Tierversuche sind nicht nur unethisch, sondern ineffektiv

Neuer Versuch der Schweizer Volksinitiative «JA zur tierversuchsfreien Zukunft»: Bis November 2024 müssen 100`000 Unterschriften zusammenkommen, damit ein Volksbegehren über das Verbot von Tierversuchen entscheidet. Bis dahin werden noch mindestens 1 Millionen Tiere gequält und getötet.

Von der Webseite der Tierversuchsinitiative (s.u.)

Alle 50 Sekunden stirbt ein Tier in einem Schweizer Tierversuchslabor, hat die Eidgenössische Volksinitiative «Ja zur tierversuchsfreien Zukunft» errechnet. Sie fordert eine Änderung der Bundesverfassung.

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  • Art. 80 Abs. 2bis: Tierversuche sind verboten. Davon ausgenommen sind Massnahmen, welche im Interesse des betroffenen Tieres vorgenommen werden müssen. Verboten sind auch das Halten und das Züchten von Tieren für Tierversuche sowie der Handel mit Tieren für Tierversuche.

  • Art. 197 Ziff. 15: Übergangsbestimmungen zu Art. 80 Abs. 2bis (Tierversuchsverbot)

    Alle Tierversuche für Grundlagenforschung sowie für Bildung und Ausbildung und alle Tierversuche mit Schweregrad 3 sind ab Annahme von Artikel 80 Absatz 2bis durch Volk und Stände verboten. Alle weiteren Tierversuche sind spätestens 7 Jahre nach Annahme von Artikel 80 Absatz 2bis verboten.

Tiere sind fühlende und empfindsame Lebewesen. Sie können Schmerzen und Angst empfinden und wollen nicht leiden. Die meisten Menschen würden diesen Sätzen wohl zustimmen. Warum gibt es also überhaupt noch Tierversuche? 

Warum werden dann in der Schweiz pro Jahr um die 600'000 Tiere in Versuchslaboren unter Schmerzen getötet – Tendenz steigend? Sie werden vergiftet, mit Krankheiten infiziert, verstümmelt, verbrannt, enormen psychischen Stress ausgesetzt, mit Nahrungs-, Wasser oder Schlafentzug gequält oder zwangsernährt. Mit den sogenannten «Überschusstieren» steigt die Zahl auf über eine Million. Denn auf Gendefekte gezüchtete Tiere, die den gewünschten Defekt nur ungenügend aufweisen, werden entsorgt.

Warum? Weil unser wissenschaftlich-kapitalistischer Komplex in allen Bereichen – nicht nur Medizin! - auf Tierversuche aufbaut. Doch seine Ergebnisse sind eine Täuschung – und so unpräzise, dass Tierversuche schon lange verboten gehören – nicht nur aus humanitären Gründen, sondern schon allein wegen der mangelhaften Effektivität.

Denn in Tierversuchen falle, so die Initiative, etwa ein Drittel der experimentellen Medikamente durch, da diese für den Menschen als nicht wirksam oder als zu gefährlich eingestuft werden. Bedeutende Medikamente wie zum Beispiel Paracetamol, Aspirin und Penicillin wären mit dem heutigen Standard, dass alle potentiellen Medikamente durch Tierversuche erprobt werden müssen, gar nicht erst auf den Markt gekommen. 

Die mangelnde Übertragbarkeit gilt auch umgekehrt: «Von den Medikamenten, welche beim Tierversuch als wirksam eingestuft wurden, scheitern bis zu 95 % im klinischen Test am Menschen. Von den verbleibenden 5 %, welche dann als zugelassene Arzneimittel auf den Markt kommen, müssen 20-50 % entweder aufgrund zu starker und schwerwiegender Nebenwirkungen vom Markt genommen werden oder mit Warnhinweisen versehen werden.» So die Begründung der Initiative.

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DENKmal gegen Tierversuche in Erlangen, Foto: Aemijork 

Drei Fragen an Dr. med. Renato Werndli, Gründungsmitglied «Ärzte gegen Tierversuche», heute «Ärztinnen und Aerzte für Tierschutz in der Medizin» und Mitbegründer der ersten veganen Arzt-Praxis:

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Zeitpunkt: Warum ist die Initiative im letzten Jahr gescheitert und warum wird sie diesmal gelingen? 

Dr. Renato Werndli: Verloren haben wir, weil wir noch zu wenige überzeugen konnten, dass Tierversuche nicht nur ethisch übel sind, da sind sich die meisten einig. Sondern auch wissenschaftlich: Die Metaforschung (eine Forschungsrichtung, die Forschungmethoden selber untersucht) weist in unzähligen wissenschaftlichen Studien nach, deren Quellen ich gesammelt habe, dass der Tierversuch ungenügend ist. 

