Ein kohärentes Leben. Ein Leben mit dem klaren Ziel, die Lebensbedingungen der uruguayischen Bevölkerung zu verbessern. Ein Leben mit tiefer Sinnhaftigkeit. Danke für dein Leben, geliebter Pepe. Fliege hoch, Pepe Mujica.
Mit diesen treffenden und gefühlvollen Worten verabschiedete der chilenische Abgeordnete Tomás Hirsch von der Partei Acción Humanista den ehemaligen uruguayischen Präsidenten in die Ewigkeit. Als Mitstreiter der Guerillabewegung Tupamaros in den 60er Jahren, dann von 1972 bis 1985 von der uruguayischen Diktatur gefangen gehalten, später Minister, Präsident und nach seiner Präsidentschaft zweimal Senator, widmete der legendäre Führer der Bewegung für Volksbeteiligung (MPP) – der grössten Partei des heute wieder regierenden linken Parteienbündnisses Frente Amplio – sein ganzes Leben dem Dienst an seinem Volk.
José Alberto Mujica Cordano (* 20. Mai 1935 in Montevideo; † 13. Mai 2025 ebenda), allgemein bekannt als Pepe Mujica, war von 2010 bis 2015 Präsident Uruguays. Er war mit Lucía Topolansky, einer politischen Weggefährtin und ehemaligen Vizepräsidentin des Landes, verheiratet. Von Beruf war er Blumenzüchter.
Wegen seiner Tätigkeit in der Guerillabewegung Movimiento de Liberación Nacional – Tupamaros verbrachte er Jahre im Gefängnis, überwiegend in Einzelhaft.
Im April 2024 gab Mujica seine Erkrankung an Speiseröhrenkrebs bekannt. Anfang 2025 bat er aufgrund seiner Streuung darum, künftig von Presseanfragen und Besuchen abzusehen.
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Im Einklang mit seiner kritischen Einstellung zum kapitalistischen Streben nach materiellen Gütern, die nicht zum Glück der Menschen beitragen, lebte Mujica bis zum Schluss sehr bescheiden und spendete 90 % seines Gehalts an soziale Einrichtungen, die sich für die verarmten Bevölkerungsgruppen und Kleinstunternehmer:innen einsetzen.
Zu den wichtigsten politischen Errungenschaften während seiner Zeit als Präsident gehörte der Sozialwohnungsplan «Juntos» (Gemeinsam), der darauf abzielte, bedürftigen Familien ein Zuhause zu geben. An dem Bau der Häuser waren nicht nur Fachleute beteiligt, sondern auch die Betroffenen selbst, ihre Nachbarn und Freiwillige.
Im Juni 2012 hat die Regierung von Mujica in einer wegweisenden Entscheidung vorgeschlagen, den Verkauf von Marihuana zu legalisieren und zu regulieren. Ein weiteres wichtiges Projekt war die Förderung der Technischen Universität von Uruguay, einer öffentlichen und unabhängigen Hochschule, die in sechs Departamentos des Landes unterrichtet und so Studierenden aus dem Landesinneren den Zugang zu einer Hochschulausbildung ermöglicht.
Ausserdem hat Mujica nach heftigem Widerstand der Konservativen im Mai 2013 das Gesetz zur gleichgeschlechtlichen Ehe durchgesetzt. Unter seiner Präsidentschaft wurde 2012 mit dem Gesetz Nr. 18.987, das den freiwilligen Schwangerschaftsabbruch (IVE) regelt, auch die Abtreibung entkriminalisiert.
Als entschiedener Kriegsgegner sagte er in seiner Rede vor den Vereinten Nationen im September 2013, dass die wichtigste Aufgabe der Menschheit darin bestehe, «Leben zu retten».
In dieser poetischen und bedeutungsvollen Botschaft sagte er:
Ich übernehme Verantwortung für die Millionen armer Landsleute in Lateinamerika, unserer gemeinsamen Heimat, die gerade entsteht.
Ich übernehme Verantwortung für die unterdrückten indigenen Kulturen, für die Überreste des Kolonialismus auf den Malvinen (Falklandinseln), für die sinnlosen Blockaden gegen diesen Alligator unter der karibischen Sonne, der sich Kuba nennt.
Ich übernehme Verantwortung für die Folgen der elektronischen Überwachung, die uns mit Misstrauen vergiftet.
