Stille Zeit vor grosser Flut

Wintersonnenwende: Es ist interessant, in diesen Tagen astrologische Vorhersagen zu lesen. Summa summarum: Wir gehen so dramatisch-chaotischen Zeiten entgegen, dass auch Preppern nicht mehr helfen wird – sondern eher Stille und Bewusstsein. Die Samstagskolumne.

Die «toten Tage» zwischen den Jahren wurden uns durch die Diskrepanz von Sonnen- und Mondkalender geschenkt. Foto: Ales Krivec
Die «toten Tage» zwischen den Jahren wurden uns durch die Diskrepanz von Sonnen- und Mondkalender geschenkt. Foto: Ales Krivec

Der 21. Dezember, die Wintersonnenwende, ist Höhepunkt und Neubeginn des kosmischen Jahreskreises. Wieder einmal könnte das nächste Jahr DAS eine Jahr werden, auf das uns alles bisher Erlebte vorbereitet hat. 2025 wird, so glaubt der Österreicher Wirtschaftsastrologe Dr. Christof Niederwieser, das intensivste, dramatischste und extremste der ganzen 20er Jahre. Es werde einen ähnlichen Einschnitt bringen wie das Coronajahr 2020 – aber anders als in jenem wird die Krise sich nicht auf ein einzelnes Thema beschränken, das die Welt ausser Atem hält, sondern ein Stakkato vieler Krisen, Herausforderungen und Katastrophen bringen. 

«Die grosse Flut» nennt er, was uns da erwartetDamit meint er ganz real drastische Naturkatastrophen mit Feuer, Wasser und Lava, aber darüber hinaus eine rasende Abfolge von politischen, ökonomischen, sozialen Ereignissen, Zusammenbrüchen, Machtwechseln, die ineinandergreifen und sich gegenseitig beeinflussen wie ein komplexes Wellensystem im Ozean. 

Alles Alte wird dabei auf den Kopf gestellt. Das alte Europa werde an Macht verlieren zu Gunsten des globalen Südens.Neue geopolitische Akteure werden die alten westlichen Platzhirsche entmachten. Drastische Migrationsbewegungen stehen uns bevor – diesmal möglicherweise nicht nach, sondern aus Europa. Vor allem Indien und die afrikanischen Länder sieht Niederwieser erstarken, und China werde 2025 aus der Deckung kommen und seine Vormachtstellung in der Weltwirtschaft einfordern. BRICS, ick hör dir trapsen, sagt meine innere Berlinerin dazu.

Die grosse Flut habe bei allen unterschiedlichen Ereignissen eine gemeinsame RichtungAlles, was sich überlebt hat,alles, was nicht in die neue Luftepoche passt, werde weggeschwemmt. Die «gute alte Zeit» sei vorbei, meint Niederwieser, wir brauchen Mut für Zukunftslösungen: «Raus aus der Komfortzone, runter vom Sofa, rein in die Aktion». Denn so massive Veränderungen seien auch Chancen. Neue Dinge würden sich nicht mehr langsam entfalten, sondern schnell manifestiert: «Zack zack, Schlag auf Schlag.» Und: «Überraschung wird das neue Normal. Nachrichten werden spannender als jeder Krimi.»

Ich weiss nicht, wie es Ihnen geht – aber ich habe in den letzten Jahren zu viele krasse Vorhersagen gehört – und auch krasse Veränderungen erlebt –, als dass ich mich noch einmal zu einer ernsthaften Katastrophenvorbereitung verführt fühle. Auch im Bekanntenkreis höre ich von keinen Vorsorgemassnahmen oder Prepperaktionen, keine Überlebensrucksäcke mehr, keine Vorräte. «Ich esse immer noch die Reste vom Pumpernickelbrot, das ich für die letzte Katastrophe eingelagert hatte», erzählt ein Kollege. 

Wie aber bereiten wir uns sonst auf die grosse Flut vorDavid Nicol von Earth Astrology empfiehlt Einkehr und Stille vor dem Sturm: «Während wir uns nun auf den Stromschnellen des historischen Wandels befinden, bietet der Zyklus dieses Monats (die Rede ist von Dezember) eine Art Atempause von der Dramatik und Intensität der letzten Monate.»

Seine auffälligste Beobachtung ist der Mars, der noch bis zum 23. Februar 2025 rückläufig sein werde. Damit «...fordert uns das Universum auf, mehr darüber nachzudenken, wie wir uns in der Welt behaupten und verhalten. In dieser Zeit ist es ratsam, wirklich nachzudenken, bevor wir handeln. Wenn wir impulsiv handeln, könnten wir einen schwerwiegenden Fehler begehen, den wir später bereuen werden.»

