Wie entstanden die Figuren von Star Wars, dem erfolgreichsten Kinoprojekt der Filmgeschichte. Seit vierzig Jahren zieht das Epos in Form von Filmen, Comics, Games die Menschen in seinen Bann. Sogar als Religion machte «Jediismus» von sich reden und ist in England gar offiziell als solche registriert. Worauf beruht diese beispiellose Faszination?

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Jemand

Wer das Erfolgsgeheimnis der schiessfreudigen Weltraum-Saga entschlüsseln will, müsse sich ebenso wie ihr Schöpfer George Lucas ausgiebig mit Mythologie befassen, sagen Experten. Denn Einfluss auf sein Filmschaffen hatte nach einhelliger Meinung vor allem Joseph Campbell, der als bedeutender Mythenforscher des 20. Jahrhunderts gilt. Weniger bekannt ist, dass wohl auch Rudolf Steiners Anthroposophie Einfluss auf die Gestaltung von Star Wars hatte. Neue Enthüllungen von unerwarteter Seite geben diesem Verdacht neue Nahrung.  

Anthroposophie in Star Wars?
George Lucas hatte Kontakte zur Waldorfschulbewegung in Amerika. Schon 1978 unterstützte Lucas die Marin Waldorf School durch Star Wars-Benefizkonzerte finanziell. Auch wird behauptet, dass er sich ausgiebig mit Steiners Schriften befasste. Er besuchte wohl den sogenannten «Raphael-Kreis», wo er sich laut Bericht einer Teilnehmerin lebhaft an der Diskussion anthroposophischer Themen beteiligte.1 Interessant sind zudem Aussagen des Waldorfpädagogen Douglas Gabriel. Er behauptet in einer schriftlichen Erklärung, selbst am Drehbuch der ersten Star-Wars-Filme mitgewirkt zu haben. Und zwar im Rahmen eines dreitägigen Thinktanks zusammen mit niemand geringerem als Marcia Lucas, der damaligen Frau von George Lucas. Sie spielte eine bislang unterschätzte Rolle bei der Produktion der ersten Star Wars-Filme, wie neue biographische Studien zeigen. Der bekannte Anthroposoph Werner Glas hatte den Thinktank arrangiert, wie inzwischen von einem weiteren Zeugen bestätigt wurde, und mit den Worten eingeleitet: «Marcia ist vertraut mit der Anthroposophie und der Arbeit Rudolf Steiners und braucht unsere Hilfe für die Gestaltung des Drehbuchs […]»2. Und sie ergänzte, das Kino solle dazu benutzt werden, «dem Publikum wichtige Botschaften zu vermitteln und eine spirituelle Geschichte zu erzählen, die eine gute Grundlage in der Wahrheit hat»3. Dass es dabei vor allem um Anthroposophie geht, wurde bisher meist übersehen. Nur die NZZ schrieb am 14.November 2015 ganz nebenbei: Um der «höheren, kosmischen Kraft» in Star Wars teilhaftig zu werden «bedarf es der Disziplin und Anthroposophie, wie sie nur ein kleiner Orden mustergültig verkörpert: die Jedi-Ritter». Auch der Schriftsteller Frank Linde hatte 1994 Bezüge zwischen Anthroposophie und Star Wars festgestellt.

Der Mythos unserer Zeit
Es würde ein dickes Buch füllen, im Detail zu belegen, inwiefern Steiners spiritueller Kosmos in Lucas‘ Weltraumdrama enthalten ist. Einige Philosophen sind bereits auf einer heissen Spur und diskutieren Star Wars als den «Mythos unserer Zeit»4. In Form moderner mythologischer Bilder werde hier das Drama der Gegenwart auf die Leinwand projiziert. Es handelt sich demnach nicht um blosse Reproduktionen antiker Mythen, sondern um die Schöpfung eines neuen Mythos. Das passt insofern zur Anthroposophie, als auch sie in gewisser Hinsicht als eine Art «neuer Mythos» aufgefasst werden kann (allerdings mit wissenschaftlichem Anspruch). Sie schuf Mythen vergleichbare Werke wie Steiners Mysteriendramen, zu denen Star Wars etliche Parallelen zeigt, wenn man die unterschiedlichen Bilderwelten zu übersetzen versteht. Ähnlich wie alte Mythen und Mysterien beschreibt auch die Anthroposophie das äussere Geschehen als Ausdruck des Wirkens geistiger Wesen und verwendet für tiefere Zusammenhänge eine imaginative Bildersprache. Wie in antiken Mythen versteht auch sie Planetennamen wie Jupiter, Venus oder Saturn zugleich als Namen für Götter. Mythologisch betrachtet bedeutet Krieg der Sterne (Star Wars) demnach etwa dasselbe wie Krieg der Götter. Götter kämpfen gegeneinander, nicht Sterne als solche, die lediglich deren Wohnstätten sind. In Star Wars sind es übermenschliche Fantasy-Wesen wie Jabba the Hutt auf dem heissen Wüstenplaneten «Tatooine» oder dessen Gegenpol Darth Vader auf dem kalten Maschinenplaneten «Todesstern». «Darth Vader ist ein Wesen, das wir in der Anthroposophie ‚Ahriman‘ nennen»5, erklärte Gabriel. Die Parallelen sind tatsächlich frappierend. Entsprechend kann Jabba mit dem «Luzifer» der Anthroposophie identifiziert werden, dem Gegenpol zu Ahriman.6

