In Hegnach hoch über dem Remstal, Teilort von Waiblingen in Baden-Württemberg, leben etwa 1300 evangelische Christen, die ein lebendiges Gemeindeleben innerhalb der evangelischen Landeskirche führen. Zum Gottesdienst kommen meist 100 bis 150 Besucher. Es gibt einen Kirchen- und einen Posaunenchor, die den Gottesdienst und kirchliche Veranstaltungen musikalisch umrahmen. Für die Kinder wird Kinderkirche angeboten. Nach dem Gottesdienst steht man im Vorraum der Kirche zusammen, trinkt einen Becher Kaffee und unterhält sich über alles, was anliegt.«Die Paulusgemeinde war immer eine sehr vitale Gemeinde, schon bevor ich vor neun Jahren hier anfing», so Pfarrer Bernhard Elser, der sich in seiner Gemeinde grosser Beliebtheit erfreut.
Peter Hahne predigt: «Ich bin Christ, weil ich intelligent bin.»
Der Sonntag, den 6. April 2025, war ein besonderer Tag für die evangelische Gemeinde in Hegnach, denn der bekannte ehemalige Fernsehmoderator und Bestsellersautor Peter Hahne war zu Besuch. Vormittags hielt er eine Predigt und nachmittags einen Vortrag in der Pauluskirche. Insgesamt kamen 1000 Menschen zu beiden Terminen. Sie erlebten Peter Hahne, wie er leibt und lebt, voller Humor, Energie und christlicher Inspiration. Auch mit Kritik an Politik, Zeitgeist und Gesellschaft geizte er nicht.
Blickte man an diesem Sonntagmorgen durch die hohen Kirchenfenster hinaus auf den grosszügigen Vorgarten des Kirchengebäudes, sah man die Frühlingssonne, Bänke und Tische, Kuchen, Butterbrezeln, Kaffee und Getränke für die Mittagspause im Freien.
Pfarrer Elser: «Singen, dass die Wände wackeln»
Zuerst stimmte sich die Gemeinde mit einem traditionellen Kirchenlied auf den Tag ein. Philipp Spitta hat es vermutlich im Jahr 1827 gedichtet:
O komm, du Geist der Wahrheit,
und kehre bei uns ein,
verbreite Licht und Klarheit,
verbanne Trug und Schein.
Gieß aus dein heilig Feuer,
rühr Herz und Lippen an,
dass jeglicher getreuer
den Herrn bekennen kann.
Die Gemeinde sang mit grosser Freude kräftig mit und legte damit ihr Glaubensbekenntnis ab: Die Wahrheit hat in Hegnach einen guten Platz. Hier heisst man sie willkommen und sehnt sich nach ihr. Das zeigte sich auch in der Coronazeit. In der Gemeinde schaffte man es, sich von Einseitigkeit und Angstmache zu distanzieren und der christlichen Nächstenliebe und dem Glauben Vorrang zu geben. Zwar hielt man sich an die Corona-Massnahmen, wie der Pfarrer berichtet, aber man hatte es nicht nötig, Ungeimpfte auszuschliessen oder gar zu beschimpfen. Eine mutige und besonnene Gemeinde, diese evangelische Kirchengemeinde in Hegnach.
Wo finden Gläubige Anker und Kompass?
Peter Hahne würdigte gleich zu Anfang seiner Predigt den atmosphärisch spürbaren Zusammenhalt der Gemeinde. Er ging dann der Frage nach, was unter Wahrheit zu verstehen sei. Dabei streifte er auch den neuen Koalitionsvertrag zwischen Schwarz und Rot, in dem Lügen jetzt verboten sei.
«Warum brauchen wir dann überhaupt Jesus?», fragte der Prediger und antwortete gleich darauf mit einer Aussage des Physikers und Nobelpreisträgers Werner Heisenberg: «Die Welt von heute gleicht einem wundervollen Ozeandampfer. Die komplizierten Maschinen funktionieren gut, die Passagiere tanzen zur Bordmusik, in den Küchen wird ausgezeichnet gekocht, alle sind vergnügt und beschäftigt. Das Ganze ist grossartig. Nur der Anker fehlt. Und der Kompass geht nicht, da er auf sich selbst bezogen ist. Das wundervolle Schiff treibt hilflos auf dem Ozean ...»
