Optimierung des Trivialen

Wie viel Bürokratie verbessert die Qualität der Arbeit?

Werden Dinge mit Auswertungen und Qualitätsmanagement wirklich besser? Das ist nie grundsätzlich untersucht worden. Evaluationen sind tabu.«Qualität» ist das lateinische Wort nicht etwa für «Güte», sondern für «Eigenschaft», oder das schöne Wort «Beschaffenheit». «Gemanagt» und damit verändert wird also die Beschaffenheit von Produkten und neuerdings auch von sogenannten Dienstleistungen. Ich schreibe «sogenannt», weil Dienstleistung als Begriff die Verhältnisse unzulässig vereinfacht. Eine Arzt erbringt nicht bloss eine Dienstleistung, er hat auch eine Verantwortung, muss mitdenken und mich gegebenenfalls auch mal konfrontieren.


Was für die Gesundheit gilt, stimmt auch für den Bildungsbereich: Wenn Lehrer und Professorinnen bloss «Dienstleistende» sind, liegt alles schief. Denn zu ihrer Aufgabe gehört es auch, für das Wort «Bildung» und damit für einen Grundpfeiler von Demokratie zu stehen – und zwar auch dann, wenn das einigen Schülerinnen oder Studenten mal gerade nicht passt und vielleicht etwas zu anstrengend ist; und auch dann, wenn diese lieber einfach den Prüfungsstoff büffeln würden, um ihn nach dem Test wieder zu vergessen. Dienstleistung ist der falsche Ansatz.


Optimierung des Messbaren ist auch der falsche Ansatz. Denn je unwichtiger Dinge sind, desto leichter und genauer lassen sie sich erfassen. Leicht messen lässt sich, ob Patienten mit dem Essen im Spital zufrieden waren. Leicht messen lässt sich, wie viele Seiten eine Professorin publiziert hat. Schwer zu messen ist, ob eine Patientin mitentscheiden konnte, wenn sie das wollte. Schwer zu messen ist, ob ein (Hochschul-)Lehrer so offen ist, dass ihn wichtige Anliegen  auch erreichen. Gängige Formen von Evaluation und Optimierung in Unternehmen sind in der Regel schädlich, wenn es um Komplexes wie Gesundheit oder Bildung geht. Denn sie lenken die Aufmerksamkeit auf die unwichtigen Dinge. Oft fördern sie zudem Missgunst und verdrängen persönliches Feedback.


Es gibt durchaus Formen, die gute Arbeit unterstützen. Kürzlich berichtete mir das Geschäftsleitungsmitglied eines Spitals, formularfreie Aktivitäten zur Verbesserung der Qualität erfunden zu haben. Und eine Frau erzählte, wie sie als Mitglied der Leitung einer Hochschule das Wort «Mitarbeitendenbefragung» wörtlich genommen habe: Bei ihr musste jede Mitarbeiterin persönlich einen anderen, unbekannten Mitarbeiter befragen. Die Gesprächsergebnisse wurden nicht registriert. Eine sehr sinnvolle Befragung, da bin ich mir sicher, ganz ohne Ironie.


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Prof. Dr. Dr. Christof Arn ist selbständiger Ethiker, leidenschaftlicher Leiter des «Zentrums für Lernen und Lehren» der Hochschule Luzern und Gründer der Aktionsgruppe «Adminus», die sich gegen die Behinderung echter Arbeit durch zunehmende Bürokratie zur Wehr setzt.


Mehr Informationen: www.wp.adminus.ch


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Mehr zu diesen Thema finden Sie im Heft 136 «Berichte aus der Tabuzone»


Es gibt Dinge, über die spreche ich nicht einmal mit mir selbst. Konrad Adenauer



Mehr zum Thema finden Sie im Heft 136 Berichte aus der Tabuzone