Schwert und Mönchskutte
Die Polarität des Bösen, repräsentiert durch Jabba und Vader, stimmt bis in viele Details mit Steiners Lehre über die polaren Wesen Luzifer und Ahriman überein. Jabba ist weich, aufgedunsen, fett. Vader hingegen hart und sklerotisch. Der sinnenfrohe Riesenfrosch Jabba geniesst die Freuden des Lebens und lacht auch gerne mal schallend. Er haust in einer schmutzigen Lasterhöhle, dessen Boden nächtliche Schnapsleichen zieren. Der Kontrollfreak Vader hingegen versteht keinen Spass. Pedantisch und freudlos beherrscht er einen blitzblanken Maschinenplaneten, der Angst und Schrecken im Universum verbreitet.

Schwert und Mönchskutte
Zentrales Bemühen des Helden angesichts der Polarität des Bösen ist das fortwährende Ringen um Gleichgewicht zwischen Luzifer und Ahriman. In den ersten Star Wars-Filmen ist es vor allem der angehende Jedi-Ritter Luke Skywalker, der dieses Ringen repräsentiert. Er ist weder kalt und berechnend wie Vader, noch genusssüchtig wie Jabba. Das hier zum Ausdruck kommende mittlere Prinzip nannte Steiner den «Menschheitsrepräsentanten» bzw. «Christus». An ihm zeige sich die harmonische Ausgeglichenheit zwischen den Extremen. Als Sonnenheld muss er beide Einseitigkeiten in sich selbst besiegen und miteinander versöhnen. Im Film kommt dies dadurch zum Ausdruck, dass Luke sowohl Jabba wie Vader entgegentritt. Zwei Kämpfe, die jedoch nicht mit denselben Waffen geführt werden können: «Es gibt nur eine Macht», sagt Steiner, «vor der sich Luzifer zurückzieht: das ist die Moralität. Das ist etwas, was den Luzifer brennt wie das furchtbarste Feuer. Und es gibt kein anderes Mittel, welches dem Ahriman entgegenwirkt, als an der Geisteswissenschaft geschulte Urteilskraft und Unterscheidungsvermögen. Denn was wir uns auf der Erde als gesunde Urteilskraft aneignen, das ist etwas, was Ahriman furchtbar flieht.»7
Star Wars bringt dieses Konzept sinnbildlich zum Ausdruck: In Jabbas Lasterhöhle erscheint Luke im Mönchsgewand, ein Symbol für Moralität. Gegen Darth Vader hingegen kämpft er mit dem Lichtschwert, ein Sinnbild für denkendes «Unterscheidungsvermögen». Wie der messerscharfe Verstand scheidet es richtige von falschen Begriffen und erleuchtet wie das «Licht der Vernunft» die Finsternis des dunklen Ahriman.   

Jedi-Ritter und Michaeliten
Das zuversichtliche Motiv des Lichtschwerts, das durch Star Wars weltberühmt wurde, stammt nach Aussagen Gabriels ebenfalls aus der Anthroposophie. Es wird in Waldorfkreisen seit jeher gepflegt.8 Zu Michaeli im Herbst bringen die Kinder Schulhefte mit dem «Flammenschwert» Ritter Georgs heim. Im sogenannten «Jahreszeitenbuch» der Waldorfschulen trägt ein Märchen sogar explizit den Titel «Das Lichtschwert». Waldorfpädagogen haben es nach Motiven alter Michaelslegenden gedichtet. Im Puppentheater am Goetheanum in Dornach, dem Zentrum der Anthroposophischen Gesellschaft, wird ein ähnliches Märchen mit demselben Titel «Das Lichtschwert» regelmässig aufgeführt. Es schildert, wie ein mutiger Ritter mit Hilfe eines Flammenschwerts, das ihm Erzengel Michael aushändigt, einen Drachen besiegt. In Star Wars heissen diejenigen, die mit dem Flammenschwert gegen «Darth-Ahriman» kämpfen, «Jedi-Ritter». Die Anthroposophie nennt sie «Michaeliten»,  Menschen mit einer Affinität zu selbständiger Urteilskraft. Der Kampf der Michaeliten gegen Ahriman, den Star Wars thematisiert, entspricht aus anthroposophischer Sicht ziemlich genau dem, was sich heute in unserer Zivilisation abspielt. Materialismus, Machtpolitik und masslose Maschinisierung usw. sind Facetten Ahrimans, dem sich die Michaeliten mit dem Lichtschwert des freien Denkens entgegenstellen – sei es durch das Aufdecken industrieller Wissenschaftskriminalität, die Entlarvung von Kriegslügen oder das Kreieren alternativer Kulturformen.