Auch in unserer heutigen Zeit von Sondervermögen und Kriegstreiberei fehle der Anker und der Kompass funktioniere nicht, stellte Peter Hahne fest. Und er weiss, wo die Menschen Anker und Kompass finden können: in Gott. Und: «Über Gott steht keiner mehr.» Und genau das macht Christen so tapfer, mutig und auch wahrhaftig. Für sie ist Gott massgeblich. Das Treiben der Welt ist für sie zweitrangig.
Christen sind Kreuz- und Querdenker
Hahne lobte Pfarrer Bernhard Elser als engagierten Pfarrer und Christen. Christen seien Kreuz- und Querdenker, wie Dietrich Bonhoeffer uns gezeigt hätte. Wenn man Pfarrer Elser in einigen Zeitungen als «Querprediger» bezeichnet habe, sei das als ein «Ritterschlag» zu verstehen. Jesus, als «Navi unseres Lebens» führe uns. Und in den Gottesdiensten und in Gemeinden wie Hegnach könne man auftanken. «Das ist eine Tankstelle fürs Leben, für den Alltag.»
In der Welt der Politik nehme man Schulden auf und nenne das ein Sondervermögen. Aber Gott schenke Befreiung durch Vergebung unserer Schuld. Hahne:«Wer durch ihn schuldlos wird, der hat ein Vermögen.»
Jesus sagt: «Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.» Der Erfolgsautor riet, dem Zeitgeist ruhig zu widerstehen und sich fundamentalen christlichen Werten zuzuwenden,«sein Fundament bei Jesus zu haben».
Hahne erinnerte auch an die traurige Coronazeit, als man Sterbende und Alte allein liess, unmenschlich und erschütternd sei das gewesen. Selbst im umkämpften Stalingrad hätte man seine sterbenden Kameraden nicht allein gelassen, hatte ihm sein Vater einst erzählt. Er wünschte der Hegnacher Gemeinde, sie solle sich Glaube, Gebet, Gottes Wort, Gottesdienst und Gemeinschaft erhalten.
Der Staat kann nicht die totale und einzige Ordnung menschlichen Lebens sein.
Zum Volkstrauerttag 2021, in der Coronazeit also, berief Pfarrer Bernhard Elser sich in einer Predigt auf die fünfte These der Barmer Erklärung, die besagt, dass der Staat nicht die einzige und totale Ordnung des menschlichen Lebens sein könne. Das kreidete man ihm in diversen Medien an.
Auch die Stuttgarter Schulderklärung, vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland am 19. Oktober 1945 in Stuttgart vor Ökumenevertretern vorgetragen, hatte Elser inspiriert: «Wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben.»
Genau das konnte man Pfarrer Elser aber nicht vorwerfen. Ausserdem müsse Kirche Pluralität aushalten, hiess es von der zuständigen Oberkirchenrätin. Und so gab die Evangelische Landeskirche ihrem Pfarrer Elser, der in einigem doch recht gehabt hatte, wie die RKI-Dokumente beweisen, weiterhin den Segen für seine anerkennenswerte Arbeit in Hegnach.
Elser freut sich: «Es ist schön, dass wieder Ruhe eingekehrt ist. Für eine gute Gemeindearbeit ist das förderlich. Aber die nächste Herausforderung steht schon an.»
Die Kirche bleibt im Dorf
Der Mitgliederschwund der Kirche führt zu Fusionierungen, man legt Pfarrstellen zusammen.«Eine traurige Entwicklung», so Elser. Die Hegnacher Gemeinde wehrt sich, denn sie würde dazu noch die Geschäftsführung verlieren. Aufwändige Abstimmungsprozesse würden das Engagement bremsen. Aus eigenen Mitteln soll deshalb eine vollumfängliche und unabhängige Pfarrstelle in Waiblingen-Hegnach erhalten bleiben. Die Aktion «Die Kirche bleibt im Dorf» ruft zu Spenden auf. Die Veranstaltung mit Peter Hahne brachte einen guten Batzen bei der Kollekte ein. Der ehemalige ZDF-Moderator humorvoll: «Wenn ich nicht «umstritten» wäre, wären nicht so viele da.»
Man kann nur hoffen, dass der Hegnacher Gemeinde, den Kirchengemeinderäten und dem Pfarrer ihr Vorhaben gelingt. Von aussen betrachtet gewinnt man den Eindruck, dass die Umstrukturierung der Kirchen auch den Entscheidungsspielraum der Menschen vor Ort einengt, etwa der Kirchengemeinderäte. Ist eine schleichende Entdemokratisierung der Kirche im Gange? Möchte man die Kirche scheibchenweise abwickeln? Wie gut, dass die Hegnacher Gemeinde so aktiv ist und so gut zusammenhält!