Interessenskonflikt, argumentiert, im Oktober seien bereits im März gekaufte Devisen wieder veräussert worden und nicht solche, die erst im August gekauft wurden. Deshalb sei auch die reglementarische Haltefrist von sechs Monaten eingehalten worden. Das ist, man kann es nicht anders sagen, an den Haaren herbeigezogen. Konkret bedeutet es: Wenn Hildebrand genügend «altes» Geld auf seinem Konto hat, kann er fast beliebig mit «neuem» spekulieren.
Auf Dauer lässt sich der Öffentlichkeit eine solche Dummheit nur verkaufen, wenn die Medien mitspielen.
2. Hildebrand bekräftigt, dass seine Frau Kashya ohne sein Wissen am 15. August den Kauf von 504’000 Dollar in Auftrag gegeben habe, was durch eine e-Mail und von PWC bestätigt werde. Das mag sein, auch wenn es erstaunlich klingt, dass eine Frau vom Konto ihres Mannes ohne Absprache eine spekulative Transaktion im Umfang von 40 Prozent seines Jahreslohns tätigt. Die Begründung Hildebrands: Sie sei eben «eine starke Persönlichkeit». Aber sie – mit ihm früher in demselben Hedgefonds tätig – müsste auch wissen, dass man mit dem Konto eines Nationalbankpräsidenten nicht herumspielen kann. Zudem hat Philipp Hildebrand gleichentags, vor und nach dem Devisenkauf seiner Frau, über dasselbe Konto Aktienkäufe im Umfang von knapp 100’000 Franken getätigt. Auf demselben Konto mit wenig Bewegungen an demselben Tag gewichtige Transaktionen von zwei Menschen, die einander nicht informiert haben wollen? Solange das gegenteil nicht bewiesen ist, muss diese Unwahrscheinlichkeit als wahr gelten.
Widersprüchlich bleiben aber die veröffentlichten Begründungen des Ehepaars Hildebrand für den Kauf der 504’000 Dollar zwei Tage vor einer grösseren Geldmarktintervention der Nationalbank und drei Wochen vor Einführung der berühmten Kursuntergrenze. Während sie der Sendung 10vor10 erklärte, der Dollar sei damals einfach «lächerlich billig» gewesen, meinte er an der Pressekonferenz, es sei darum gegangen, das Gleichgewicht zwischen Dollar und Schweizer Franken auf ihren Konten wiederherzustellen.
Auf die Vorwürfe, der Weltwoche, Hildebrand habe die inkriminierten Transaktionen selbst in Auftrag gegeben (und dazu eine schriftliche Erklärung des zuständigen Bankmitarbeiters haben will), wollte sich Hildebrand an der Medienkonferenz nicht äussern: «Ich gehe nicht auf einzelne Zeitungen ein.» Aber: «Es ist ganz klar, dass dieser Auftrag von meiner Frau getätigt wurde.» Dass es ihm nicht ganz wohl bei dieser Aussage war, zeigt die Bemerkung «Mein Wort sollte auch ein gewisses Gewicht haben.»
Bedenklich an der Affäre ist die Rolle der Medien und der Kontrollstellen. Der Bankrat, die eidg. Finanzkontrolle und die befangene Revisionsgesellschaft waren offensichtlich bemüht, die Sache herunterzuspielen, anstatt Transparenz zu schaffen. Mit dem 23. Dezember wählten sie für ihr Communiqué den denkbar günstigsten Termin, die Sache möglichst von der Öffentlichkeit fernzuhalten. Wer mit der Kontrolle unseres Geldsystems und seiner Akteure betraut ist, muss unabhängig arbeiten und darf keine Seilschaften pflegen. Die Medien ihrerseits verzichteten nicht nur auf Recherchen in der Sache, sondern drehten den Spiess um und nahmen den Überbringer der schlechten Nachrichten ins Visier.Ob oder wie lange sich Hildebrand noch im Amt halten kann, hängt jetzt von zwei Faktoren ab:1. Wird das Fifo-Prinzip von den Meinungsmachern auch für die Finanzen und namentlich die eines Zentralbankpräsidenten akzeptiert?2. Kann die Weltwoche die behaupteten Beweise liefern?Ich bleibe bei meiner Ende Oktober öffentlich eingegangenen Wette, dass Philipp Hildebrand Ende April nicht mehr im Amt sein wird, muss aber zugeben, dass ich damals nicht ahnte, wie schnell es gehen könnte.
05. Januar 2012
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