Auf dem Weg zum Maschinenplaneten
Werden einseitige Entwicklungen zu Ende gedacht, entstehen groteske Bilder, die Wesenhaftes offenbaren. Die Hauptwaffe Darth Vaders in Star Wars ist der sogenannte «Todesstern», ein riesiger Maschinenplanet, der ganze Planeten zerstören kann. Nicht umsonst hat Greenpeace ihn gegen den Raubbau an der Natur als Symbol benutzt. Er symbolisiert die letzte Konsequenz einer Gesellschaftsentwicklung, die alles maschinisieren will. Fragt man den Einzelnen, wird diese Konsequenz kaum jemand ernstlich wünschen. Dennoch verhalten sich Milliarden von Menschen täglich so, als sei gerade dies ihr allersehnlichster Wunsch. Die Maschinisierung aller Lebensverhältnisse schreitet mit Riesenschritten voran.
Obwohl es der Einzelne nicht will, das Kollektiv strebt zielsicher in Richtung Maschinenplanet. Das wiederum provoziert die Frage: Wer oder was bewirkt dieses Verhalten in uns? Die Antwort darauf akzeptieren die meisten Menschen wohl nur in Form von Film-Mythen. Die Mehrheit der Star Wars-Fans würde entsetzt Reissaus nehmen, wenn man ihr ungeschminkt sagte, dass «ahrimanische Wesen» in ihrem Unterbewusstsein wirken. Scheinbar hat aber genau dieser Gedanke bei der Kreation von Star Wars Pate gestanden. Marcia Lucas hatte gemäss Gabriel den Entschluss gefasst, mittels Star Wars spirituelle Botschaften zu transportieren. Eine dieser Botschaften, die auf der Leinwand deutlich wiedererkennbar ist, lautet in den Worten Steiners: Ahrimanische Wesen «stürmen ins Unbewusste des Menschen herein, in das Willensleben». Sie seien das Geschlecht unter den geistigen Wesenheiten, die dem Menschen ein besonderes Interesse für alles Mineralisch-Materielle, das Äusserlich-Maschinelle beibringen wollten.9 Sie «möchten, dass die Tierwelt verschwinde, dass die physische Menschenwelt verschwinde, die Pflanzenwelt verschwinde, dass vom Mineralreich nur die physischen Gesetze bleiben, aber namentlich, dass die Menschen von der Erde weggenommen würden; und einen neuen Saturn aus lauter Maschinen möchten sie bilden, eine neue Welt aus lauter Maschinen. So soll die Welt dann weitergehen.»10 Wer diesen «neuen Saturn» virtuell visualisiert sehen möchte, kann das in Star Wars. «Todesstern» wird er dort passend genannt. Schon im Mittelalter galt der finstere Saturn als «Gott des Todes», was mythologisch gesehen, wie gesagt, ohne weiteres als «Stern des Todes» übersetzt werden kann, sprich «Todesstern». «Das ist kein Mond, das ist eine Raumstation»11 ruft der Jedi-Ritter Obi Wan entsetzt, während sein Raumschiff von dem «magnetischen Fangstrahl»12 des Todessterns ergriffen wird (Steiner ordnet den Magnetismus Ahriman zu. Zufall?). Und es folgt die Befreiung der schönen Prinzessin Leia aus den Fangarmen des Maschinengottes. Magnetisch gebannt zittert das Kinopublikum mit den Jedi-Rittern im Lichtschwertkampf gegen Darth Vader und ist sichtlich erleichtert, wenn der Todesstern endlich zerstiebt. – In der Wirklichkeit jedoch tobt weiterhin der ungestüme High-Tech-Enthusiasmus unserer Zeit. Und dieser ist es doch wohl, den man eigentlich gemässigt sehen möchte, den Darth Vader im Leben.
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Fussnoten
1 Gabrielle Charren, Leserbrief Info 3/ 11/ 1999.
2 cosmicconvergence.org.
3 cosmicconvergence.org.
4 Philosophie Magazin, Sonderausgabe 05, Star Wars – Der Mythos unserer Zeit. November 2015 Berlin.
5 Douglas Gabriel, cosmicconvergence.org.
6 Gabriel gibt Palpatine an, was meines Erachtens ein Irrtum ist.
7 Rudolf Steiner, Die Offenbarung des Karma, GA 120, S. 139.
8 Man findet es auch in der keltischen Mythologie, die in anthroposophischen Kreisen sehr geschätzt wird.
9 R. Steiner: Die Verantwortung des Menschen für die Weltentwicklung (GA 203), Vortrag vom 11. März 1921, S. 259f.
10 ebd. Hervorhebung Ingo Hoppe.
11 Star Wars IV.
12 Star Wars IV.
 
Mittwoch, 28. September 2016
Überarbeitet am 27.04.2018