Schliesslich sind wir Erdbewohner astrologisch vor wenigen Jahren – genauer: am 21.12.2020 – in die Luftepoche eingetreten, die etwa 200 Jahre lang bestehen wird. Sie löst die Erdepoche ab – das materielle Zeitalter, das mit der Industrialisierung begann – und stellt statt dessen das Bewusstsein in den Vordergrund. (In dem Zusammenhang ist es doch interessant, dass gerade das Jahr mit der globalen Atemwegserkrankung die Luftepoche einläutete...)

Die Astrologin Sandra Bohac schreibt über den Epochenwechsel zur Luft: «Dort, wo Erde hortet, sammelt, besitzt und sich von anderen abgrenzt, um auf diese Art und Weise Sicherheit zu erlangen, vernetzt sich Luft mit anderen, will sich mit Besitz nicht unnötig belasten und findet Sicherheit durch Wissen, Austausch und Kooperation.» Wir kommen also tatsächlich jetzt ins Informationszeitalter. (Nur als Randbemerkung an die Astrologenschaft: Mutter Erde ist vielleicht materiell, aber als kapitalistisch habe ich sie nie wahrgenommen. Nun gut.) Tendenziell gehe der Trend hin zu weniger materiellem Ballast und dafür mehr geistiger Freiheit, zu mehr Kooperationen, gegenseitiger geistiger Anregung. 

Dem stimmt auch Christof Niederwieser zu und glaubt, die Werte unserer Gesellschaft werden sich drastisch verändern: «Nur mit starker Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit können wir durchkommen. Die Herausforderungen werden wir nur gemeinsam meistern können.» Gemeinwohl und Kollektivität würden stärker, es komme zu neuen Bündnissen, Wirtschaftsgemeinschaften und Brückenbildung zwischen Akteuren, die vorher nicht verbunden waren. 

Doch der Epochenwechsel greift noch tieferVerdrängte Emotionen kämen hoch. Das Aufbrechen alter Gefühls-Verkrustungen sei das Hauptkennzeichen im Übergang zur neuen Epoche. Das könne beides sein: Massenpsychosen oder kollektive Befreiung. Er empfiehlt in dieser Zeit: keine Ausflucht, keine Ablenkung, sondern ins wahre Dasein einzusteigen. «Gefühl und Gespür werden unser wertvollster Kompass, und die kann keine KI ersetzen.» 

Ich finde Astrologie inspirierend, wenn wir sie so kreativ einsetzen und mit Lebensweisheit verbinden. Vieles, was hier gesagt wird, halte ich selbst für wahrscheinlich – und wünsche es teilweise auch. Denn ohne drastische, auch schwierige Veränderungen können wir nicht auf eine bessere Welt hoffen. Halten wir also das kommende Chaos wenigstens für möglich. Lassen wir uns aber nicht zu wildem Aktionismus hinreissen. Sondern nutzen wir die vor uns liegende Zeit – Weihnachten, das Altjahr, die Raunächte – als Schonfrist vor der grossen Flut, als Zeit der Stille, der Nähe und der Wünsche. 

Ähnlich inspirierend wie Astrologie ist ein Blick auf die alten Bräuche dieser Zeit: Die «toten Tage» zwischen den Jahren wurden uns durch die Diskrepanz von Sonnen- und Mondkalender geschenkt. Da wir mit 12 Monden nur auf 354 Tage kommen, bleiben elf Tage, die nicht gezählt wurden – ungefähr zwischen Weihnachten und dem 6. Januar, dem Dreikönigstag. Wer auf den Sonnenstand schaut, wird bemerken, dass dieser in diesen Tagen tatsächlich fast stillsteht… Natürlich weckte das vor allem in nördlichen Ländern immer Fantasien und Erklärungen aller Art.

Es ist eine unheimliche Zeit, in der alles anders ist: Tiere im Stall sonnen anfangen zu sprechen an und sich über ihre Herren beschweren - endlich, sage ich da nur! Die Wilde Horde der Göttin Percht zieht durch die Orte und junge Frauen, die Wäsche aufhängen, laufen Gefahr, von ihnen überfallen zu werden. Jeder Tag in dieser Zeit steht für einen Monat des neuen Jahres – also ein Mini-Jahr im Jahr, wo wir das Kommende schon einmal voraus erträumen und er-wünschen können.

Was immer wir tun, ob wir an Astrologie oder alte Bräuche, an das Christkind oder gar nichts glauben, tun wir es mit Einkehr, Ruhe und dieser stillen Öffnung, die um diese Zeit leichter fällt. Das ist die beste Krisenvorbereitung, die ich empfehlen kann.