Weil er ein Tier als Messinstrument braucht. Und ein solches Messinstrument ist ungeeignet, weil es je nach Psyche und Laune andere Resultate ergibt. Diese sind also nicht reproduzierbar – und das wäre die wichtigste Eigenschaft einer gute Forschung. Die Leute wissen und glauben das nicht. Diesmal hoffen wir zu gewinnen, weil wir das umstrittene Importverbot tierversuchsgetester Produkte, die nach allfälliger Annahme der Initiative so getestet wurden, rausgenommen haben und auch das Menschenversuchsverbot.

Zeitpunkt: Die Schweiz habe bereits die umfassendste Tierschutzgesetzgebung weltweit, behauptet das Bundesamt fürLebensmittelsicherheit und Veterinärwesen auf seiner Webseite. Ausserdem steht dort: «Der Bereich Tierversuche ist besonders strikt geregelt: Jeder einzelne beantragte Tierversuch wird von einer kantonalen Tierversuchskommission begutachtet. Die Forschenden müssen aufzeigen, dass der Nutzen für die Gesellschaft grösser ist als das Leiden der Tiere (Güterabwägung).» Was sagen Sie dazu – also alles halb so wild?

Wir haben nicht das beste Tierschutzgesetz, was übrigens auch Schweden, Australien und Deutschland von sich behauptet. Bei uns sind zum Beispiel noch Versuche an Menschenaffen erlaubt, was nicht überall der Fall ist. Kosmetikaversuche wurden erst 2018 verboten, in der EU schon 2009. Bei uns ist Einzelhaltung für Nager in Versuchslabors erlaubt. Schweineauslauf und -beschäftigung ist nicht vorgeschrieben. Wildtiere im Zirkus erlaubt usw. usw. Also alles andere als bestes Tierschutzgesetz.

Tierversuche sind zwar schon streng geregelt, aber dies wird nicht angewandt: 2019 wurden in der Schweiz nur 5 Promille der beantragten Tierversuche abgelehnt. Das liegt auch etwas an den Tierversuchskommissionen, in denen nur ein Drittel Tierschutz-Vertretetende sein müssen, die damit immer in der Minderheit sind.

Zeitpunkt: Auf der Webseite des BLV steht weiter, dass im letzten Jahr sogar noch mehr Tiere «eingesetzt» wurden: 2022 waren es 3 Prozent mehr als im Vorjahr. Und 2021 wurden fast 90 Versuche mehr durchgeführt als 2020. Dort steht, dass der Anstieg teilweise auf angepasste Richtlinien zurückzuführen sei. Was denken Sie dazu – nur eine Richtlinienänderung?

Ich weiss nur, dass von 2013 bis 2021 die Tier-Zahlen für Schweregrad 3 um 124% zugenommen haben, obwohl die Richtlinien 2018 nur minim geändert wurden. Und ich weiss, dass nach dieser Aenderung von 2021 bis 2022 die Schweregrad-3-Zahlen nochmals um 30.6% zugenommen haben. Innert einem Jahr! Kurz und gut: Tierversuche sind ethisch und wissenschaftlich zu verurteilen und damit zu verbieten.


Irene Varga, Co-Präsidentin der Initiative, ergänzt«Die Kommissionen beurteilen meiner Meinung nach nur Mutmassungen. Da wird reelles, aber unsichtbares Leid von wehrlosen Geschöpfen «abgewogen» gegen fulminantes Nutzen-Wunschdenken. Eine eigentliche, systematische Nachprüfung gibt es nicht.»

Sie stellt uns folgenden kleinen E-Mail-Dialog zwischen ihr und BLV-Mitarbeiter Koang-You Lim zur Verfügung:

  • Wo sehe ich, welche Tierversuche zu einer (und zu welcher) wissenschaftlichen Publikation führten und welche nicht?
  • BLV: Das kann man nirgends sehen.
  • Oder gibt es wenigstens eine einsehbare Statistik: Anzahl abgeschlossene Tierversuche mit und ohne Publikationen?
  • BLV: Nein, diese Statistik gibt es nicht.
  • Gibt es in der Schweiz eine Stelle, welche retrospektiv die Qualität und Sinnhaftigkeit des einzelnen Tierversuches beurteilt? Und dazu Berichte erstellt, die man einsehen könnte?
  • BLV: Nein, diese Stelle gibt es nicht. Eine solche Stelle hat der Gesetzgeber nicht bestimmt.

 


Schweizer Volksinitiative V2.0: JA zur tierversuchsfreien Zukunft !

Die Unterschriftensammlung startete am 9.5.2023 und endet spätestens 9.11.2024. Wenn mehr als 100’000 gültige Unterschriften zusammenkommen, dann wird es zur Volksabstimmung kommen. Hier kann man ausdrucken und unterschreiben: Unterschriftenliste

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IG Tierversuchsverbots-Initiative CH, 9305 Berg SG


Die Werke auf der Webseite von TierversuchsfreieZukunft.ch stammen von Chantal Kaufmann https://www.chantal-kaufmann.ch/