Schweizer Themen am Festival von «Filme für die Erde

Acht Fragen an Kai Pulfer von Filme für die Erde

Filme für die Erde hat sich seit seiner Gründung zu einem internationalen Kompetenzzentrum für Umweltdokumentarfilme entwickelt. Kai Pulfer  leitet den gemeinnützigen Verein mit Sitz in Winterthur.

 

Dieter Langhart: Wenn es Filme für die Erde nicht gäbe: was würde der Welt fehlen?
Kai Pulfer: Eine Website, auf der – wie nirgendwo sonst – alle spannenden und wichtigen Dokus zu Nachhaltigkeit zu finden sind. Ein Team von 200 engagierten Menschen jedes Jahr. Ein Projekt mehr, das hilft, das kollektive Bewusstsein unserer Gesellschaft weiser zu machen.

Was war das berührendste Erlebnis, seit Sie für Filme für die Erde arbeiten?
Der Anruf einer 15-jährigen Gymnasiastin, die eine Arbeit zur Frage schrieb, warum Erwachsene heutzutage nicht auf das reagieren, was mit dem Planeten passiert. Ich drückte meine Bewunderung aus, dass sie mit jungen Jahren bereits an dieser Stelle ist, und war mehr oder weniger sprachlos. Es tat mir auch leid, womit sie mit 15 bereits konfrontiert ist. Eine Heldin für mich.

Das kommende Festival konzentriert sich auf Schweizer Themen – welche und warum?
Mit «The Messenger» zeigen wir, dass weltweit die Singvögel dramatisch verschwinden. Da die Schweiz das Land in Europa ist, das am meisten Pestizide versprüht, ist das hier besonders ein Thema. Aber wir können etwas tun: politisch, im Garten, mit dem Einkauf von Bio-Essen, mit ganzjährigem Durchfüttern der Vögel im Quartier. Mit «Blue Heart» zeigen wir den Wert freier Flüsse und Wildnis. Im Balkan, einem aufkommenden Ferienziel für Schweizer, sollen die letzten wilden Flüsse Europas mit 3000 (!) Dämmen aufgestaut werden. Aber Menschen wehren sich.

Was kann ein Film, was kein Artikel, kein Text schafft? Und wo ist das Wort stärker?
Filme werden über mehrere Sinne aufgenommen, Ohr und Auge, sie sind unseren Träumen sehr ähnlich. Die Perspektiven ändern ständig, die Zeit läuft nicht linear, man fühlt in verschiedene Personen hinein und man fühlt konstant etwas. Eigentlich ist das bereits eine Art Virtual Reality für sich. Das Wort hingegen lässt uns Zeit. Wir entscheiden, wie lange wir es anschauen und darüber nachdenken. Das Wort ist näher am Gedanken als am Träumen und darum klarer.

Ihr habt vor einem halben Jahr eine Stiftung gegründet – um mehr Geld für eure Aufgaben zu haben?
Michael Zeugin, Mitgründer und Präsident von Filme für die Erde, hat schon früh erkannt, dass Filme für die Erde auch in anderen Ländern entstehen könnte. Und dass wir von Filmen auch direkt Rechte erwerben könnten, um sie breiter und langfristiger zugänglich zu machen. Während die Vereine Filme für die Erde Schweiz und Deutschland stark mit dem Festival, Schulaktionen oder Freiwilligen beschäftigt sind, kann eine Stiftung längerfristig vorgehen und auf die Ressourcen, Technologien und Prozesse fokussieren, die die Vereine langfristig brauchen. Ein Traum ist, dass die Stiftung mit Gönnern Filme «freikaufen» kann. Mit einer ersten internationalen Schulaktion dieses Jahr kommen wir diesem Ziel schon nahe.

In der Meldung zur Stiftungsgründung stand dieser Satz: «Der unverfrorene Wunsch, etwas Bleibendes zu schaffen.» Was bedeutet Ihnen Konstanz in dieser so hastigen und hektischen Welt?
Will ich das Leben auf diesem Planeten wirklich erhalten helfen, muss ich eine Wirkung erreichen, die es langfristig sichern hilft, nicht nur für das nächste Jahr. Hastig und hektisch kommt nicht weit, verschwendet Energie, hat den Überblick nicht. In unserem Fall sollen Umweltfilme der Gesellschaft bleibend zur Verfügung stehen, solange sie eben etwas Wichtiges zu sagen haben.

Was umfasst Nachhaltigkeit für Sie persönlich?
Klar: Sparduschbrause, Recycling, Plastik minimieren, Bio, pflanzliche Ernährung, ziviles Engagement, abstimmen, möglichst nicht fliegen. Aber das alles ist für mich recht oberflächlich und überhaupt keine Herausforderung. Ich finde es interessant, wenn ich wirklich dumme Verhaltensweisen entdecke und sie um 180 Grad drehen kann: etwa ein Abwasch-Schwamm aus getrockneten Gurken statt Plastik. Wer ist nur auf die Idee gekommen, Plastik am Geschirr abzureiben und als Mikroplastik hinunterzuspülen? Warum soll ich regelmässig klimawandelfördernd mit Benzin den Rasen mähen, also ein ganzes Ökosystem schnetzeln, wenn ich stattdessen mit ein, zwei Mal senseln im Jahr Libellen, Grashüpfer, Hummeln, Bienen und Vögel in meinen Garten locken kann? Warum mehr wollen, wenn weniger wollen oder müssen glücklicher macht? Es hat für mich viel mit Entdecken und Aufhören von alltäglichem Wahnsinn zu tun.

Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Ich hoffe, dass in vielen anderen Ländern «Filme für die Erde»-Teams entstanden sind, dass Millionen von Menschen aus allen Kulturen auf unserer Website Filme anschauen und die besten Lösungen zur Wende Richtung Nachhaltigkeit finden. Und: 5000 Mitglieder statt 400 wie heute. Man stelle sich vor, was wir dann alles bewegen könnten! Persönlich wünsche ich mir zutiefst, dass mein Beitrag an die Sinfonie des Lebens auf der Erde qualitativ und quantitativ wirkungsvoller sein kann. Ich sehe unsere Arbeit bis jetzt trotz allem als recht kleinen Tropfen im Meer. Es ist eine Erleichterung zu wissen, dass es noch Millionen andere Engagierte gibt.

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Das «Filme für die Erde»-Festival findet am Freitag, den 21. September ganztägig an 20 Orten in der Schweiz statt. Es werden sieben Filme gezeigt, darunter als Premiere «The Human Element». Der Festival-Eintritt ist gratis mit Ausnahme des Lunchkinos (22 CHF inkl. nachhaltigem Lunch und Getränk)
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