Ich trage die Verantwortung für eine riesige soziale Schuld, für die Pflicht, für den Amazonas zu kämpfen, für eine Heimat für alle und dafür, dass Kolumbien den Weg zum Frieden findet. Ich habe die Pflicht, Toleranz zu zeigen. Toleranz braucht man gegenüber denen, die anders sind, und nicht gegenüber denen, mit denen man einer Meinung ist. Toleranz ist die Grundlage für ein friedliches Zusammenleben.
Mujica bezeichnete damals die schmutzige Wirtschaft, den Drogenhandel und die Korruption als «zeitgenössische Plagen».
«Wir haben die alten immateriellen Götter geopfert und den Tempel mit dem Gott des Marktes besetzt. Er organisiert unsere Wirtschaft, unsere Politik, unser Leben und finanziert uns sogar in Raten den Anschein von Glück. Es scheint, als wären wir nur geboren, um zu konsumieren und zu konsumieren, und wenn wir das nicht können, leiden wir unter Frustration und Armut», sagte der Präsident.
Seine Kritik am Konsumismus ging noch weiter – er erinnerte daran, dass wir drei Planeten brauchen würden, um so zu konsumieren, wie es ein durchschnittlicher Amerikaner tut. «Verschwendung und Spekulation» sollten bestraft werden, sagte er.
Weder grosse Staaten noch transnationale Konzerne und schon gar nicht das Finanzsystem sollten die Welt regieren.
Für den uruguayischen Präsidenten sollte die «hohe Politik», verflochten mit der Wissenschaft, «die nicht auf Profit aus ist», die Leitlinien vorgeben.
Jenseits aller Kritik beendete der Präsident seine bemerkenswerte Rede mit einer hoffnungsvollen Botschaft für die Menschheit: Sie habe die Fähigkeit, Wüsten zu verwandeln und Pflanzen zu züchten, die in Salzwasser leben können, und die Möglichkeit, die Armut auf der Welt vollständig zu überwinden und zu begreifen, dass das Leben ein Wunder ist, das es zu bewahren gilt.
Als aktiver Verfechter einer souveränen regionalen Integration gehörte er zur politischen Achse der Lateinamerikaner, unter anderem mit Cristina Kirchner, Lula da Silva und Hugo Chávez. Im Rahmen der Lateinamerikanischen und Karibischen Tage der Völkerintegration, die im Februar 2024 in Foz de Iguazú stattfanden und an denen er trotz seiner 88 Jahre teilnahm, sagte der erfahrene Aktivist: «Es gibt keine Integration ohne das Volk, das sie trägt» – und gab damit eine klare Richtung vor für die Bemühungen zum Aufbau eines gemeinsamen Zuhauses in Lateinamerika und der Karibik.
In seiner Rede zum Abschluss der Tagung brachte Mujica spannende Lehrbeispiele, die zeigten, wie wichtig und nützlich Integration ist zur Verbesserung der traurigen Lage jener Menschen, die wir gemeinhin als «das Volk» bezeichnen – obwohl viele von ihnen, vielleicht aufgrund falscher Versprechungen individuellen Glücks, sich selbst nicht immer so sehen.
Mujica rief dazu auf, eine erste Phase mit möglichen Fragen einzuleiten, die kaum zurückgewiesen werden können, und die der sozialen Basis das Verständnis für die Vorteile und die Überlebensnotwendigkeit der kontinentalen Integration erleichtern könnten.
Integration ist kein Selbstzweck und bringt nur etwas, wenn sie das Leben der Leute verbessert. Damit sie nicht zu einer leeren Worthülse oder einem nutzlosen Slogan wird, muss sie mit klaren Bildern gefüllt werden, Farbe, Form und Plastizität bekommen und Leidenschaft wecken …
Es ist schwierig, einen Menschen vollständig zu charakterisieren, der manchmal freundlich war und manchmal scharf in seiner Offenheit, der tiefgründig war, aber auch gerne volkstümlich redete. José Alberto «Pepe» Mujica Cordano geht als aufrichtiger Humanist in die Geschichte ein.
Wie er selbst sagte, als Präsident Boric ihn kürzlich noch auf seiner Farm in Rincón del Cerro am Stadtrand von Montevideo besuchte:
Wir sind unterschiedlich, aber wir wissen alle, dass es zu viele Menschen gibt, die keine Chance im Leben haben. Deshalb sagen wir, dass wir links sind, klar, aber wir sind weder links noch rechts. Wir sind Humanisten. Wir denken darüber nach, was für die Zukunft der Menschheit gut ist, und wir werden mit diesem Traum sterben.
Die Übersetzung aus dem Spanischen wurde von Domenica Ott vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!